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       # taz.de -- Film über Priscilla Presley: Allein an Elvis’ Seite
       
       > Sofia Coppola verfilmt das Leben von Priscilla Presley – der Frau des
       > King of Rock. Auch Leere und Langeweile erhalten in „Priscilla“ gebührend
       > Raum.
       
   IMG Bild: Abgeschirmtes Leben: Priscilla Presley (Cailee Spaeny)
       
       Du hast doch alles, was du willst!“, wird ihr am Ende ein verzweifelter
       Elvis (Jacob Elordi) entgegenhalten, als sie ihre Koffer packt und
       Graceland verlässt. [1][Priscilla (Cailee Spaeny)] verneint das nicht. Für
       sie ging mit der Beziehung zu Elvis ein Mädchentraum in Erfüllung. Sie
       brauchte allerdings lange, um zu merken, dass es nicht wirklich ein Traum
       war. Oder dass sie nicht mehr dasselbe Mädchen war. Oder beides.
       
       Sofia Coppola lässt ihren Film „Priscilla“ beginnen wie eine Art Katalog
       für ein Museum der 1950er Jahre. Genauer gesagt wie Bilder einer
       Sonderausstellung darüber, wie man sich das Leben von reichen Menschen
       damals vorgestellt hat. Ein rosafarbener, flauschiger Teppich, in dem die
       nackten Zehen tief einsinken. Ein weißes Piano mit Goldborten.
       Porzellanfigürchen auf Beistelltischchen. Alles ziemlich voll gestellt und
       in der Ästhetik näher an Ludwig XVI. als an Walter Gropius.
       
       Dazwischen sieht man auch das Mädchen, das sich in diese „Traumumgebung“
       einpasst. Mit sorgfältig aufgeklebten Wimpern und kunstvoll gemaltem
       Lidstrich. Und dann ist da auch ein kleiner Haufen mit Briefen zu sehen –
       ganz offensichtlich Fanpost, wie die zahlreichen Kussmünder per
       Lippenstiftabdruck auf den Umschlägen verraten. Ein kurzer wehmütiger Blick
       des Mädchens darauf lässt erahnen, dass Priscilla diese Fanpost immer auch
       als Warnung begriffen haben muss: Wenn es dir nicht mehr gefällt an Elvis’
       Seite – es gibt genug andere, die deinen Platz einnehmen wollen!
       
       Von diesem Auftakt mit Bildern eines erträumten Lebens weg setzt der Film
       ein mit der simplen Chronologie einer der bekanntesten Liebesgeschichten
       der Popkultur des 20. Jahrhunderts. Priscilla meets Elvis. Es ist ein
       echtes „meet-cute“, gerade weil es in einer der ödesten Umgebungen der
       damaligen Zeit stattfand, dem Westdeutschland der amerikanischen
       Truppenstationen.
       
       ## Die 14-jährige Priscilla
       
       Dort sitzt im Jahr 1959 irgendwo bei Wiesbaden die hübsche 14-Jährige in
       einem nachgebauten Diner und trinkt mit Heimwehblick ihren Milkshake, als
       ein Soldat sie anspricht. Er will wissen, ob sie Elvis mag. Wer tut das
       nicht?, ist ihre schüchterne Antwort. Der Soldat lädt sie ein, zu einem
       Abend bei Elvis mitzukommen.
       
       Die 14-Jährige muss selbstverständlich erst ihre Eltern fragen. Die sagen
       erst mal Nein. Aber dann spricht der Soldat direkt mit den Eltern,
       formvollendet unter Beachtung aller militärischen Hierarchieregeln.
       Priscilla darf schließlich mit, wird Elvis vorgestellt, und was nach einer
       Steilvorlage für eine Geschichte über Verführung einer Minderjährigen
       klingt, wird zum Treffen zweier verlorener Königskinder.
       
