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       # taz.de -- Sicherheitspolitik in China: Peking macht Jagd auf Spione
       
       > Chinas Regierung schürt überall die Angst vor Spionen. Selbst
       > Grundschüler erhalten Anti-Spionage-Schulungen. Dahinter steckt mehr.
       
   IMG Bild: Ausländisch unterwandert? „Null Covid“-Protest in Peking am 27.11.2022
       
       Peking taz | Was China dem britischen Geheimdienst vorwirft, ruft
       Erinnerungen an James-Bond-Filme wach: Der MI6 soll laut Peking einen Mann
       angeheuert haben, um als Führungskraft einer Beratungsfirma während seiner
       Geschäftsreisen Staatsgeheimnisse aus der Volksrepublik zu beschaffen. Am
       Montag schließlich machte die Staatssicherheit den Fall publik, der
       mutmaßliche Spion sei mittlerweile festgenommen worden.
       
       Tatsächlich wirft die Nachricht mehr Fragen als Antworten auf. Zum einen
       lassen sich die Behauptungen nicht unabhängig überprüfen. Die britische
       Botschaft in Peking hat sich nicht zu den Vorwürfen geäußert. Zudem sind
       selbst die offiziellen Schilderungen der chinesischen Behörden lückenhaft.
       Dennoch wirft die Causa ein Schlaglicht auf Chinas Strategie nationaler
       Sicherheit, die sich zunehmend auf die Bevölkerung von 1,4 Milliarden
       Staatsbürgern richtet.
       
       Allein die Definition von Spionage ist im Reich der Mitte spätestens
       [1][seit der jüngsten Verschärfung der Gesetzgebung] vom letzten Sommer
       sehr weit gefasst. Strafbar sind mittlerweile Handlungen, die sich gegen
       die „nationalen Interessen“ Chinas richten – ein überaus dehnbarer Begriff.
       Selbst touristische Smartphone-Schnappschüsse können darunter fallen. Wer
       etwa auf einem Zivilflughafen Fotos schießt, befindet sich der Definition
       nach im Besitz eines Staatsgeheimnisses, wenn das Militär den Flughafen
       ebenfalls nutzt.
       
       In den letzten Monaten gerieten wiederholt ausländische Staatsbürger ins
       Visier der Behörden. Sie nahmen etwa im März 2023 einen japanischen
       Geschäftsmann wegen Spionage fest. Zudem führten Behörden bei mehreren
       US-amerikanischen Beratungsfirmen Razzien durch und beschlagnahmten
       Laptops.
       
       ## Beabsichtigte Unsicherheit
       
       Auch die Europäische Handelskammer kritisierte, Unternehmen wüssten nicht,
       wo die Legalität ende. Die juristische Unschärfe ist jedoch kein Versehen,
       sondern bewusst intendiert: Sie ermöglicht den Behörden einen weiten
       Anwendungsspielraum der Anti-Spionage-Gesetze. Zudem kreiert sie
       Unsicherheit, aus der vorauseilender Gehorsam resultiert. Andererseits
       liegen negative Konsequenzen, etwa die abschreckende Wirkung auf
       ausländische Investoren, auf der Hand.
       
       Die Staatsführung nimmt das offenbar in Kauf. In öffentlichen Kampagnen
       versetzt sie die Bevölkerung in erhöhte Alarmbereitschaft. Wer etwa durch
       die Korridore chinesischer Staatsbetriebe schreitet, findet an den Wänden
       unzählige Infoblätter und omnipräsente Propagandaslogans, die darüber
       aufklären, wie man am effizientesten Spione ausfindig macht und meldet.
       
       ## Sündenböcke für alles
       
       Selbst Grundschüler erhalten Anti-Spionage-Schulungen, wie die Staatsmedien
       im Wochentakt stolz berichten. Als Lohn für einen erfolgreich
       ausgelieferten Spion gibt es bis zu 65.000 Euro.
       
       Allerdings: die Hintergründe sind real. [2][China und die USA befinden sich
       im Hegemonialstreit]. Im vergangenen Sommer kündigte CIA-Direktor William
       Burns an, das Spionagenetzwerk in China wieder aufzubauen. Gleichzeitig
       dürfte hinter Chinas Anti-Spionage-Kampf Kalkül stehen, um in
       wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit Angst und Nationalismus Zusammenhalt
       zu kreieren.
       
       Zudem offeriert das Narrativ auch einen bequemen Sündenbock: Hinter jeder
       Form der politischen Opposition – von der mittlerweile niedergeschlagenen
       Demokratiebewegung in Hongkong bis zu den „Null Covid“-Protesten vom
       letzten Winter – wittert Chinas Staatsführung „ausländische
       Unterwanderung“.
       
       9 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /China-verschaerft-Gesetz-gegen-Spionage/!5927740
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       ## AUTOREN
       
   DIR Fabian Kretschmer
       
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