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       # taz.de -- Betrug auf dem Wohnungsmarkt: Smarte Abzocke
       
       > Mit einer neuen Masche kassieren Kriminelle Kaution, Miete und Abstand
       > für Wohnungen, die ihnen gar nicht gehören. Anzeigen verlaufen im Sand.
       
   IMG Bild: Manche Wohnungsangebote sehen verlockend aus, dahinter lauern aber Betrüger:innen
       
       Berlin taz | Wer in Berlin eine Wohnung sucht, weiß, [1][wie verzweifelt
       Menschen angesichts des Wohnungsmangels] sind. Damit steigt auch das
       Risiko, auf Betrugsmaschen oder Fake-Inserate reinzufallen. Einen besonders
       raffinierten Betrugsversuch hat Sven erlebt, der nicht mit seinem vollen
       Namen in der Zeitung stehen möchte. Sven ist Informatiker und wollte mit
       seiner Freundin zusammenziehen. 350 Wohnungen haben sie angeschrieben, zu
       30 Besichtigungen wurden sie eingeladen.
       
       Darunter war auch ein Angebot auf der Plattform Immoscout. „Das sah seriös
       aus“, sagt Sven. Auch die Webseite des angeblichen Vermieters, Bute
       Immobilien, sah professionell aus. „Wir kombinieren die digitale
       Immobilienverwaltung mit persönlicher Full-Service-Betreuung für eine
       zukunftsorientierte Immobilienverwaltung von morgen“, steht dort. Und:
       „Eine Hausverwaltung ist eine Sache des Vertrauens.“
       
       Sven und seine Freundin bekommen eine Einladung zu einem
       Besichtigungstermin. Ein Stefan Müller aus Hamburg, angeblicher Mitarbeiter
       von Bute Immobilien, ruft sie an. Er gibt ihnen die Adresse zu der Wohnung
       in Moabit, Altbau, vierter Stock. Der Wohnungsschlüssel ist in einer
       Schlüsselbox im Hinterhof, die genaue Lagebeschreibung kommt als PDF in
       fließendem Deutsch, mit Farbfotos und Grundriss der Wohnung. Dazu ein Link
       zu einer Terminbuchung. „Schaut euch auch [2][die Möbel] an, falls ihr die
       haben wollt“, sagt Stefan Müller noch.
       
       Maximal eine halbe Stunde lang dürfen sie sich die Wohnung anschauen, dann
       muss man den Schlüssel wieder zurückhängen und Platz machen für die
       nächsten Interessent*innen. Berliner Verhältnisse halt, denkt Sven. Allein
       betreten sie eine Zweizimmerwohnung, die bewohnt aussieht – was sie stutzig
       macht.
       
       ## Ausgeklügelte Masche
       
       Sven bekundet trotzdem Interesse und kurz darauf kommt per Mail tatsächlich
       die Zusage von Stefan Müller. Er schickt den beiden einen Mietvertrag und
       fordert die Kaution und die erste Monatsmiete im Voraus, insgesamt ein paar
       Tausend Euro. Auf einer Liste bietet er ihnen außerdem Möbel und
       Gegenstände aus der Wohnung zum Verkauf an. Dazu schickt er eine Kopie
       seines Personalausweises. „Er war extrem freundlich und professionell“,
       sagt Sven.
       
       Doch den beiden ist das Ganze trotzdem nicht geheuer. Es kommt ihnen
       komisch vor, niemanden persönlich zu treffen. In der Wohnung hatte Sven
       einen Zettel mit Namen, Adresse und der E-Mail von einem Tobias S.
       gefunden. Der wird von Bute Immobilien als Vormieter genannt und steht auch
       auf dem Klingelschild. Auf gut Glück schreibt er ihn an. Die Antwort kommt
       aus Thailand: Tobias S. schreibt, dass er zurzeit im Urlaub sei und einem
       Daniel per eBay Kleinanzeigen die Wohnung für zwei Monate untervermietet
       habe.
       
