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       # taz.de -- Vor dem EU-Gipfel: Sorge vor Austeritätspolitik
       
       > In Brüssel gehen Gewerkschafter aus verschiedenen Ländern gemeinsam auf
       > die Straße. Sie protestieren gegen die geplanten neuen EU-Schuldenregeln.
       
   IMG Bild: Protest gegen eine Rückkehr zur Austeritätspolitik am 12. Dezember in Brüssel
       
       Brüssel taz | Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) warnt vor einer
       [1][Rückkehr zur Austeritätspolitik]. Die geplanten neuen EU-Schuldenregeln
       liefen auf massive Sozialkürzungen hinaus, hieß es am Dienstag bei einer
       Großdemonstration im Brüsseler Europaviertel. Nach Angaben des EGB nahmen
       rund 15.000 Gewerkschafter aus mehreren EU-Ländern an der Veranstaltung
       teil.
       
       „Wiederholt nicht die Fehler der Vergangenheit“, forderten die
       Demonstranten, die vor allem aus Belgien, Frankreich und Italien kamen. Die
       Pläne, die auch beim [2][EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag] in Brüssel
       erörtert werden sollen, liefen auf einen Kahlschlag hinaus, das
       versprochene „soziale Europa“ bliebe auf der Strecke.
       
       „Die Zukunft der EU steht auf dem Spiel“, sagte EGB-Generalsekretärin
       Esther Lynch. Es gehe um die Frage, ob es in Europa künftig überhaupt noch
       genug Geld für [3][Investitionen in neue Jobs und die grüne Transformation]
       geben werde. „Wir brauchen ein radikales Umdenken und keine von der EU
       beglaubigte Austerität“, so Lynch.
       
       Anlass für die Befürchtungen sind die fieberhaften Beratungen der
       EU-Finanzminister. Sie wollen sich noch vor Jahresende auf eine Reform des
       seit 2020 ausgesetzten Stabilitäts- und Wachstumspaktes einigen. Vor allem
       der deutsche Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) fordert einen
       harten und verbindlichen Sparkurs, um die Staatsschulden abzubauen.
       
       ## Hauptfeind Lindner
       
       Beim letzten Treffen in Brüssel sei man sich in den allermeisten Punkten
       einig geworden, sagte Lindner. Es fehlten aber noch die richtigen
       numerischen Vorgaben zum Abbau von Schulden, wenn die Obergrenzen
       überschritten seien. Die EU-Kommission hatte gemeinsame Ziele, aber
       individuelle „Pfade“ zum Schuldenabbau vorgeschlagen.
       
       Das Europaparlament fordert härtere Sparmaßnahmen. Der Wirtschafts- und
       Währungsausschuss sprach sich am Montagabend für verbindliche Vorgaben aus.
       So sollen die EU-Staaten verpflichtet werden, ihre Schulden jedes Jahr um
       0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung abzubauen, wenn sie die Vorgaben aus
       dem Stabilitätspakt verfehlen.
       
       Der EGB warnt vor einem solchen Vorgehen. Die bisherigen Pläne liefen auf
       Kürzungen in Höhe von 45 Milliarden Euro allein im kommenden Jahr hinaus,
       so der Gewerkschaftsbund. Besonders hart wären nach Berechnungen der
       EGB-Experten Frankreich, Spanien und Italien betroffen. In all diesen
       Ländern [4][fehlten aber längst Lehrer und Krankenschwestern].
       
       ## Problem Schuldenbremse
       
       Kritisch äußerte sich auch der grüne Europaabgeordnete Rasmus Andresen, der
       die deutsche Gruppe im EU-Parlament leitet. „So werden die Schulden nicht
       sinken, sondern wachsen“, sagte er zur Empfehlung des Ausschusses, der sich
       die Grünen nicht angeschlossen haben.
       
       „Wieder wird der Fehler gemacht, Schuldenstände senken zu wollen, anstatt
       Europas Finanzen wirklich nachhaltig und zukunftsfähig zu machen“, so
       Andresen. Ähnlich wie bei der [5][deutschen Schuldenbremse] bestehe auch
       bei den EU-Schuldenregeln „ein Zielkonflikt zwischen aggressiver
       Schuldenreduktion und notwendigen Ausgaben für eine zukunftsfähige
       Wirtschaft“.
       
       12 Dec 2023
       
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