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       # taz.de -- Tagebuch „Krieg und Frieden“ beendet: Lieber Leid teilen als gar nichts
       
       > Das Schreiben über den Krieg hat unserer russischen Autorin geholfen,
       > etwas gegen ihre Angst und Wut zu tun. Jetzt zieht sie ein trauriges
       > Fazit.
       
   IMG Bild: St. Petersburg im Dezember
       
       Mit diesem Text beendet die taz Panter Stiftung nach 20 Monaten das Projekt
       [1][Krieg und Frieden]. Wir danken allen AutorInnen und SpenderInnen, die
       das Projekt ermöglicht haben. Ein Sammelband ist im September 2022 im
       [2][Verlag edition.fotoTAPETA] erschienen. Die Tagebuch-AutorInnen werden
       weiter für die taz schreiben, etwa im Rahmen [3][der Osteuropa-Workshops],
       die die taz Panter Stiftung organisiert.
       
       St. Petersburg taz | Meinen ersten Text für „krieg und frieden: ein
       tagebuch“ habe ich im März vergangenen Jahres geschrieben. Ich weiß noch,
       wie mich der Anruf des Projektleiters Tigran Petrosyan beflügelte, der mir
       vorschlug, Kolumnentexte über das Leben in Russland im Krieg zu schreiben.
       Es war wie ein frischer Wind in einer Zeit der erstickenden, lähmenden
       Angst und Verzweiflung. Die Gefühle brodelten und [4][das Einzige, was mich
       rettete, war, darüber zu sprechen]. Das Tagebuch gab mir dazu Gelegenheit.
       
       Die taz Panter Stiftung hat etwas Unglaubliches getan. Im Moment eines
       akuten Konflikts hat sie nicht nur Stimmen von beiden Seiten der Front Raum
       gegeben, sondern auch denen, die keiner der kämpfenden Seiten angehören,
       sondern willkürlich in diesen Konflikt hineingeraten waren.
       
       Denn der Krieg betrifft nicht nur die Menschen in der Ukraine
       beziehungsweise in Russland. Auf die ein oder andere Weise sind seine
       Auswirkungen in ganz Eurasien zu spüren. Und fast niemandem hat er etwas
       gebracht außer Verlusten. Die Menschen verlieren ihre Angehörigen und
       Freunde, ihr Zuhause, Arbeit, Wohlstand, den Sinn des Lebens, die Hoffnung
       und oft den gesunden Menschenverstand.
       
       ## Russland hinter der eisernen Wand
       
       Ich will nicht verhehlen, dass mir das Projekt auch die Möglichkeit gab zu
       erklären, dass in Russland auch Menschen leben, die diesen Krieg ablehnen.
       Unter den Bedingungen totaler Isolation und hinter einer eisernen Wand, die
       mein Land von der Außenwelt abschirmte, war es mir wichtig zu zeigen, dass
       wir existieren. Was ich hingegen absolut nicht wollte, war, dass es so
       klang, als würde ich versuchen, mich mit diesen Texten von der Schuld
       freizukaufen.
       
       Während dieser fast zwei Jahre haben Journalistinnen und Journalisten aus
       unterschiedlichen Ländern über Dutzende von Themen geschrieben, aber vor
       allem haben sie ihre eigene Geschichte erzählt und wie sie in dieser Zeit
       überlebt haben. Es glich einer großen Zoom-Konferenz, wenn alle abwechselnd
       in einem kleinen Fenster in Echtzeit zeigen, was gerade bei ihnen passiert.
       Und jetzt, wo die Konferenz zu Ende geht, ist es an der Zeit, sich zu
       fragen: Was konnten wir ändern? Ehrlich gesagt: nichts. Und gleichzeitig:
       vieles.
       
       Wir können den Krieg nicht stoppen. Aber es ist falsch, zu viel von sich zu
       erwarten. Der erste Schritt zur Lösung eines Problems ist, es sichtbar zu
       machen. Das Hässliche der Welt zu zeigen. Und auch zu sagen, dass es selbst
       in den dunkelsten Zeiten noch Licht gibt. Ich möchte glauben, dass wir
       diesen ersten Schritt gegangen sind.
       
       ## Annäherung unter tragischen Umständen
       
       Die Panter Stiftung gab den Autorinnen und Autoren die Möglichkeit, sich
       durch die Texte einander anzunähern und sich persönlich kennenzulernen.
       Durch tragische Umstände saß ich in Berlin mit Kolleginnen und Kollegen aus
       der Ukraine, Belarus, Georgien, Armenien und Moldau an einem Tisch. Wir
       versuchten, einander zuzuhören, trotz allem, was passierte. Ehrlich gesagt
       wäre ich viel lieber mit ihnen in eine Bar gegangen, nach irgendeiner
       langweiligen Pressekonferenz über die Landwirtschaft.
       
       Ich habe die ganze Zeit nach etwas gesucht, das uns eines Tages vereinen
       könnte. Irgendetwas außer der Sprache, in der wir schreiben und in der wir
       aufgehört haben, einander zu verstehen. Ich habe nichts gefunden außer
       Schmerz. Aber vielleicht ist Schmerz besser als nichts.
       
       Aus dem Russischen [5][Gaby Coldewey]
       
       13 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kolumne-Krieg-und-Frieden/!t5839531
   DIR [2] https://www.edition-fototapeta.eu/
   DIR [3] /panterstiftung/osteuropa
   DIR [4] /Schuldgefuehle-im-Krieg/!5840834
   DIR [5] /Gaby-Coldewey/!a23976/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Olga Lizunkova
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Krieg und Frieden
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