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       # taz.de -- Taylor Swifts Erfolgsgeheimnis: Weiß und reich und hübsch und nett
       
       > 130 Millionen Menschen in den USA bezeichnen sich als Fans von Taylor
       > Swift. Sie ist progressiv, bodenständig und irgendwie nett. Kann das gut
       > gehen?
       
   IMG Bild: Ein friedlicher, femininer Hafen in einer krisengeschüttelten Welt: Taylor Swift, hier bei der „ErasTour“ in Chicago am 02.06.2023
       
       Falls wir Zweifel hätten, schrieb das Time Magazine neulich nur ein
       bisschen schnippisch in der Lobpreisung seiner frisch gewählten „[1][Person
       of the Year“, Taylor Swift,] sollten wir uns gefälligst einmal Folgendes
       überlegen: Wie oft haben wir in diesem Jahr über Taylor gesprochen? Wie oft
       ein Foto von ihr auf dem Handy gesehen? Wie oft haben wir über einen
       Instagram-Post von ihr gelacht oder auf eine Überschrift mit ihrem Namen
       geklickt? Oder beim Warten in der Kassenschlange „Cruel Summer“ gesummt?
       
       Nun ja. Wir hier vielleicht gerade nicht so … aber andere schon. Zum
       Beispiel mehr als die Hälfte aller US-Amerikanerinnen – über 130 Millionen
       Menschen dort bezeichnen sich nach einer aktuellen Studie als Taylor-Fans.
       
       ## Millionen Fliegen können sich nicht irren!
       
       Natürlich erinnert das Quantitätsargument ein bisschen an den Titel des
       1959 erschienenen Elvis-Presley-Compilation-Albums „50,000,000 Elvis Fans
       Can’t Be Wrong“, ebenso wie an das (von einigen Menschen ausgerechnet dem
       deterministischen Gänseforscher und Nationalsozialisten Konrad Lorenz
       zugeschriebene) Zitat: „Fresst Scheiße! Millionen Fliegen können sich nicht
       irren!“ Aber beeindruckend sind die Zahlen schon. Was verbindet diese
       vielen, vielen Swifties?
       
       Und es will kein Ende nehmen: Mittlerweile gibt es eine eigens vom
       Mega-Medienkonzern Gannett ausgeschriebene Stelle als exklusive
       Taylor-Swift-Reporter:in, die bereits besetzt wurde, Universitäten bieten
       Taylor-Kurse an, Taylor-Fans übernachten tagelang in Zelten vor den
       Stadien, als wären sie Grateful-Dead-Fans und hätten sonst nichts zu tun,
       und Taylors Dokumentarfilm über „The Eras Tour“ hat dem Konzertfilm an sich
       ein Make-Over verpasst, von dem so mancher Blockbuster träumt.
       
       ## Sie taugt prima als Aushängeschild
       
       Dazu ist Taylor jung, schlank, normativ schön, kann singen, Stücke
       schreiben, Gitarre spielen und erfolgreich Urheberrechte erkämpfen,
       unterstützt die Pro-Choice-Bewegung und macht sich für die LGBTQ+-Community
       stark, versteckt mit Eifer Easter Eggs, sieht gut aus im Glitzerbody, und
       wenn man sie fragt, was sie am liebsten zu sich nimmt, dann sagt sie
       Normalo-Dinge wie „Kaffee“, „Wodka-Diet Coke“, und „Hähnchen – wenn
       Kalorien nicht zählen würden, hihi“.
       
       Und sie ist selfmade reich. Insofern taugt sie prima als Aushängeschild
       einer Gesellschaft, die sowohl auf der Suche nach massentauglichen
       Aushängeschildern als auch nach gesunden Kollektiverfahrungen ist: Taylor
       scheint der kleinste gemeinsame Nenner zu sein. Vielleicht ist sie die
       Antwort auf die im Westen soziologisch schon lange geschärfte Forderung
       nach unbedingter Individualität – und der Beweis dafür, dass zu viel
       Individualität uns Herdentieren gar nicht so gut gefällt.
       
       ## „Nett“ bedeutet: „Kein Stress“
       
       Vielleicht ist sie ein friedlicher, auf eine nicht beängstigende Art
       femininer Hafen in einer krisengeschüttelten Welt. Vielleicht berühren ihre
       Songs so viele Menschen, weil so viele Menschen Liebeskummer kennen.
       Vielleicht merkt man dem Megastar von nebenan gar nicht an, dass einem
       keine Person, sondern ein Konzern gegenübersitzt. Vielleicht ist sie auch
       wirklich einfach nur weiß und reich und hübsch und nett. Denn „nett“ ist
       zwar einerseits der beiläufigste Begriff der Welt. Aber andererseits
       bedeutet er „kein Stress“.
       
       Jedenfalls wird es interessant und bestimmt auch traurig sein, zu
       beobachten, ob, wann und wie sich das leidenschaftliche Verhältnis vor
       allem der US-amerikanischen Swifties doch noch ändert. Wie sagte Billy
       Crudup als Chef des imaginären Networks „UBA“ in der großartigen, vor
       weißen, reichen, erfolgreichen Blondinen wimmelnden und auch genau das
       vorbildlich thematisierenden und problematisierenden Mediensatire „The
       Morning Show“? „Dem Zusammenbruch einer geliebten Frau zuzuschauen, ist
       zeitlose amerikanische Unterhaltung.“ Aber das ist vielleicht auch nur so
       ein bitterer Männerspruch.
       
       25 Dec 2023
       
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   DIR Jenni Zylka
       
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