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       # taz.de -- Grüne in Brandenburg: Ohne Flügel, aber nicht kraftlos
       
       > Bei Brandenburgs Grünen dominiert Pragmatismus. Für die Zeit nach der
       > Landtagswahl im September setzen sie weiter auf eine Koalition mit SPD
       > und CDU.
       
   IMG Bild: Harmonie ist eine Strategie: Brandenburgs Grünen-Spitzenkandidat in spe Benjamin Raschke mit Außenministerin Annalena Baerbock
       
       Berlin/Potsdam taz | „Wir haben kein Flügelkämpfe wie die Berliner Grünen“,
       sagt Benjamin Raschke. Er ist seit 2019 Co-Chef der Grünen-Fraktion im
       Landtag in Potsdam. Ende September soll er die Brandenburger Grünen in die
       Landtagswahl führen – als Spitzenduo zusammen mit Antje Töpfer, ihres
       Zeichens Staatssekretärin bei der grünen Sozialministerin Ursula
       Nonnemacher.
       
       Nur gut 25 Kilometer Luftlinie liegen zwischen den Parteizentralen des
       Berliner und des Brandenburger Landesverbands. Gefühlt aber trennen ganze
       Welten die flügellastigen Hauptstädter von ihren Parteifreunden in
       Brandenburg. In Potsdam mag das dabei niemand so offen aussprechen, aber
       was sich jüngst beim Parteitag der Nachbarn abgespielt hat – [1][Vorwürfe,
       Tränen, zunächst gescheiterte Vorstandswahl]: Das ist den Grünen in der
       Mark so fremd, dass es sich auch auf dem Mond und nicht nur besagte 25
       Kilometer entfernt abgespielt haben könnte.
       
       Pläne, Ziele, der Umgang mit AfD-Wählern: Die Brandenburger Grünen setzen
       bei fast allem auf einen pragmatischen Ansatz. Nicht dass es keine Ziele
       gebe, die durchaus als Wunschdenken bezeichnet werden können. Als Wahlziel
       für den 22. September etwa gibt Co-Landeschefin Alexandra Pichl aus, das
       Ergebnis von 2019 mindestens halten, aber eigentlich ausbauen zu wollen.
       Damals kamen die Grünen auf 10,8 Prozent. In der jüngsten Umfrage liegen
       sie bei 8 Prozent. Und die allgemeine Stimmungslage in den ostdeutschen
       Bundesländern spricht nicht dafür, dass es hier noch viel Luft nach oben
       gibt.
       
       Bei aller Entspanntheit im Umgang miteinander ist es letztlich aber auch
       nicht so, dass die Grünen zwischen Uckermark und Lausitz heftigen
       Diskussionen komplett aus dem Weg gehen würden. Als es nach der
       Landtagswahl 2019 darum ging, Koalitionsgespräche über ein Kenia-Bündnis
       mit SPD und CDU zu ermöglichen, stellte sich die Grüne Jugend quer und rief
       nach einer rot-rot-grünen Koalition. Vergeblich. Aber einer der damaligen
       Kritikpunkte, den Kohleausstieg nicht erst für 2038, sondern für 2030
       anzupeilen, findet sich nun im Entwurf des Wahlprogramms für 2024.
       
       ## Die armen Verwandten
       
       Lange Zeit füllten die Brandenburger Grünen eher die Rolle der armen
       Verwandtschaft mit knapper Kasse und karger Mitgliedschaft aus, denen bei
       Wahlkämpfen, quasi als Landpartie, wochenends zu helfen war. Seit vorigem
       Frühjahr aber haben sich die Gewichte verschoben. Es sind die
       Brandenburger, die weiter in der immer mal wieder totgesagten, aber dennoch
       haltenden Kenia-Koalition mitregieren. Die Berliner Grünen hingegen, die
       sich 2021 und 2023 gleich zwei Mal auf dem Weg ins Rote Rathaus wähnten,
       mussten Ende April raus aus dem Senat und rein die Opposition.
       
       In Potsdam wird es aus Sicht von Spitzenkandidat Raschke auch nach der
       Landtagswahl am 22. September mit SPD und CDU weitergehen. „Das ist das
       wahrscheinlichste Szenario, aber weder Wunsch noch Anspruch“, sagt der
       41-Jährige, der als künftiger Minister gilt: Die jetzigen beiden grünen
       Kabinettsmitglieder, Sozialministerin Nonnemacher und Umweltminister Axel
       Vogel, wollen sich nach der Wahl aus Altergründen zurückziehen.
       
       Ob es bei Kenia bleibt, hängt dabei nicht allein davon ab, ob SPD, CDU und
       Grüne dann immer noch oder wieder miteinander können – die CDU ging schon
       [2][deutlich auf Distanz zu den Grünen]. Entscheidend ist zudem, ob die
       drei Parteien nach der Wahl überhaupt eine absolute Mehrheit im Parlament
       haben.
       
       In Umfragen führt seit Längerem die AfD, zuletzt mit 27 Prozent, klar vor
       dem SPD mit 20 Prozent. Ende September war die vom Verfassungsschutz als
       rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestufte Brandenburger AfD sogar auf
       32 Prozent gekommen. Über deren Anhänger und den Grünen-Umgang mit ihnen
       sagt Benjamin Raschke: Man gebe sie als Menschen nicht auf, aber als Wähler
       „sind sie für uns nachweislich nicht erreichbar“.
       
       2 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Chaos-bei-den-Berliner-Gruenen/!5976146
   DIR [2] https://www.tagesspiegel.de/potsdam/brandenburg/landtagswahl-2024-in-brandenburg-cdu-chef-redmann-will-nicht-noch-einmal-mit-den-grunen-koalieren-10192288.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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