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       # taz.de -- Essen ästhetisch präsentieren: Balsamico-Spritzer sind Firlefanz
       
       > Mahlzeiten anzurichten, ist eine Disziplin für sich. Restaurantlogos aus
       > Kakaopulver und Erbsensprossen auf dem Steak gehen unserem Autor zu weit.
       
   IMG Bild: Zitronenscheiben und ein paar Balsamico Spritzer – fertig ist die Deko?
       
       Eine der großen Fragen des Kochens wird nur selten thematisiert. Und ist
       doch vor allem an Festtagen wie [1][Silvester] virulent. Sie lautet: Wie
       präsentiert man sein Essen? Nehmen Sie ein beliebiges Kochbuch. Die Teller
       sind wunderbar und genau arrangiert, kein Spritzer Soße ist danebengegangen
       und irgendein Gemüsechip hat sich auch noch gefunden, der neckisch am Rand
       liegt. Doch wie man die Teller so hinbekommt, dafür verschwenden die
       Autor:innen höchstens eineinhalb Sätze. Und der Gemüsechip taucht im
       Rezept gar nicht erst auf.
       
       Eine Mahlzeit anzurichten und zu präsentieren, ist eine eigene Disziplin.
       Man merkt das spätestens, wenn man einer Festgesellschaft drei Dutzend
       Teller mit geschmorter Ochsenbacke und Steckrübengratin so gleichzeitig wie
       möglich auftischen möchte. Es empfiehlt sich, vorher zumindest darüber
       nachgedacht zu haben, wie viel Soße auf das Fleisch kommen soll. Und das
       Geschirr knallheiß vorzuwärmen. Sonst kann man bei den letzten Tellern sein
       kaltes, sehr soßenfreies Wunder erleben.
       
       Ich war nie ein Freund davon, Essen anzurichten. Vor allem Deko auf dem
       Teller widerstrebt mir. Es gibt immer noch Köche, die glauben, ein paar
       Striche dickflüssige Balsamicoessig-Créme würden irgendetwas auf dem Teller
       besser machen. In letzter Zeit ist dieser Firlefanz um Stempel und
       Schablonen erweitert worden. Das Restaurantlogo mit Kakaopulver neben die
       Panna Cotta hingestreut, halte ich für kontraproduktive Markenarbeit. Auch
       die große Auswahl von Sprossen, die es inzwischen zu kaufen gibt, wird
       missbraucht. Klar, so kann man jedem Teller einen grünen, leicht
       vegetarischen Anstrich geben. Aber ein Haufen Erbsensprossen auf einem
       Steak oder gebratener Blutwurst, wie ich es neulich vorgesetzt bekam, das
       ist schlimmstes, kulinarisches [2][Greenwashing].
       
       Aber Essen gar nicht anzurichten, geht auch nicht. Wir servieren bei uns im
       Restaurant in Schüsseln und auf Platten, die Gäste füllen sich die Teller
       selbst. Ich bin lange davon ausgegangen, dass sich solche Gefäße quasi von
       selbst anrichten – bis ich sah, wie die Küchenhilfe den Brotkorb
       arrangierte und dem Kartoffelpüree Spitzen verpasste. Das ist absolut nicht
       mein Stil.
       
       Seitdem bin ich dabei, meine Ästhetik des Tellers zu definieren. Es ist ein
       Prozess, deshalb an dieser Stelle nur ein Tipp, der eine ganze Reihe von
       Problemen schon im Vorfeld beseitigen kann – so wie mir das kürzlich in
       einem Restaurant passiert ist. Dort war es im nur von Kerzen erleuchteten
       Gastraum so schummrig, dass man kaum erkannte, was auf den Tellern lag oder
       wie. Sparen Sie also im Notfall an Licht. Man nennt das auch
       Candlelight-Dinner.
       
       31 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Jörn Kabisch
       
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