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       # taz.de -- Wahlen in der DR Kongo: Chaos zum Start
       
       > Unruhen und Verspätungen kennzeichnen den Beginn der Parlaments- und
       > Präsidentschaftswahl. UN-Sicherheitsrat will Blauhelme abziehen.
       
   IMG Bild: Es sich um die ersten Wahlen nach dem ersten friedlichen Machtwechsel in der Geschichte des Landes
       
       Kampala taz | Das Wahlzentrum sieht aus wie ein Schlachtfeld. [1][Fotos und
       Videos] zeigen: Stimmzettel liegen zerstreut und zerfetzt auf dem Boden,
       Stühle und Bänke sind umgeworfen, Wahlmaschinen und Fenster zerstört. Schon
       am frühen Morgen kam es in der Berufsschule ISP (Institut supérieur de
       pédagogie) in der ostkongolesischen Stadt Bunia, wo das Wahlbüro
       eingerichtet war, zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen
       aufgebrachten Wählern und der Polizei.
       
       Aus den lokalen Medien ist zu entnehmen, dass einige Binnenvertriebene ihre
       Namen nicht auf den Wahllisten gefunden haben und deswegen die Stimmung
       hochkochte. Wahlhelfer rannten davon, die wachhabenden Polizisten schritten
       ein. Ein junger Mann wurde laut Berichten von einer umherfliegenden Kugel
       getroffen und verletzt. Die aufgebrachten Kongolesen zogen dann weiter in
       Richtung Stadtzentrum, wo sie von der Polizei mit Tränengas gestoppt
       wurden.
       
       Bunia ist Hauptstadt der Provinz Ituri, wo ein Drittel der Bevölkerung
       wegen Milizenangriffen vertrieben sind. In der Demokratischen Republik
       Kongo sind insgesamt rund sieben Millionen Menschen innerhalb ihres eigenen
       Landes auf der Flucht, vor allem in den Kriegsgebieten des Ostens, wo ganze
       Dorfgemeinschaften seit Jahren immer wieder flüchten müssen. Dass dies
       Probleme geben wird bei der Wahl, war vorherzusehen. Viele Vertriebene
       konnten sich nicht registrieren oder können jetzt nicht dort wählen, wo sie
       herkommen.
       
       Dennoch hat [2][Kongos Wahlbehörde CENI] trotz enormer logistischer
       Schwierigkeiten am Mittwochmorgen landesweit die rund 75.000 Wahlbüros für
       eröffnet erklärt – außer in den kriegsgeschüttelten Distrikten Masisi und
       Rutshuru im Osten des Landes. Vieles geschah vor allem in den abgelegenen
       Landesteilen tief in den dichten Wäldern auf den allerletzten Drücker.
       Ägyptens Luftwaffe hat beim Verteilen der Wahlunterlagen und Maschinen in
       dem großen Land, das kaum über geteerte Straßen verfügt, geholfen. Knapp 44
       Millionen der rund 100 Millionen Kongolesen sind als Wahlberechtigte
       aufgefordert, einen neuen Präsidenten und ein neues Parlament zu wählen.
       
       ## Mehrere Wahlbeobachtermissionen vergrault
       
       Doch selbst in der Hauptstadt Kinshasa öffneten zahlreiche Wahlbüros mit
       Verspätung. Um zehn Uhr am Vormittag trat dann CENI-Chef Denis Kadima vor
       die Presse und versprach, dass diejenigen Wahllokale, die zu spät
       aufgemacht haben, „die verlorene Zeit nachholen“ sollen. „Die Leute werden
       auf jeden Fall immer abstimmen, auch wenn es bis zum nächsten Tag gehen
       muss“, versichert er: „Der Grundsatz ist, dass jeder Kongolese wählen
       kann.“
       
       Bereits der Wahlkampf wurde international kritisiert. Vor drei Wochen hat
       [3][die Wahlbeobachter-Mission der EU Hals über Kopf ihre Koffer gepackt].
       Der Grund: Kongos Geheimdienst erlaubte ihr nicht, Satellitentelefone zu
       nutzen.
       
       Vor zwei Tagen hat die Ostafrikanische Gemeinschaft (EAC), der Kongo erst
       2022 beitrat, [4][ihre Wahlbeobachtermission ebenfalls abgesagt]. Grund:
       Ihrer Stationierung sei von den „zuständigen Behörden“ Kongos „nicht
       stattgegeben worden.“ Es gibt mehrere andere internationale und nationale
       Wahlbeobachtermissionen.
       
       Bereits bei den vergangenen Wahlen Ende 2018 kam es zu extremen
       Unregelmäßigkeiten. Verschiedene Wahlbeobachter kamen bei der Auszählung
       der Stimmen für das Präsidentenamt zu ganz anderen Ergebnissen als die
       Wahlbehörde CENI. Letztlich entschied dann das Verfassungsgericht, dass
       [5][Félix Tshisekedi gewonnen] habe, trotz heftiger Kritik, vor allem
       seitens des von Wahlbeobachtern als Wahlsieger identifizierten [6][Martin
       Fayulu].
       
       Als „Putsch durch die Stimmzettel“ hat nun vor wenigen Tagen eine in Kenias
       Hauptstadt Nairobi vorgestellte [7][neue Allianz bewaffneter und ziviler
       Oppositioneller] unter dem damaligen CENI-Chef Corneille Nangaa den
       aktuellen Wahlgang bezeichnet und am Dienstag erneut mit einem Putsch
       gedroht, falls Tshisekedi wieder zum Sieger deklariert werden sollte.
       
       ## UN-Mission soll 2024 abziehen
       
       Ausgerechnet jetzt, wo internationale Analysten, Diplomaten und viele
       Kongolesen selbst einen Krieg nach den Wahlen befürchten, hat nun der
       UN-Sicherheitsrat am Tag vor den Wahlen einstimmig entschieden, [8][die
       UN-Mission im Kongo im kommenden Jahr abzuziehen].
       
       Kongos Präsident Félix Tshisekedi hatte im September den UN-Mitgliedstaaten
       in einer Rede klargemacht, dass er noch vor Ende des Jahres einen Abzug der
       14.000 UN-Blauhelme wünscht. Die erste Phase soll noch dieses Jahr
       beginnen, heißt es in der UN-Resolution 2717. Bis Ende April 2024 sollen in
       einem ersten Schritt alle Truppen der UN-Mission Monusco die Provinz
       Süd-Kivu im kriegsgeschüttelten Osten Kongos verlassen.
       
       20 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/LePotentiel_rdc/status/1737383708347273278
   DIR [2] https://www.ceni.cd/
   DIR [3] /Vor-den-Wahlen-in-der-DR-Kongo/!5976940
   DIR [4] https://www.eac.int/press-releases/2992-eac-election-observer-mission-to-the-2023-drc-general-elections
   DIR [5] /Umstrittene-Wahl-im-Kongo/!5566621
   DIR [6] /Kongos-Oppositionsfuehrer-im-Interview/!5573512
   DIR [7] /Neue-Rebellenallianz-fuer-Kongo/!5980593
   DIR [8] https://press.un.org/en/2023/sc15538.doc.htm
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
   DIR Dominic Johnson
       
       ## TAGS
       
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