URI: 
       # taz.de -- Corona-Impfstoff in der EU: Wieder Ärger mit der Impfe
       
       > Medienberichten zufolge vernichtet die Europäische Union (EU)
       > Corona-Vakzine in Milliardenwert. Doch dafür geradestehen will in Brüssel
       > niemand.
       
   IMG Bild: Zu viel bestellt: Deutschland und andere europäische Länder müssen Covid-19-Impfstoff vernichten
       
       Brüssel taz | Bundeskanzler Olaf Scholz hat es, Estlands Premierministerin
       Kaja Kallas ist auch betroffen. Kurz nach dem EU-Gipfel letzte Woche in
       Brüssel wurde bekannt, dass sich beide mit dem Coronavirus angesteckt
       haben.
       
       Doch während die Ansteckungsrate in die Höhe schnellt, erweist sich der
       Impfstoff gegen Covid-19 als Ladenhüter. Deutschland und andere EU-Länder
       haben zu viel davon bestellt und mussten Vakzine im Wert von mehr als 4
       Milliarden Euro vernichten.
       
       Dies meldet [1][das Portal Politico] unter Verweis auf öffentlich
       zugängliche Daten. Demnach seien mindestens 215 Millionen Impfdosen im
       Mülleimer gelandet – am meisten davon in Deutschland. Allein im größten
       EU-Land sollen 83 Millionen Dosen vernichtet worden sein.
       
       Setzt man den Durchschnittspreis pro Dosis von 18,60 Euro an, so entspricht
       dies einem Verlust von 1,5 Milliarden Euro – angesichts der deutschen
       Haushaltskrise ein enormer Betrag. Man könnte auch von Geldverschwendung
       reden.
       
       ## EU-Länder sind für den Einkauf der Impfung verantwortlich
       
       Doch auf Nachfrage will niemand dafür geradestehen. Die EU-Kommission sagte
       der taz, sie könne die Zahlen nicht bestätigen, da für Einkauf und Impfung
       die EU-Länder verantwortlich seien. Die Brüsseler Behörde koordiniere nur,
       betonte ein Sprecher.
       
       Auch die für Infektionskrankheiten wie Corona zuständige
       EU-Präventionsbehörde ECDC hält sich bedeckt – sie habe damit nichts zu
       tun. Dabei soll ECDC nach Angaben der Bundesregierung die Erhebung,
       Validierung, Analyse und Verbreitung der Daten auf EU-Ebene koordinieren.
       
       Für Verstimmung sorgt die Nachricht im Europaparlament. „Man kann jetzt
       sagen, dumm gelaufen“, erklärte [2][Tilly Metz, eine grüne Abgeordnete aus
       Luxemburg, die im Covid-Sonderausschuss] den Umgang der EU mit der Pandemie
       aufgearbeitet hat. „Man könnte diese Gelegenheit aber auch nutzen, um die
       Machtverhältnisse in den Verhandlungen mit der Pharmaindustrie infrage zu
       stellen, um für die nächste Pandemie besser vorbereitet zu sein.“
       
       ## Keine solidarische Verteilung an Drittländer erlaubt
       
       Die EU dürfe bei gemeinsamen Einkäufen von Impfstoffen oder anderen
       Medikamenten künftig keine dubiosen Vertragsbedingungen mehr akzeptieren,
       fordert Metz. Für die „sinnlose Vernichtung“ sei vor allem eine „absurde
       Vertragsklausel“ relevant. Die EU durfte Impfstoffdosen, die sie im
       Endeffekt selbst nicht brauchte, [3][nicht umsonst an bedürftige
       Drittländer verteilen].
       
       „Wie viele dieser übermäßig eingekauften Impfstoffdosen hätten wir, statt
       sie zu vernichten, solidarisch mit Entwicklungsländern teilen können“,
       fragt Metz. „Bei sämtlichen Vertragsbedingungen, inklusive der vorgesehenen
       Menge, des Preises und der Haftung, fordern wir mehr Transparenz.
       Transparenz ist eine Bedingung für öffentliches Vertrauen, nicht
       andersherum.“
       
       Das Europaparlament kämpft seit 2021 um die Offenlegung der
       Impfstoff-Verträge, [4][die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
       teils persönlich mit dem US-Pharmakonzern Pfizer ausgehandelt hat]. Doch
       die Kommission mauert. Sie will weder die Verträge noch Details über von
       der Leyens Handy-Kontakte mit Pfizer-Chef Albert Bourla offenlegen.
       
       Die Brüsseler Behörde macht auch immer noch keine Angaben über die neuen
       Konditionen, die Anfang dieses Jahres ausgehandelt wurden, nachdem Polen
       und Ungarn aus der gemeinsamen Beschaffung ausgestiegen waren. Klar ist nur
       eins: Die Lieferungen gehen bis 2027 weiter – obwohl die Nachfrage nach
       Impfstoff zurückgeht.
       
       19 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.politico.eu/article/europe-bonfire-covid-vaccines-coronavirus-waste-europe-analysis/?utm_source=RSS_Feed&utm_medium=RSS&utm_campaign=RSS_Syndication
   DIR [2] /Corona-Impfstoff-in-der-EU/!5936100
   DIR [3] /Gesundheitsexpertin-ueber-Biontech-Fabrik/!5977814
   DIR [4] /Kommissionschefin-gibt-SMS-nicht-heraus/!5829411
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Ursula von der Leyen
   DIR Europäische Kommission
   DIR Europäische Union
   DIR Impfstoff
   DIR Impfung
   DIR Pfizer
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Schwerpunkt Coronavirus
   DIR Ursula von der Leyen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Von der Leyens SMS an Pfizer-Chef: EU-Gericht urteilt gegen die Kommissionspräsidentin
       
       Ursula von der Leyen durfte SMS an den Pfizer-Chef in der Affäre um teure
       Corona-Impfstoffe nicht geheimhalten, urteilt das EU-Gericht in Luxemburg.
       
   DIR Corona-Impfstoff in der EU: Streit über Pfizer-Stornogebühr
       
       Für Corona-Impfdosen, die nicht mehr gebraucht werden, hat sich die EU auf
       Milliardenzahlungen eingelassen. Doch nicht alle Staaten wollen zahlen.
       
   DIR EU-Impfstoffdeal mit Pfizer: Impfschaden in Brüssel
       
       Die EU-Kommission hat 2021 einen fragwürdigen Milliarden-Auftrag für
       Corona-Impfstoffe an Pfizer vergeben. Jetzt stockt die Aufarbeitung.
       
   DIR Corona-Impfstoff in der EU: Von der Leyen am Pranger
       
       Es gibt Redebedarf, doch die EU-Kommissionspräsidentin will sich nicht
       äußern. Der Vorwurf des Nationalismus wird laut.