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       # taz.de -- Letzte Pressekonferenz 2023 in Kyjiw: Selenskyj weicht Fragen aus
       
       > Der ukrainische Präsident sprach am Montag ein letztes Mal in diesem Jahr
       > vor der Presse – vor allem über Außenpolitik.
       
   IMG Bild: Wolodymyr Selenskyj auf seiner Pressekonferenz zum Jahresende
       
       Luzk taz | Scheinwerfer, Kameras, ein Saal voller Journalisten: Wolodymyr
       Selenskyj gibt seine letzte Pressekonferenz in diesem Jahr. Gerade ist der
       Präsident der Ukraine von einer fast einwöchigen Auslandstournee zurück,
       von der er den Pressevertretern berichten will: Selenskyj war in
       Argentinien, den USA, in Norwegen und Deutschland. Der ukrainische
       Präsident steht vor einer blauen EU-Flagge. [1][Der Beginn von
       EU-Beitrittsverhandlungen, denen Brüssel auf dem EU-Gipfel am 14. Dezember
       zugestimmt hatte], ist der wichtigste diplomatische Erfolg des Jahres.
       Träumerisch erklärt Selenskyj den Pressevertretern: „Bald gibt es auf der
       EU-Flagge einen Stern mehr.“
       
       Gerade die außenpolitischen Fragen konnte Selenskyj dann auch am besten
       beantworten. Der Präsident der Ukraine ist Optimist, trotz der Tatsache,
       dass die Europäische Union (EU) sich aufgrund des ungarischen Widerstandes
       [2][nicht auf ein vierjähriges Ukraine-Hilfspaket in Höhe von 55 Milliarden
       Euro einigen konnte] und der US-Kongress bis Jahresende keine Finanzhilfe
       in Höhe von 61 Milliarden Dollar mehr beschließen wird.
       
       Selenskyj versicherte, dass die westlichen Länder der Ukraine weiter helfen
       werden. Er denkt, dass der Krieg im Nahen Osten die Unterstützung für die
       Ukraine beeinflusse und Wladimir Putin dahinterstecke. „Einige Staaten
       wägen jetzt ab, wem sie zuerst helfen sollen. Ich kann diese Kriege nicht
       vergleichen.“ Er erinnere daran, dass die Ukraine für die Existenz beider
       Länder eintritt: für Israel und Palästina.
       
       ## „Ich bin nicht irgendein Lappen“
       
       [3][Die Blockaden an der polnischen Grenze], derentwegen die Ukraine
       Hunderte Millionen Dollar verloren hat, hält er für eine politische
       Angelegenheit und hofft auf die neue polnische Regierung von Donald Tusk.
       Auf die Frage nach den angespannten Beziehungen zu Polen antwortete
       Selenskyj mit dem Satz, der später in Medien und sozialen Netzwerken
       kursieren wird: „Ich bin nicht irgendein Lappen, ich verteidige die
       Interessen der Ukraine im Kriege“.
       
       Die Pressekonferenz in Kyjiw fand auch nach einigen öffentlichen Auftritten
       von Wladimir Putin. Der Kreml-Diktator hatte zum wiederholten Mal geäußert,
       dass er mit der Ukraine nur Frieden schließe, wenn er die Ziele seiner
       sogenannten militärischen Spezialoperation erreicht habe.
       
       Dazu sagte Selenskyj: „Von Friedensverhandlungen kann zu diesem Zeitpunkt
       des Krieges nicht die Rede sein.“ Wenn das Dokument mit der Friedensformel
       fertig sei, werde Kyjiw es über Vermittler dem Kreml überstellen. Niemand
       kann sagen, ob der Krieg 2024 beendet werde, fügte er noch hinzu.
       
       ## Ungern innenpolitische und Korruptionsfragen
       
       Nach der Pressekonferenz schrieben ukrainische Medien, dass es dem
       Präsidenten schwerer gefallen war, Fragen zu innenpolitischen Aspekten zu
       beantworten. Selenskyj versprach, das Parlament nicht aufzulösen, da in
       einem Land im Kriegszustand Neuwahlen nicht vorgesehen seien. Der Präsident
       kritisierte auch eine Journalistin, die zwei unbequeme Fragen zum Thema
       Korruption stellte. Einer direkten Antwort wich er aus und stritt auch
       vehement einen Konflikt mit dem Oberbefehlshaber der bewaffneten
       Streitkräfte der Ukraine, Walerij Saluschnyj, ab. Selenskyj beteuerte, dass
       er nicht beabsichtige, den in der Ukraine sehr beliebten General zu
       entlassen.
       
       Vor allem die Armee habe, so Selenskyj, vorgeschlagen, 450.000 bis 500.000
       Ukrainer zu mobilisieren. E[4][ine Mobilmachung in diesem Umfang würde das
       Land noch einmal 500 Milliarden Hrywnja] (gut 12 Milliarden Euro)
       zusätzlich kosten. Wenn das Militär gute Argumente vorbringe, sei der
       Präsident bereit, das Mobilisierungsalter zu senken und ab 2024 auch Männer
       unter 27 Jahren einzuziehen. Der Mobilisierung von Frauen werde er
       allerdings nicht zustimmen.
       
       Unterdessen beklagt sich die Armee, dass sie aufgrund eines Mangels an
       Munition ausländischer Partner gezwungen ist, ihre Kriegs-Operationen zu
       begrenzen. „Die Ukraine wird nächstes Jahr eine Million Kamikaze-Drohnen
       herstellen“, versprach der Präsident dem Militär. Er bestritt kategorisch
       die Möglichkeit einer militärischen Niederlage: „Die Strategie ist
       unverändert: eine Rückkehr zu den Grenzen von 1991“.
       
       Aus dem Russischen Gaby Coldewey
       
       20 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Juri Konkewitsch
       
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