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       # taz.de -- Flut, Finanzen, Franziskus: Vorhersehbar unvorhersehbar
       
       > Naturkatastrophen, Schuldenbremse und Bauernproteste erhitzen weiter die
       > Gemüter. Währenddessen besiegt ein Junge Tetris.
       
   IMG Bild: Lindner müsste nun laut kontern, dass die Klimaveränderung menschgemacht sei. Wir können es kaum abwarten
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: [1][Maaßens „Werteunion“] will Partei werden.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Schlagzeile „Verfassungsschutz beobachtet Ex-Präsidenten“.
       
       Günther Fielmann ist tot. Er hat für klarere Sicht gesorgt – oder? 
       
       Fielmann war der Mörder – oder Erlöser von – der Kassenbrille. Alte
       Helmut-Kohl-Fotos etwa zeigen noch das schwarz-transparente Trumm, das
       seine Träger als provinziell, arm oder modisch fehlsichtig auswies.
       Fielmann schloss Verträge mit Krankenkassen, um die amtliche Gratisbrille
       auszuhebeln, bietet dafür allerdings stets auch eine Auswahl „Brillen zum
       Nulltarif“ an. Das war Anfang der 80er und der Einstieg in die
       Leistungskürzungen der Krankenkassen. Heute beherrscht der Konzern fast
       1.000 Filialen weltweit und bildet nach eigenen Angaben 40 Prozent des
       Optikernachwuchses aus. Betriebsräte zersplitterte er durch rechtlich
       unabhängige Filialen und gab sich vom Ersparten als Kulturmäzen. Kommt
       drauf an, wie man es sieht, durch welche Brille.
       
       „Wenn der Bauer nicht muss, rührt er weder Hand noch Fuß“, heißt es im
       Sprichwort. Geht es den Landwirten wirklich so schlecht, dass sie nun sogar
       [2][den Vizekanzler blockieren] müssen? 
       
       Kraut und Rüben: Angestellte Bauern machen sich unter 40.000 Euro p. a. vom
       Acker, doch die Betriebe je nach Sparte zwischen 40- und 100.000 Euro
       Gewinn. Auf eine soziale Staffelung der Subventionen – je kleiner der
       Betrieb, desto größer die Unterstützung – ist mal wieder keiner in der
       Ampel gekommen, weil ja dumme Bauern dicke Kartoffeln und so. Tatsächlich
       ist es eine überdurchschnittlich digitalisierte Branche, was eine gewisse
       Affinität zu Spinnerchats nahelegen mag. Jedenfalls hat die Ampel mit dem
       Rin-in-die-raus-aus-den-Kartoffeln-Gesetz schon wieder handwerklichen
       Schrott abgeliefert. Hätte sie planmäßig Protest säen und ernten wollen,
       hätte sie nichts anders machen müssen. Jetzt werden Schweinewirte von
       Schweinepredigern gegen das Schweinesystem aufgestachelt. Ich wünschte mir
       neben den 53 Bio-sonstwas-Fantasiesiegeln auf Agrarprodukten noch eines:
       „Der Erzeuger hat noch alle Latten am Zaun“.
       
       Laut dem Bundestagsabgeordneten Schwarz (SPD) handelt es sich beim
       aktuellen [3][Hochwasser um eine „unvorhersehbare Naturkatastrophe“]. Was
       ist bei der Aufklärung über den menschengemachten Klimawandel
       schiefgelaufen, möglicherweise unter besonderer Berücksichtigung der SPD? 
       
       Der SPD – ist sie nicht auch eine stets unvorhersehbare Naturkatastrophe? –
       ist schon jeder Wasserrohrbruch recht, den nächsten Haushaltsnotstand gegen
       den Nullwart im Finanzministerium durchzusetzen. Das deutete sich schon mit
       dem geplanten Notstand Ahrtal an. Immerhin – Lindner müsste nun laut
       kontern, dass die Klimaveränderung menschgemacht sei. Wir können es kaum
       abwarten.
       
       Ein US-amerikanischer Junge hat Tetris besiegt – gibt es doch Hoffnung für
       die zukünftigen Generationen? 
       
       Wäre ich KI, gäbe ich dem Knaben sofort einen Job als Lagerist bei Ikea
       oder Gepäckmanager für Busreisen. Allerdings soll der 13-Jährige die
       Tastaturverzögerung seines Rechners ausgehebelt haben, um purzelnde Steine
       noch steuern zu können, wenn’s oben eng wird. Also hat sich hier ein Homo
       sapiens der Neigung des Spiels entzogen, ihn zu programmieren. Der
       Widerstand lebt.
       
       „Geh lieber arbeiten“ – anstatt den auf Hochwasserbesuch weilenden Kanzler
       zu beschimpfen, hat Reiner Haseloff einen Anwohner angehalten. Hat
       Sachsen-Anhalts Ministerpräsident möglicherweise die richtige Ansprache
       gefunden für die ostdeutschen Dauerpöbler? 
       
       Für diesen Solibeitrag bedankt sich Ex-SPD-Chef Gabriel prompt mit einer
       Wahlempfehlung zugunsten des CDU-MP Kretschmer in Sachsen. Zwangsläufig
       bedient so etwas das „Altparteien“-Klischee, von dem die Ältestpartei AfD
       gut lebt. Das darf Demokraten nicht hindern, zusammenzustehen. Haseloffs
       Kurt-Beck-Gedächtnisrülpser ist zynisch, doch wenn’s ein paar Nichtwähler
       für ihn mobilisiert, sei’s drum. Nächstes Mal: „Geh lieber wählen!“
       
       10 bis 15 Sekunden – länger sollen Segnungen für homosexuelle Paare laut
       Papst Franziskus nicht dauern. Ist das nicht unter der Würde einer
       2000-jährigen Institution? 
       
       Die Handreichung des Kardinals Fernández zum Segen liest sich wie die AGBs
       eines hochkomplexen Küchengeräts, in das man mit seinem Geschlecht nun
       wirklich nicht hineingeraten will. Auf sechs Seiten wird ziseliert, dass
       „Personen in irregulären Verbindungen“, damit aber nicht ebendiese
       Verbindung selbst gesegnet werden darf. Und wenn schon, dann bitte
       „seelsorgerisch“ und „nicht liturgisch“ und nicht am Altar und in Kutte.
       Kurz: Wenn tolerante Pfaffen auf dem notorischen Bahnhofsklo ein bisschen
       Wasser aus dem Urinal wedeln, hat’s der liebe Gott nicht gesehen. Wird noch
       dauern, bis die Gemeinde singt: Am Sonntag will mein Süßer lieber segnen
       gehn.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Der BVB hat jetzt mehr Trainer als der Dortmunder „Tatort“ ErmittlerInnen.
       Da geht noch was.
       
       Fragen: Leyli Nouri, waam
       
       7 Jan 2024
       
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