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       # taz.de -- Kriegsgefahr am Horn von Afrika: Streit um Somaliland
       
       > Die Regionalmacht Äthiopien erschließt sich Zugang zum Meer – über einen
       > historischen Deal mit Somaliland. Das Nachbarland Somalia ist erzürnt.
       
   IMG Bild: Der für Fischer reservierte Teil des Hafens von Berbera sieht beschaulich aus. Am Horizont erahnt man die globale Handelszukunft
       
       Berlin taz | Am Horn von Afrika droht Krieg, nachdem Äthiopien an Somalia
       vorbei ein Abkommen mit dem abtrünnigen Somaliland geschlossen hat, das auf
       eine Anerkennung von dessen Unabhängigkeit hinausläuft. [1][Somalias
       Regierung sprach] am Dienstag von einem „völkerrechtswidrigen“ Schritt der
       „nackten Aggression“, rief ihren Botschafter aus Äthiopien zurück und
       beantragte eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats. Premierminister Hamsa
       Barre sagte, Somalia werde „jeden Quadratzentimeter“ verteidigen.
       
       Somaliland existiert als eigener Staat seit 1991, als Rebellen in Somalias
       Hauptstadt Mogadischu Militärdiktator Siad Barre stürzten und im Norden des
       Landes die „[2][Republik Somaliland]“ ausriefen, später durch ein
       Referendum bestätigt.
       
       Sie stellten damit das unabhängige Somaliland wieder her, das am 25. Juni
       1960 entstanden war, als Großbritannien sein Somaliland-Protektorat
       gegenüber des Jemens in die Unabhängigkeit entließ. Als am 1. Juli 1960
       auch das italienische Mandatsgebiet Somalia unabhängig wurde, vereinigten
       sich die beiden Staaten zur Republik Somalia.
       
       Inzwischen ist Somaliland länger wieder ein eigener Staat, als es je Teil
       Somalias war. Es ist politisch vergleichsweise stabil, während Somalia
       Bürgerkriegsland geblieben ist. Da die Afrikanische Union (AU) es aber
       nicht anerkennt, tut das auch sonst kein Land der Welt – [3][mit Ausnahme
       Taiwans], das sich in einer ähnlichen Situation befindet. Faktisch pflegen
       internationale Organisationen jedoch längst eigene Beziehungen zu
       Somalilands Regierung.
       
       Im Jahr 2016 verpachtete Somliland den Hafen [4][Berbera, einen der größten
       natürlichen Häfen Afrikas], an den mehrheitlich staatlichen Hafenlogistiker
       DP World aus Dubai, um den Hafen an der immer wichtigeren Handelsroute von
       Asien nach Europa auszubauen. Äthiopien stieg mit 19 Prozent ein. Nun legt
       Somaliland nach, indem Äthiopien seinen Anteil in Berbera auf 30 Prozent
       aufstockt – und zusätzlich eine Militärpräsenz erhält.
       
       ## „Zum beiderseitigen Vorteil“
       
       Der Wortlaut des Memorandums zwischen Äthiopien und Somaliland ist
       unveröffentlicht, aber [5][die äthiopische Zeitung Addis Standard zitiert]
       Somalilands Präsident Muse Bihi Abdi: „Mit immensem Stolz verkünde ich
       heute das Abkommen zum beiderseitigen Vorteil zwischen Somaliland und
       Äthiopien. Im Gegenzug zu 20 Kilometer Meereszugang für die äthiopischen
       Marinestreitkräfte, für die Dauer von 50 Jahren verpachtet, wird Äthiopien
       die Republik Somaliland förmlich anerkennen.“
       
       Äthiopiens nationaler Sicherheitsberater Redwan Hussein ergänzte,
       Somaliland erhalte einen Anteil an Ethiopian Airlines, der größten
       Fluglinie Afrikas.
       
       Beobachter werten die Vereinbarung als Dammbruch: Nun könnten auch andere
       afrikanische Länder Somaliland anerkennen. Äthiopien verfolgt aber vor
       allem eigene Interessen. Seit Eritrea 1993 unabhängig wurde, hat Äthiopien
       keinen Meereszugang mehr; ein Großteil seines Handels läuft über den
       Küstenstaat Dschibuti. Eritrea verweigert sich beharrlich äthiopischen
       Ansinnen, wieder Fuß an der Küste zu fassen.
       
       Nun hat Äthiopien stattdessen Somaliland gewonnen. Das hängt auch mit dem
       neuen Nahostkrieg zusammen, in dem Jemens Huthi-Rebellen das Rote Meer und
       die Meerenge bei Dschibuti unsicher machen. Seit einigen Monaten leitet
       Äthiopien Frachtverkehr aus Dschibuti nach Berbera um, von wo aus Schiffe
       gefahrloser Richtung Asien aufbrechen können. [6][Handelsstatistiken
       zufolge] hat sich das Exportfrachtvolumen aus Berbera seit Oktober mehr als
       vervierfacht, während es in Dschibuti zwar immer noch höher ist, aber nur
       noch ein Viertel des Vorkriegsniveaus beträgt.
       
       ## Somalia hat wenig Möglichkeiten
       
       Militärisch kann Somalia dem Somaliland-Deal wenig entgegensetzen. Die
       Regierung ist gegen islamistische Rebellen auf afrikanische Eingreiftruppen
       angewiesen, unter anderem aus Äthiopien.
       
       Schwerer wiegt, dass der UN-Sicherheitsrat am 1. Dezember 2023 das 1992
       verhängte Waffenembargo gegen Somalia aufhob, womit die Regierung freie
       Hand bei der Aufrüstung erhält. Ihr engster militärischer Partner ist die
       Türkei, die bei Mogadischu ihre größte ausländische Militärbasis unterhält
       und Somalias Spezialkräfte ausbildet.
       
       Nun erwägt Berichten zufolge auch Ägypten, Militärausbildung in Somalia
       anzubieten. Mit Ägypten in Mogadischu und Äthiopien in Berbera würden zwei
       Großmächte, die im Streit um die Nutzung des Nils miteinander auf Kriegsfuß
       stehen, in Somalia und Somaliland aufeinanderprallen.
       
       2 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.garoweonline.com/en/news/somalia/somalia-recalls-ambassador-to-ethiopia-terms-addis-ababa-actions-illegal
   DIR [2] https://somalilandgov.com/country-profile/
   DIR [3] /Diplomatische-Beziehungen/!5707557
   DIR [4] /Internationaler-Handel-mit-Ostafrika/!5903993
   DIR [5] https://addisstandard.com/breaking-somaliland-formally-acknowledges-giving-ethiopia-sea-access-for-naval-forces-in-exchange-for-recognition/
   DIR [6] https://twitter.com/GuledWiliq/status/1740111676819808709
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Dominic Johnson
       
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