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       # taz.de -- Hochhausbau in Berlin: Besser nicht zu hoch hinaus
       
       > An der Jannowitzbrücke plant ein Investor ein neues Hochhaus. Mittes
       > Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD) fordert Mischnutzung nach dem
       > „Hochhausleitbild“.
       
   IMG Bild: So lieber nicht: „Dunkel, scharfkantig und plump“ findet Mittes Baustadtrat den Amazon-Tower (im Bild links hinten)
       
       Berlin taz | Anlässlich einer Hochhausplanung an der Jannowitzbrücke mahnt
       der Baustadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD), mehr Transparenz bei der
       Vorbereitung von Hochhausprojekten an. Er spricht sich dabei klar gegen
       „Wolkenkratzer“ in Berlin aus. Es komme jetzt darauf an, das Berliner
       Hochhausleitbild aus dem Jahr 2020 „ernsthaft“ anzuwenden, sagte Gothe bei
       einem Informationsgespräch am Mittwoch.
       
       Der konkrete Fall, auf den sich der Stadtrat bezog, ist ein trapezförmiges
       Grundstück an der Ecke von Alexanderstraße und Stralauer Straße,
       [1][südlich des Alexa-Shoppingcenters] und vis-à-vis dem S-Bahnhof
       Jannowitzbrücke. Hier gab es eigentlich seit 2021 eine Baugenehmigung für
       ein 68 Meter hohes Hotel des Investors CESA Group. Der ließ das Projekt
       allerdings fallen, und das Grundstück ging an die HB Reavis, ein
       Unternehmen, das laut eigener Website einen „WellBeing-Ansatz für die
       Immobilienentwicklung“ verfolgt, um „Menschen glücklich“ zu machen.
       
       Nüchtern betrachtet geht es natürlich auch HB Reavis ums Geldverdienen. Das
       soll nun durch Vermietung von Büroflächen in einem Turm geschehen: nach den
       ersten vom Investor eingeholten Vorschlägen würde der bis zu 200 Meter hoch
       ausfallen. Das Baurecht muss aber neu hergestellt werden, und Stadtrat
       Gothe hat sich nach einer Planungswerkstatt im Juni sowie Vorstellungen des
       Projekts im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses und im
       Bezirksamt auf 110 bis 115 Meter festgelegt.
       
       Die eingeforderte Transparenz soll nun mit einer ersten „stadtöffentlichen“
       Veranstaltung kurz nach der Bundestags-Nachwahl am 11. Februar Gestalt
       annehmen. „Hochhäuser gehen alle an“, sagt der SPD-Mann. Darauf folge eine
       weitere Planungswerkstatt vor den Osterferien. Die Erteilung einer
       Baugenehmigung sieht er „vielleicht Ende 2026“.
       
       ## Öffentlicher Zugang muss sein
       
       Wichtig ist Gothe, dass das Berliner Hochhausleitbild – entworfen in der
       Senatsverwaltung für Stadtentwicklung noch unter linker Ägide – zur
       Anwendung kommt: Es wäre das erste Mal in Mitte. Für das abgesagte
       Vorgängerprojekt galt es noch nicht. Insbesondere geht es dabei darum, die
       Gebäudenutzung zu diversifizieren und den öffentlichen Zugang für bestimmte
       Flächen zu gewährleisten.
       
       Das Leitbild sieht Folgendes vor: Bei Bürohochhäusern, die mehr als 60
       Metern hoch sind, sollen 30 Prozent der Geschossfläche für „Wohnen,
       kulturelle Einrichtungen, soziale Infrastruktur, Bildungseinrichtungen,
       sonstige nicht gewerbliche oder nicht kommerzielle Nutzungen“ zur Verfügung
       stehen. Das soll „lebendige, urbane Nachbarschaften durch Schaffung einer
       dem Standort angemessenen funktionalen Mischung“ garantieren.
       
       Von (Eigentums-)Wohnungen in zentral gelegenen Hochhäusern hält Ephraim
       Gothe wenig: Die würden oft von Superreichen als Statusobjekte gekauft und
       stünden die meiste Zeit leer. In der ersten Planungswerkstatt wurde
       stattdessen die Idee entwickelt, fast 2.000 Quadratmeter als „Flexi-Büro
       für Communities/Vereine mit vergünstigter Miete“, fast ebenso viel Fläche
       für Gesundheitsservices sowie Bereiche für Kultur und Gastronomie
       auszuweisen. Dabei handelt es sich bislang freilich nur um einen ersten
       Entwurf.
       
       Ein öffentlich zugängliches oberstes Geschoss, wie im Hochhausleitbild
       vorgesehen, soll es nach dem Willen des Baustadtrats an der Jannowitzbrücke
       nicht geben. Die Alternative: eine öffentlich – und kostenlos –
       zugängliche, begrünte Dachterrasse auf dem fünfgeschossigen Sockelgebäude,
       über dem sich ein „schlanker“ Turm erheben soll. Diese Terrasse in 25
       Metern über Straßenniveau habe einen höheren Mehrwert für die Allgemeinheit
       als etwa ein Restaurant in der Turmspitze, so Gothe – die Terrasse hätte im
       Übrigen auch die Unterstützung der Linken in der BVV gefunden.
       
       Zuletzt hatte es in Sachen Hochhäuser mehrere Vorstöße gegeben: Der
       Eigentümer des Europacenters am Breitscheidplatz, Christian Pepper,
       verkündete seine Idee eines 300-Meter-Turms direkt neben dem alten
       Hochhaus. Und [2][CDU-Fraktionschef Dirk Stettner fand], Berlin solle „an
       einigen Stellen eine deutlich höhere Skyline mit prägenden Wolkenkratzern
       haben“. Aus Ephraim Gothes Sicht geht das in die Irre. Und auch von einigen
       der jüngsten Projekte hält er wenig: Den Amazon-Tower an der Warschauer
       Brücke etwa bezeichnete er am Mittwoch als „dunkel, scharfkantig und
       plump“.
       
       3 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Investitionsruine-am-Alexanderplatz/!5981767
   DIR [2] /Die-Berliner-CDU-hat-eine-neue-Idee/!5970240
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Claudius Prößer
       
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