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       # taz.de -- Debatte über Liaison im Senat: Wo ist der Schaden für Berlin?
       
       > Die Beziehung zwischen Regierungschef Wegner und der Bildungssenatorin
       > beschäftigt viele gerade weit mehr als Berlins eigentliche Probleme –
       > leider.
       
   IMG Bild: Zwei Senatsmitglieder, die mehr als ihr CDU-Parteibuch verbindet: Bildungssenatorin Günther-Wünsch und Regierungschef Wegner
       
       So voll wie an diesem Dienstag war der Presseraum im Roten Rathaus lange
       nicht, vor allem nicht gleich nach Ferienende. Das hat genau einen Grund.
       Und der ist nicht, dass Berlin zu wenig Wohnungen hat. Oder so verzweifelt
       nach Unterkünften für Flüchtlinge sucht, dass auch das Tempelhofer Feld
       nicht mehr sakrosankt ist. Oder dass Berlin ein großes Verkehrsproblem hat.
       Nichts davon ist gerade das beherrschende Thema in Politikerkreisen oder in
       vielen Zeitungsschlagzeilen. Stattdessen geht es um eine Beziehung des
       Regierungschefs Kai Wegner.
       
       Beziehung? Womöglich zur organisierten Kriminalität oder zu rechtsextremen
       Kreisen? Nein, zu der in seinem Kabinett fürs Thema Bildung
       verantwortlichen Frau, Katharina Günther-Wünsch, wie Wegner von der CDU.
       Die, so lautet der unterschwellige Vorwurf, soll er deshalb und aus keinem
       anderen Grund, etwa wegen Befähigung, zur Senatorin gemacht haben und im
       Zweifelsfall bevorteilen.
       
       Ja, das ist schon schlimm, klingt es irgendwie, denn die hat ja bestimmt
       keine Ahnung und Berlin deshalb seit ihrer Ernennung Ende April viel
       Schaden zugefügt. Ist das so? Schauen wir doch mal, wie der nicht gerade
       CDU-nahe und in der Bildungspolitik sehr kenntnisreiche Tagesspiegel
       [1][über die 41-jährige Ex-Vizeschulleiterin] urteilt: Sie sei „die erste
       Bildungssenatorin seit Jahrzehnten mit Format“. Ein Schaden für die Stadt?
       
       Ja, aber wenn es nun mal Zoff gibt mit ihr im Senat, dann ist der Wegner
       doch befangen. Ja, und? Dann macht er, was 2023 im grün geführten
       Bundeswirtschaftsministerium bei der Besetzung eines wichtigen Postens eben
       nicht passierte: Leute entscheiden lassen, die unbefangen sind. Wofür hat
       der Regierende Bürgermeister schließlich sogar zwei [2][Vizes, Stefan Evers
       (CDU) und Franziska Giffey (SPD)]? Naheliegenderweise hat der Senat genau
       das am Dienstag auf Vorschlag Wegners beschlossen und lässt es im so gut
       gefüllten Presseraum verlauten. Die SPD-Fraktion wird später kommentieren:
       Es bleibe abzuwarten, ob dieser Schritt „stabiles und verlässliches
       Regieren“ gewährleiste.
       
       ## Drängen auf Compliance-Regeln
       
       Aus der Opposition gibt es Druck, die Sache so zu handhaben, wie es viele
       große Unternehmen, Behörden und auch Landesbetriebe tun: Dort ist geregelt,
       dass zwei sich derart nahe stehende Menschen nicht zusammen arbeiten
       dürfen, alles unter dem viel benutzten Oberbegriff „Compliance“.
       
       Aber kann eine Regel gut sein, die die bestmögliche Besetzung einer Stelle
       aus formalen Gründen verhindert? Beispielhaft dafür: Als die SPD 2011 in
       Hamburg die absolute Mehrheit holte, wäre Britta Ernst als damals
       parteiübergreifend anerkannte führende SPD-Fachpolitikerin eigentlich die
       erste Wahl als Bildungssenatorin gewesen. Aber sie blieb außen vor, weil
       der neue Regierungschef ihr Lebensgefährte Olaf Scholz war und es nicht
       vermittelbar schien, dass nun ein Paar im Kabinett sitzen sollte. Schul-
       oder Bildungsministerin konnte sie erst später werden – in
       Schleswig-Holstein und Brandenburg.
       
       Andere haben es anders gemacht, haben sich mehr getraut, etwa im Fußball:
       Herthas Trainer Pál Dárdai stellte Ende Juli sogar alle seine drei Söhne
       auf, nicht in einem bedeutungslosen Freundschaftsspiel, sondern im
       Erstliga-Spiel gegen Fortuna Düsseldorf. Bevorzugung aus familiären
       Gründen? Vor Zehntausenden selbsternannten Co-Trainern im Stadion und noch
       mehr vor dem Fernseher? Und auch ein Regierender Bürgermeister agiert nicht
       gerade unterhalb des Radars.
       
       Auch politisch ist Kai Wegner in guter Gesellschaft. Denn wer war nochmal
       das berühmteste Brüderpaar in der neueren Politikhistorie? Genau, die
       Kennedys in den USA. Präsident John F. berief Robert „Bobby“ gleich nach
       seinem Wahlsieg 1960 zum Justizminister. War das Vetternwirtschaft zum
       Schaden der USA? Bei einem Mann, der möglicherweise später selbst
       US-Präsident geworden wäre?
       
       So hat die CDU durch das vermeintliche Beziehungsproblem
       Wegner/Günther-Wünsch mit über 22 Jahren Verspätung indirekt also doch noch
       einen „Kennedy von der Spree“ im Roten Rathaus. So war 2001 wegen seines
       Aussehens [3][der CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel tituliert worden] – der
       aber bei der damaligen Berlin-Wahl anders als Wegner 2023 klar scheiterte.
       
       9 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.tagesspiegel.de/meinung/liaison-im-berliner-senat-viel-gluck-aber-das-kann-nicht-gutgehen-11010187.html
   DIR [2] https://www.berlin.de/rbmskzl/politik/senat/senatsmitglieder/
   DIR [3] /Archiv-Suche/!1166801&s=der+kennedy+von+der+spree+steffel&SuchRahmen=Print/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
       ## TAGS
       
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