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       # taz.de -- Rohstoffe für die Transformation: Norwegen gestattet Tiefseebergbau
       
       > Bodenschätze auf dem Meeresgrund wie Manganknollen heizen wirtschaftliche
       > Fantasien an. Norwegen erlaubt als erstes Land nun den kommerziellen
       > Abbau.
       
   IMG Bild: Protestierende gegen die Legalisierung des Tiefseebergbaus vor dem norwegischen Parlament in Oslo am Montag
       
       Hamburg taz | Fordert die Energiewende ihren Preis? Bisher wird
       Tiefseebergbau noch nirgendwo auf der Welt kommerziell betrieben. Doch nun
       [1][macht Norwegen als erstes Land in Europa den Weg frei für marine
       Bodenschätze]. Die norwegische Minderheitsregierung des Sozialdemokraten
       Jonas Gahr Støre hatte sich mit zwei Oppositionsparteien – der
       konservativen Partei Høyre und der rechtsextremen Fortschrittspartei – auf
       eine Legalisierung des Tiefseebergbaus verständigt. Am Dienstagnachmittag
       stimmte nun auch die Mehrheit des Parlaments in Oslo zu.
       
       Die Öl- und Gasnation Norwegen soll über große Vorkommen von Mineralien auf
       dem Meeresgrund verfügen, die etwa für [2][Windkrafträder oder Batterien
       für Elektroautos benötigt werden]. Das nun ins Auge gefasste Gebiet in der
       Arktis ist rund 280.000 Quadratkilometer groß, was nahezu der Fläche der
       Bundesrepublik entspricht.
       
       Bislang galt der kleine Pazifikstaat Nauru als Vorreiter des
       Tiefseebergbaus. Eine Kooperation mit dem an der Wall Street notierten
       Rohstoffkonzern The Metals Company (TMC) hat aber bislang noch zu keinem
       Abbau von Manganknollen geführt, die hier in 4.000 bis 6.000 Metern Tiefe
       auf dem Meeresboden ruhen.
       
       Grundsätzlich erlaubt das internationale Seerecht – darauf beruft sich auch
       Norwegen – einen Bergbau innerhalb der „Ausschließlichen Wirtschaftszone“.
       Diese reicht von der Küste aus bis 200 Seemeilen (etwa 350 Kilometer) ins
       Meer. Jenseits dieser Zone beginnt völkerrechtlich die „Hohe See“. Und hier
       gilt für den Meeresboden ein System vergleichsweise strenger,
       internationaler Vorgaben. Das 1982 [3][von den Vereinten Nationen
       beschlossene Seerechtsübereinkommen UNCLOS] erklärt alle Ressourcen zum
       „gemeinsamen Menschheitserbe“. Die Hohe See macht fast die Hälfte der
       gesamten Erdoberfläche aus. Verwaltet wird sie von der Meeresbodenbehörde
       ISA auf Jamaika, der 167 Länder und die EU angehören.
       
       ## „Unnötige Zerstörung“
       
       Bislang erlaubt die UN-Behörde hier lediglich die Erforschung des
       Meeresbodens. Die ISA hat dazu ein gutes Dutzend Explorationslizenzen
       erteilt, unter anderem an Russland, China und Deutschland.
       
       Bundesregierung und Europäische Union treten dafür ein, das Moratorium
       fortzusetzen, das bislang den Bergbau auf Hoher See untersagt. Nach dem
       [4][jüngsten Scheitern der Verhandlungen im Juli soll nun ein verbindliches
       Regelwerk bis 2026 erarbeitet] werden. Diese würde dann zwar nicht für die
       nationalen Ausschließlichen Wirtschaftszonen gelten, doch Norwegen dürfte
       vor einem politischen Alleingang zurückschrecken.
       
       Vor dem Parlament in Oslo hatten Aktivisten und Umweltorganisationen am
       Dienstag gegen die Legalisierung des Tiefseebergbaus protestiert. Auch in
       Deutschland befürchten Nichtregierungsorganisation wie Greenpeace oder WWF,
       dass der großflächige Abbau von Rohstoffen [5][„unkalkulierbare
       Auswirkungen auf die sensiblen Lebensräume und Artenvielfalt“] im Meer
       habe. Zudem seien für die Energiewende keine Rohstoffe aus der Tiefsee
       notwendig, war wiederholt aus dem Öko-Institut in Freiburg, aber auch aus
       der deutschen Industrie zu vernehmen. Ökonomen weisen zusätzlich auf
       extreme technische Herausforderungen und hohe Preise hin, weswegen die
       Förderung „mariner mineralischer Rohstoffe“ aus großen Wassertiefen
       unwirtschaftlich sei.
       
       10 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Oslo-will-Tiefseebergbau-erlauben/!5961097
   DIR [2] /Meere-als-Bergbaureviere/!5822108
   DIR [3] https://www.un.org/depts/los/convention_agreements/texts/unclos/unclos_e.pdf
   DIR [4] /Bergbau-auf-dem-Meeresboden/!5946114
   DIR [5] /!s=tiefseebergbau++artenvielfalt/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Hermannus Pfeiffer
       
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