# taz.de -- EU-Beitritt von Ukraine und Moldau: Scholz muss liefern
> Europas Staats- und Regierungschefs müssen zur EU-Erweiterung viele
> offenen Fragen beantworten. Es geht nicht nur um die Zukunft der Ukraine.
IMG Bild: Ankunft von Olaf Scholz in Brüssel am 14.12.2023
Viktor Orbán hat sich verzockt. Auf [1][dem EU-Gipfel in Brüssel] hatte der
ungarische Regierungschef damit gedroht, die europäische Ukraine-Politik
mit einem Veto zu blockieren. Die geplanten EU-Beitrittsverhandlungen
wollte der notorische Neinsager ebenso stoppen wie eine 50 Milliarden Euro
schwere Finanzspritze, die Kyjiw vor dem drohenden Staatsbankrott retten
soll.
Doch nach achtstündigen fruchtlosen Verhandlungen musste Orbán einsehen,
dass er sein Blatt überreizt hat. Von Kanzler Olaf Scholz ließ er sich zu
einer Kaffeepause überreden. Kaum hatte er den Saal im Brüsseler
Ratsgebäude verlassen, einigten sich die verbliebenen 26 Staats- und
Regierungschefs auf grünes Licht für Beitrittsgespräche. [2][Orbán war weg,
der Konsens war da].
Der Trick ist legal, denn Abwesenheit gilt nach den EU-Regeln als
Enthaltung und nicht als Nein. Er hat den Weg für Beitrittsverhandlungen
mit der Ukraine und Moldau frei gemacht. Georgien wird zum EU-Kandidaten,
auch Bosnien und Herzegowina bekommt eine Chance. Das ist mehr, als selbst
Optimisten erwartet hatten. Die EU steuert eine große Erweiterung auf über
30 Mitglieder an.
## Bereit für einen Big Bang?
Doch in die Freude über die „historische“ Entscheidung mischt sich auch
Sorge über die Zukunft der Union. Denn die große Erweiterungsrunde ist
nicht gut vorbereitet. Umfragen zeigen, dass die Bürger der „alten“ EU dem
Beitritt der Ukraine skeptisch gegenüber stehen; auch Kanzler Olaf Scholz
wird noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Nicht einmal die EU selbst ist bereit, für einen neuen „Big Bang“, wie die
erste große Osterweiterung 2004 getauft wurde. Die nötigen Reformen wurden
verschlafen, sie müssen nun in aller Eile nachgeholt werden. Bisher gibt es
dafür aber nicht einmal einen Plan. Er soll erst 2024 nachgereicht werden.
Die EU lässt sich auf ein Abenteuer ein, für das sie selbst nicht gerüstet
ist.
Die größte Sorge gilt aber dem Krieg. Wie kann man mit einem Land über den
Beitritt verhandeln, das [3][um sein Überleben kämpfen muss]? Kann die
Ukraine der EU beitreten, wenn große Teile des Landes besetzt sind? Schon
jetzt hat die EU größte Mühe, Geld für neue Finanzspritzen für die Ukraine
aufzutreiben. Der Wiederaufbau wird noch teurer.
Orbán hatte vor dem EU-Gipfel eine Strategiedebatte angemahnt. Sein Ziel
war es, Entscheidungen zu verhindern. Damit ist er krachend gescheitert.
Das entbindet Scholz und die anderen Staats- und Regierungschefs aber nicht
von der Pflicht, ihre Pläne zu erläutern und die vielen offenen Fragen zu
beantworten. Es geht nicht nur um die Zukunft der Ukraine, sondern um ganz
Europa.
15 Dec 2023
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Eric Bonse
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