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       # taz.de -- Kriegsziele in Gaza: Keine Waffenruhe in Sicht
       
       > Während die Bevölkerung Gazas von einer Hungersnot bedroht ist, erreicht
       > Israel seine Kriegsziele nicht.
       
   IMG Bild: Zerstörung nach einem israelischen Luftangriff im Nasser-Krankenhaus in Chan Junis im Gazastreifen
       
       Für kurze Zeit liefen die Verhandlungen über einen Geiselaustausch wieder,
       doch am Donnerstag sind sie krachend gescheitert. Hamas lehnte einen
       Vorschlag Israels über eine Feuerpause und einen Austausch von Geiseln und
       palästinensischen Gefangenen ab. Es werde keine weiteren Verhandlungen vor
       einem vollständigen Waffenstillstand und einem Rückzug des [1][israelischen
       Militärs] aus dem Gazastreifen geben.
       
       Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte auf diese
       Forderungen eindeutig: „Wir kämpfen bis zum Sieg. Wir werden den Krieg
       nicht beenden, bevor wir nicht alle Ziele erreicht haben – die vollständige
       Zerstörung der Hamas und die Freilassung aller unserer Geiseln.“
       
       Israels Vorschlag hatte eine einwöchige Feuerpause vorgesehen, wenn Hamas
       einige Dutzend Geiseln freilassen würde. Im Gegenzug hätte Israel
       palästinensische Gefangene freigelassen, unter ihnen auch solche, die wegen
       schwerwiegender Angriffe auf Israelis verurteilt wurden.
       
       Für die Familienangehörigen der Geiseln ist das Scheitern der Verhandlungen
       ein schwerer Schlag. Israel scheint nun vor der Wahl zu stehen, entweder
       einem Waffenstillstand zuzustimmen, ohne die Kriegsziele erreicht zu haben,
       oder den Krieg weiterzuführen und die Befreiung der Geiseln als zweitrangig
       zu behandeln.
       
       ## 2 Liter Wasser pro Tag und Kind
       
       Derweil sehen immer mehr Israelis, dass Hamas zwar bedeutend geschwächt
       werden kann, jedoch wohl nicht militärisch komplett zerstört. International
       steigt der Druck auf Israel, einem Waffenstillstand zuzustimmen. Die USA
       legen nahe, dass der Krieg im Januar in eine weniger intensive Phase
       übergehen könnte, in der das Militär seine Angriffe lokal und auf bestimmte
       Hamas-Kämpfer und -Führer begrenzt.
       
       Der Sicherheitsrat hatte um den Text einer Resolution gerungen, der auch
       die USA zustimmen könnten. Doch die Abstimmung wurde am Freitag nochmals
       vertagt. Allerdings wurde der Text der Resolution bereits dahingehend
       abgeschwächt, dass kein Waffenstillstand gefordert wird, sondern lediglich
       auf ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe im Gazastreifen gedrängt
       wird.
       
       Und die ist bitter nötig. Die Vereinten Nationen warnten, dass die gesamte
       Bevölkerung des Gazastreifens unmittelbar von einer Hungersnot bedroht sei.
       Laut UN-Kinderhilfswerk stünden Kindern im südlichen Gazastreifen derzeit
       im Schnitt ein bis zwei Liter Wasser zur Verfügung – zum Trinken, Kochen
       und Waschen.
       
       Israel ist derweil von der Erreichung des Kriegsziels – die Hamas zu
       zerschlagen – weit entfernt. Jeden Tag sterben nicht nur viele
       Palästinenser*innen in Gaza, sondern werden auch israelische
       Soldat*innen getötet. Als Erfolg für das israelische Militär gilt jedoch
       die Entdeckung eines großen Tunnelnetzes unterhalb von Gaza-Stadt. Das
       Militär geht davon aus, dass sich die ranghöchsten Hamas-Funktionäre in
       diesem Tunnelnetz versteckten, als die Gruppe am 7. Oktober ihren Angriff
       auf den Süden Israels startete. Am Donnerstag ließ das Militär einen Teil
       des Netzwerks sprengen.
       
       ## Angriffe auch im Norden und am Roten Meer
       
       Das unterirdische Netzwerk war mit den Wohnungen und Büros von
       Hamas-Führern verbunden, darunter Mohammed Deif, dem Anführer des
       militärischen Flügels der Terrorgruppe, und Yahya Sinwar, dem obersten
       Hamas-Funktionär in Gaza. Zuvor hatte die Armee einen vier Kilometer langen
       Tunnel entdeckt, der bis zum israelischen Grenzübergang Erez reichte und
       breit genug ist, dass ein Auto darin fahren kann. Ein von der Armee
       gefundenes Video zeigt den Bruder Yahya Sinwars bei der Fahrt durch den
       Tunnel.
       
       Währenddessen heizt sich die Lage an den anderen Fronten weiter auf. Auch
       am Freitag feuerte die vom Iran unterstützte libanesische Miliz Hisbollah
       Raketen auf den Norden Israels. Israelische Kampfjets griffen daraufhin
       eine Reihe von Zielen der Hisbollah an. Zuvor waren zwei israelische
       Zivilist*innen bei einem Panzerabwehrraketenangriff aus dem Libanon
       verwundet worden. Israel hatte immer wieder erklärt, dass es eigene
       Maßnahmen ergreifen werde, wenn es der internationalen Gemeinschaft nicht
       gelänge, die Hisbollah mit diplomatischen Mitteln von der Grenze
       fernzuhalten.
       
       Auch im Roten Meer gehen die Angriffe der Huthi-Rebellen weiter, die
       ebenfalls vom Iran unterstützt werden. [2][Die EU bereitet eine Beteiligung
       an der US-Initiative zur militärischen Sicherung der Handelsschifffahrt im
       Roten Meer vor.]
       
       23 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
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