       Denn Elvis mag zwar zehn Jahre älter sein, wirkt aber nicht zuletzt in der
       Trauer über seine gerade verstorbene Mutter fast wie der kindlichere der
       beiden. Sie haben sich nicht unbedingt viel zu sagen, so inszeniert es
       Coppola, aber fühlen sich in der Fremde zueinander hingezogen und spüren
       eine verheißungsvolle Nähe: Irgendwann werden wir richtig zusammen sein!
       
       Oder vielleicht ist es auch nur Priscilla, die das so empfindet – Coppolas
       Film jedenfalls bleibt konsequent bei ihrer Perspektive und zeichnet
       folgerichtig die nach außen so glamouröse Lovestory als Geschichte einer
       Enttäuschung nach. Priscilla wird zehn Jahre vergeblich darauf warten, dass
       sich das Versprechen auf echte Nähe einlöst.
       
       ## Autobiografie „Elvis and Me“
       
       „Priscilla“ beruht auf Priscilla Presleys 1985 erschienener Autobiografie
       „Elvis and Me“; sie ist außerdem als „executive producer“ aufgeführt. Mit
       anderen Worten: Was Coppola hier erzählt, ist Priscillas eigene Version und
       gleichsam abgesegnet. Trotzdem ist „Priscilla“ alles andere als ein
       schmeichelhaftes Porträt, das der Vorlage gleichsam nach dem Mund redet. Im
       Gegenteil scheint es Coppolas erfolgreiche Gegenstrategie zu sein, sich so
       sehr in Presleys Sichtweise einzufühlen, dass gleichzeitig deren
       Begrenzungen spürbar werden.
       
       Aus Priscillas Schilderungen darüber, wie „rücksichtsvoll“ Elvis ihr
       gegenüber als Minderjähriger gewesen sei, macht der Film eine Vorsicht mit
       leicht veränderten Vorzeichen. Suggeriert wird, dass sich Elvis im
       Verneinen seiner sexuellen Interessen gegenüber Priscilla vor allem selbst
       schützt – vor einem möglichen Skandal, aber auch vor einer Intimität, die
       zu viel Schwäche offenbaren könnte.
       
       Wann hatten die beiden denn nun zum ersten Mal Sex? Auf diese Frage gibt
       Coppola lediglich eine verschlüsselte Antwort: In einer Montage zeigt sie,
       wie Priscilla und Elvis sich nach Priscillas Graduation für Tage in ihrem
       Schlafzimmer auf Graceland einschließen. Die Hausangestellte stellt und
       holt wieder und wieder das Tablett mit Frühstück, Mittag- und Abendessen
       vor der Tür ab. Was sich dahinter abspielt, sind aber keine Sexszenen,
       sondern spielerische Fotosessions und Kissenschlachten, mehr Kinderzimmer
       als Erotikfest.
       
       Wie in „Marie Antoinette“ und [2][„The Bling Ring“ beweist Coppola] erneut
       ihr besonderes Gespür für den Materialismus und die damit verbundene innere
       Leere ihrer Helden. Manche finden gerade das oft irritierend an ihren
       Filmen: ihren ausgeprägten Sinn für exquisite Langeweile.
       
       ## Immer neue Kleider und Langeweile
       
       Priscilla in immer neuen Kleidern und Frisuren – von Elvis bevormundet und
       ungerecht kritisiert – wandelt wie isoliert durch ihr eigenes, so üppig
       ausgestattetes Leben. Ihre kleine Gestalt verliert sich auf dem luxuriösen
       Riesensofa, wo sie einsam auf einen Mann wartet, der ständig woanders ist.
       Oder der, wenn er da ist, von einer Entourage ihm beipflichtender
       Jungmänner abgeschirmt wird.
       
       Dass sie am Ende das Warten aufgibt, ist kein Akt der Rebellion, sondern
       lediglich ein Stück Erwachsenwerden. Dolly Partons „I Will Always Love You“
       – eine der vielen kreativen Musiklösungen, die Coppola finden musste,
       nachdem sie für Orignal-Elvis-Songs keine Lizenz bekam – richtet sich als
       Versprechen an Elvis, aber genauso an Priscillas eigenes, träumendes,
       jüngeres Ich.
       
       23 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Schweizerhof
       
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