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       # taz.de -- Weihnachten im Sommer: Sommerliche Weihnachtsgrüße
       
       > Weihnachtliches Grillen und Geschenke unter dem Mehrwegklappbaum. Können
       > wir Heiligabend auch im Sommer feiern?
       
   IMG Bild: Im Jahr 2123 wird Weihnachten im Juni gefeiert
       
       Obwohl dieses Mal doch alles anders sein sollte, passiert mir kurz vor
       Weihnachten das, was jedes Jahr passiert: Ich verfalle in Panik, um schnell
       noch alle To-dos fertigzubekommen, die sich aus weiß der Teufel welchen
       Gründen so furchtbar angehäuft haben. Natürlich werden neben den
       Arbeitsdeadlines auch alle weihnachtlichen Vorbereitungen und Geschenke
       fällig, und dazu schneit es bei den Kindern Last-Minute-Referate.
       
       Vergeblich hoffe ich darauf, dass sich zwischen dem Zoom-Meeting und dem
       Anstehen in der Post irgendwie das [1][zauberhafte Weihnachtsgefühl]
       einstellt, das mich laut Filmen, Songs und Werbung eigentlich seit dem 1.
       Dezember beglücken sollte.
       
       An einem Nachmittag, den ich mir irgendwie aus dem Kalender geschnitten
       habe, besucht Felix mich zum Plätzchenbacken. Ich frage ihn, ob Weihnachten
       auch noch im Jahr 2123 gefeiert wird. Das ist das Jahr, aus dem der
       Zeitreisende mich ab und zu besuchen kommt.
       
       „Natürlich. Aber wir feiern Weihnachten am 24. Juni.“
       
       Vor Überraschung fällt mir fast die Teigrolle aus der Hand. „Wieso das
       denn? Ich dachte, Weihnachten sei absichtlich auf den Winteranfang gelegt
       worden, um die heidnischen Wintersonnwendfeiern kulturell zu vereinnahmen.
       Im Sommer ist ein Fest, das Licht und Wärme spenden soll, doch ziemlich
       sinnlos.“
       
       „Auf der Nordhalbkugel vielleicht, aber nicht im Süden. Da war Weihnachten
       schon immer ein Sommerfest. Weil der Norden sich immer weiter von der
       Kirche abwendet, aber die christlichen Gemeinden in Afrika und Südamerika
       boomen, hat [2][Papst] Jens I. im Jahr 2038 beschlossen, Weihnachten für
       die nächsten 2.000 Jahre im Juni zu feiern.“
       
       „Und was macht ihr dann da so?“, frage ich und stecke mir einen labbrigen
       Teig-Stern in den Mund.
       
       „Der Anfang ist noch wie bei euch: Die Familie kommt zusammen, manche gehen
       sogar immer noch in die Kirche, dann wird gegessen, gesungen, und Geschenke
       werden verteilt. Und wenn die Kinder im Bett sind, betrinken sich die
       Erwachsenen und streiten miteinander.
       
       Aber es werden für Weihnachten keine echten Bäume mehr abgeholzt. Jeder
       vernünftige Mensch hat einen Mehrweg-Klappbaum, der mit LEDs, Süßigkeiten
       und selbstgebasteltem Schmuck behängt wird.
       
       Am 1. Weihnachtsfeiertag gehen alle zusammen in den Wald, um
       Weihnachtsbäume zu pflanzen. Im Anschluss besucht man seine Nachbarn und
       verteilt all die Geschenke, mit denen man selber nichts anfangen konnte.
       
       Am 2. Weihnachtsfeiertag werden Wunschbriefe an Verwandte und Freunde
       geschrieben, in denen steht, über welche gemeinsamen Erlebnisse man sich im
       vergangenen Jahr gefreut hat und was man sich für das kommende Jahr von der
       Person wünscht: mehr Aufmerksamkeit, mehr Liebe oder vielleicht auch
       weniger nervige Briefe.
       
       Wichtig ist, die Briefe per Hand zu verfassen und über die analoge Post zu
       verschicken, sonst zählt es nicht. Und wenn jeder mindestens einen Brief
       verschickt hat, wird groß gegrillt.“
       
       „Und dafür habt ihr dann im Dezember endlich keinen Stress mehr und könnt
       das Jahr in Ruhe ausklingen lassen.“
       
       „Richtig: Und statt zur Christmette gehen die Leute im Dezember zum
       Karaokesingen in die Kirche. Die Akustik ist einfach unschlagbar.“
       
       „Klingt toll!“
       
       „Ist es auch. Und es spricht ja nichts dagegen, neue Traditionen
       anzufangen, bevor der Papst die Welt auf den Kopf stellt.“
       
       23 Dec 2023
       
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