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       # taz.de -- Neujahresauftakt der Linkspartei: Zwischen Neustart und Kranzabwurf
       
       > In der Berliner Stadtmission besinnt sich die Linke auf ihre
       > Sozialpolitik. Zum Jahresauftakt gibt sie sich kämpferisch – trotz
       > gelichteter Reihen.
       
   IMG Bild: Linken-Vorsitzende Martin Schirdewan und Janine Wissler beim Gedenken an die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
       
       Berlin taz | Um kurz nach 10 Uhr am Sonntag setzt sich der Pulk vor der
       Gedenkstätte der Sozialisten auf dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde in
       Berlin in Bewegung. In der Mitte laufen Janine Wissler und Martin
       Schirdewan. Die Linksparteivorsitzenden tragen einen großen Kranz, den sie
       in Gedenken an die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht vor 105
       Jahren zwischen deren Grabplatten ablegen. Es scheint zu sein wie immer.
       
       Tatsächlich lässt sich nur an Kleinigkeiten erkennen, dass es das in diesem
       Jahr nicht ist. So muss sich [1][Ex-Fraktionschef Dietmar Bartsch] einen
       Kranz mit den beiden Berliner Bundestagsabgeordneten Petra Pau und Gesine
       Lötzsch teilen, um weiter ganz vorne dabei zu sein. Da es [2][keine
       Linksfraktion mehr] gibt, gibt es auch keine Fraktionsführung mit eigenem
       Kranz. Und als Gruppe anerkannt sind die verbliebenen Linken im Bundestag
       ja noch nicht.
       
       Von ihren einstigen Fraktionskolleg:innen, die sich [3][als „Bündnis Sahra
       Wagenknecht“ (BSW) abgespalten] haben, lässt sich niemand am Morgen beim
       stillen Gedenken blicken. Das ist bei der später stattfindenden
       Demonstration anders. Wie üblich läuft Sevim Dağdelen in der ersten Reihe.
       Doch sie ist die einzige führende BSWlerin, die zu sehen ist. Auf ihre
       früheren Genoss:innen trifft sie nicht. Als Dağdelen mit den diversen
       linken Grüppchen mit ihren roten Fahnen und eigentümlichen Parolen an der
       Gedenkstätte eintrifft, sind die Repräsentant:innen der Linkspartei
       längst wieder von dannen gezogen. Schirdewan hat noch einen Fototermin für
       die Werbekampagne zur Europawahl in Neukölln, Wissler zieht es zur
       Anti-AfD-Kundgebung am Brandenburger Tor.
       
       Für die beiden ist das der Abschluss eines langen Wochenendes, das [4][am
       Freitag] mit einer zweitägigen Jahresauftaktveranstaltung der Linken in der
       Berliner Stadtmission begann. Die im ehemaligen Arbeiterviertel Moabit
       gelegene Stadtmission ist ein denkbar unglamouröser Ort. Der Haupteingang
       ist wegen Bauarbeiten gesperrt, auf dem Gelände stapeln sich Decken der
       Kältehilfe, die Obdachlose vor dem Erfrieren retten sollen. Es gibt dort
       eine Ambulanz, eine Kleiderkammer und Notübernachtungsplätze, die sichtlich
       sehr begehrt sind.
       
       Dass sich die Linke diesen Ort ausgesucht hat, ist einerseits als Botschaft
       zu verstehen: Wir stehen an der Seite der Menschen in Not. Andererseits
       konfrontiert es die mehr als 300 Teilnehmer:innen des Kongresses mit
       einer Realität, mit der viele von ihnen zuvor wohl vor allem in der Theorie
       zu tun gehabt haben dürften. Da bekommen Diskussionen über [5][„Europa für
       alle: Umverteilen für soziale Gerechtigkeit“], [6][„Mehr Sozialismus
       wagen?“] oder [7][„Klima, Klasse, Linkspartei – Wie gelingt uns
       Klimapolitik für alle?“] gleich eine handfestere Bedeutung.
       
       „Wir brauchen endlich eine Umverteilung von gesellschaftlichem Reichtum“,
       sagte Wissler in ihrer Rede am Samstag. „Wir wollen nicht, dass die Normal-
       und die Geringverdiener, die Armen und die noch Ärmeren sich um die
       Brotkrumen streiten.“ Und selbstverständlich gehe es in diesem Jahr auch
       darum, sich mit aller Kraft der Gefahr von rechts entgegenzustellen. „Dafür
       brauchen wir eine starke Linke, die Hass und Hetze einen Pol der Hoffnung
       entgegensetzt und den Grundgedanken der Solidarität stark macht.“
       
       Dazu wäre es allerdings zunächst erforderlich, dass die Linkspartei ihre
       tiefe Krise überwindet. Ob ihr das gelingt, ist offen. Der lange
       innerparteiliche Streit mit Wagenknecht und ihrer Anhänger:innenschaft
       hat tiefe Spuren hinterlassen. Doch aufgegeben hat sich die Partei
       offensichtlich noch nicht. Die Linkspartei habe jetzt die Chance, eine
       politische Kultur zu entwickeln, in der man streitbar sein kann, ohne
       zerstritten zu sein, sagte der sächsische Landesvorsitzende Stefan
       Hartmann. Voraussetzung dafür sei, dass „wir gemeinsam sagen, auf dieser
       Seite der Barrikade in der Gesellschaft kämpfen wir zusammen“.
       
       15 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR [6] https://www.youtube.com/live/fZvs32aFAcI?feature=shared
   DIR [7] https://www.youtube.com/live/unGm086P4Y8?feature=shared
       
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