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       # taz.de -- Lehrermangel an Schulen: Elternprotest gegen Unterrichtsausfall
       
       > An der Eduard-Möricke-Grundschule in Berlin-Neukölln protestieren am
       > Freitag Eltern und Kinder gemeinsam für bessere Lernbedingungen.
       
   IMG Bild: Knapp 50 Menschen haben sich am Freitagmorgen vor der Grundschule zum Protest versammelt
       
       Berlin taz | Vor dem Eingang der Eduard-Möricke-Grundschule in
       Berlin-Neukölln herrscht am Freitagmorgen großer Aufruhr. Eltern und ihre
       Kinder haben sich hier versammelt, ausgestattet mit Plakaten und Bannern,
       heißen Getränken und einem Mikrofon. Die Elterngemeinschaft der Schule
       hatte zum Protest aufgerufen. Munter trotzen sie der Kälte und skandieren
       gemeinsam in Sprechchören immer wieder „Hoch die Hände, Bildungswende“.
       Auch einige Lehrer:innen sind vor Ort, sie begrüßen das Engagement.
       
       Von der Politik fühlen sich die Demonstrierenden im Stich gelassen.
       Regelmäßig falle der Unterricht aus, [1][es gebe zu wenig Lehrer:innen],
       und die, die da sind, seien überlastet, berichten viele der Eltern der taz.
       Immer wieder würden sie Briefe bekommen, dass sie ihre Kinder doch bitte zu
       Hause lassen sollen. Die Sorge um die wachsenden Bildungsdefizite ihrer
       Kinder ist groß.
       
       Die Anwesenden betonen, dass sich ihr Protest weder gegen die Schule noch
       ihre Lehrkräfte richtet. Im Gegenteil, sie solidarisieren sich mit ihnen,
       zeigen Verständnis und heben das Engagement der Schule hervor. Doch nicht
       wenige Lehrkräfte stünden mittlerweile am Rande des Burn-out. Durch die
       aktuellen Krankheitswellen verschärfe sich die Situation zunehmend.
       
       Darunter leide auch das soziale Miteinander innerhalb der Klassen. Durch
       den regelmäßigen Unterrichtsausfall fehle den Kindern der regelmäßige
       Rhythmus, was auf Kosten der Motivation und Freude am Lernen gehe. Auch die
       Ganztagsbetreuung sei mittlerweile aufgehoben worden. Eine Mutter
       berichtet, dass ihre 6-jährige Tochter zwar gerne richtig lesen und
       schreiben lernen würde, aber wenig Lust hätte, in die Schule zu gehen.
       
       Sie und die anderen Kinder spürten die Überlastung der Lehrenden. „Wir sind
       vom harten Kern. Wir geben nicht auf“, versucht eine Lehrerin der
       Grundschule aufmunternde Worte zu finden. Obwohl sie, wie sie berichtet,
       sich großer Belastung ausgesetzt fühlt.
       
       ## Einst galt die Schule als Vorbild
       
       Nicht selten müssten die Erstklässler:innen bei Vertretung gemeinsam
       mit den älteren Jahrgängen zusammen unterrichtet werden, berichten die
       Eltern. Die Willkommensklassen treffe es noch härter, erzählt eine
       Lehrerin. Wird eine Lehrkraft als Vertretung abberufen, müssten die
       Schüler:innen alleine bleiben und würden nicht gefördert. Dabei
       benötigen insbesondere diese Kinder geschulte Betreuung, kaum eines von
       ihnen spricht deutsch. Eigentlich wäre es die Aufgabe der
       Willkommensklassen, den Kindern zu helfen, sich hier zurecht zu finden.
       Lange Zeit war man dabei sogar Vorbild für andere Schulen gewesen.
       
       Dass die Situation an der Schule einst gänzlich anders ausgesehen hatte,
       bestätigt auch die ehemalige Schülerin Helin. Die 17-jährige beteiligt sich
       am Protest, da auch bei ihrer neuen Schule die ersten Stunden ausgefallen
       sind. Unterrichtsausfall und Personalnot gehören nicht nur an der
       Eduard-Möricke-Grundschule, sondern [2][an vielen Berliner Schulen zum
       Alltag.]
       
       Die Protestierenden fordern in einer [3][Petition] unter anderem eine
       gerechtere Verteilung der Lehrkräfte, gezielte Förderung der
       Ausbildungskapazitäten von Lehramtsstudiums und deutlich mehr
       Sozialarbeiter:innen an Schulen. Dazu hat sich die
       Elterngemeinschaft dem Bündnis „Schule muss anders“ angeschlossen.
       
       ## Der Protest geht weiter
       
       Bei dem Protest am Freitagmorgen sind neben Eltern und
       Grundschüler:innen auch zwei Bezirkspolitiker:innen dabei.
       Philipp Dehne von der Linksfraktion und Marina Reichenbach von der
       SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Neukölln
       befürworten den Protest und haben die Organisator:innen eingeladen,
       um ihr Anliegen persönlich vor dem Neuköllner Bezirksausschuss für Bildung,
       Schule und Kultur vortragen zu können.
       
       Doch die Möglichkeiten des Bezirkes sind begrenzt, sagen sie. Vor allem
       könne man für mehr Öffentlichkeit sorgen und die Anliegen an
       Parteimitglieder im Land weiterleiten, erklärt Marina Reichenbach.
       Ansonsten könne der Bezirk lediglich über bauliche Maßnahmen entscheiden.
       
       Der Protest vom Freitag sei nur der Auftakt, versichert Mitorganisatorin
       Katharina Mahrt der taz. Man wolle aktiv den Kontakt zu den Eltern
       benachbarter Schulen suchen. Auch mit Schulen aus Marzahn seien sie bereits
       im regen Austausch. „Wir bereiten uns für einen größeren Protest vor“,
       erklärt Mahrt. Schließlich gehe es um die Zukunft der nachfolgenden
       Generationen.
       
       15 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Lehrerinnenmangel-in-Berlin/!5961221
   DIR [2] /Lehrkraeftemangel-in-Deutschland/!5877578
   DIR [3] https://www.change.org/p/unterrichtsausfall-beenden-offener-brief-eduard-m%C3%B6rike-schule-berlin-neuk%C3%B6lln
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Luise Bartsch
       
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