       Diese Betrugsmasche, das [3][„Scamming“], kennt auch die Polizei. Die
       Täter*innen nutzen häufig „einen zeitlich begrenzten Zugriff auf
       Wohnungen, inserieren diese als Mietwohnung über entsprechende Portale oder
       auch eigens zu diesem Zweck erstellte Webpräsenzen“, teilt die Polizei auf
       taz-Anfrage mit. Bei Überweisungen würden die Täter*innen „Finanzflüsse
       soweit verschleiern, dass eine weitere Verfolgung zumindest wesentlich
       erschwert und die Feststellung ihrer Identität vereitelt wurde“, heißt es
       weiter.
       
       Sven unterschreibt den Mietvertrag nicht, sondern kontaktiert seine
       Informatikerfreunde. Gemeinsam untersuchen sie die Webseite von Bute
       Immobilien. Im Impressum ist als Inhaber Volker Bute angegeben. Die mit
       Wordpress erstellte Seite war erst zwei Monate zuvor erstellt worden. Im
       Uploadverzeichnis finden die Informatiker das PDF, Bilder der Wohnung in
       Moabit und einer zweiten Wohnung in Prenzlauer Berg, die Abstandslisten –
       und vier ausgestellte Mietverträge mit Berliner*innen sowie
       Interessent*innen aus Spanien und Frankreich.
       
       ## Skepsis bei Vorauszahlungen
       
       So wurde mit einem Herr V. K. aus Berlin eine Ablösesumme von 3.400 Euro
       vereinbart, die erste Monatsmiete (1.100 Euro) und die Kaution (2.550 Euro)
       sollte er 60 Tage im Voraus an ein Konto der Deutschen Kreditbank
       entrichten: zusammen 7.000 Euro. Bei Frau N. K. aus Berlin sind es rund
       6.000 Euro, zahlbar auf ein anderes Konto bei derselben Bank.
       
       Die Verbraucherzentrale rät dringend davon ab, bei der Wohnungssuche
       Vorauszahlungen zu leisten: „Werden Sie von einem vermeintlichen Eigentümer
       aufgefordert, vorab eine Kaution zu bezahlen, lassen Sie lieber die Finger
       von der Immobilie.“ Sven machte Screenshots, lud die Daten auf einen
       USB-Stick und ging zur Polizei. Doch diese habe sich extrem „unseriös“
       verhalten, sagt er: Die Beamtin habe nicht gewusst, was sie mit dem
       USB-Stick tun soll. Erst zwei Monate später meldete sich ein anderer
       Beamter mit der Bitte, Sven möge doch nochmal den USB-Stick vorbei bringen.
       
       Im vergangenen Jahr hat die Berliner Polizei rund 1.400 Fälle von
       Wohnungsbetrug registriert – fast doppelt so viele wie 2020. Die
       Aufklärungsquote ist gering: Nicht einmal ein Viertel aller Fälle wurde
       2022 aufgeklärt, 2020 waren es sogar nur rund 16 Prozent. Das Europäische
       Verbraucherzentrum Deutschland geht von Zehntausenden Betroffenen in
       Deutschland aus.
       
       Die Polizei Berlin schreibt, sie ergreife „alle erforderlichen Maßnahmen
       zur Ermittlung und Identifizierung der mutmaßlichen Betrügerinnen und
       Betrüger und möglicherweise dahinterstehender Netzwerke“. Doch Sven hat da
       andere Erfahrungen. Von der Polizei hat er nie wieder etwas gehört. Auch
       eine Anfrage der taz zu dem Vorgang blieb unbeantwortet.
       
       Ob die Ermittlungen noch laufen, ist also unklar. Das Geld der Opfer ist
       jedenfalls weg. „Volker Bute“ wird mit seiner Webseite einige Zehntausend
       Euro kassiert haben. Und ist mit neuer Identität und alter Masche
       vermutlich wieder auf Beutezug. Die Website von „Bute Immobilien“ ist
       mittlerweile offline. Zu finden ist nur noch eine Bewertung bei Trustpilot:
       2,8 = akzeptabel. Erst wenn man genauer hinschaut, liest man den Kommentar
       von Annika M.: „Absolute Betrüger! Ich wurde um 7.000 Euro betrogen!“
       
       27 Dec 2023
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Darius Ossami
       
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