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       # taz.de -- Über Streik, schlechte Witze und die AfD: Aufs Glatteis geführt
       
       > Die Bauern und Lokführer zwingen uns aufs Rad. Die AfD die bürgerliche
       > Mitte endlich aktiv zu werden. Und Jo Koy wirft Witzeschreiber untern
       > Bus.
       
   IMG Bild: Jo Koy macht bei den GOlden Globes sexistische Witze – und schiebt die Schuld dann auf andere
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Wen von „Remigration“ gefaselt, statt „Deportation“ benannt wurde.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Bewusstsein darüber.
       
       [1][Landwirte blockieren Straßen], auf den Schienen streikten die
       Lokführer. So manch einer musste bei Minustemperaturen und Glatteis aufs
       Fahrrad umsteigen. Wo liegen die Grenzen des Arbeitskampfs? 
       
       Wenn man die Zehen nicht mehr spürt oder bei der Arschbombe auf die Hüfte
       knallt. In der vielstimmigen Empörung allerseits begegnen einander zwei
       hübsch absurde Spießbürgereien: Einerseits die Idee, es dürfe nur gestreikt
       werden, wenn’s keiner merkt. Andererseits Weltuntergangsfantasien, wenn die
       Demokratie mal rustikal vor die Leitplanken dullert. Die Lokführer streiken
       für mehr Geld – Klassiker. Die Bauern schieben ihren Verteilungskampf der
       Politik in die Schuhe – auch nicht gerade neu. Dass solche traditionellen
       Konflikte mit Umsturzplänen und Systemopposition von rechts gedopt werden,
       ist wesentlich gefährlicheres Glatteis.
       
       [2][Südafrika wirft Israel Völkermord vor.] Wird das Land mit seiner Klage
       vor dem Internationalen Gerichtshof Erfolg haben? 
       
       Hat bereits. Denn bisher hat Israel dem Gerichtshof gegenüber keine
       Unterwerfungserklärung abgegeben und erkennt seine Zuständigkeit nicht an.
       Allein in Israels Mitwirkung am Verfahren liegt also ein Erfolg für die
       universellen Menschenrechte. Nun nimmt man ein hohes Risiko, denn der
       Prozess watet knietief im Konjunktiv: Im Eilverfahren genügt der Verdacht,
       Handlungen Israels fielen unter die Völkermord-Ächtung. Dieser Verdacht
       lässt sich aus Äußerungen von Koalitionsparteien, Ministern und
       Armeevertretern Israels plausibel montieren. Womöglich wird sich in vielen
       Jahren im Hauptsacheverfahren herausstellen, dass völkermörderische
       Absichten erklärt, Taten jedoch nicht nachgewiesen wurden. Israel wird
       einen Freispruch akzeptieren oder einen Schuldspruch ignorieren.
       
       Bei den Golden Globes sorgte Moderator Jo Koy mit sexistischen Witzen für
       Kopfschütteln. Hat die Filmwelt denn nichts aus den feministischen
       Statements von „Barbie“ gelernt? 
       
       Steve Martin, Whoopi Goldberg und Howard Stern sprangen Koy inzwischen bei:
       Preisverleihungen sind notorische Minengürtel für Moderatoren; im Saal
       sitzen ausschließlich Leute, die es ihrer Meinung nach besser könnten. Und
       in der Regel geben die Hosts ihnen tatkräftig recht. Koy hatte die
       suizidale Bonusidee, seine Witzeschreiber vor den Bus zu werfen: Ihr Streik
       sei schuld an seinem lausigen Monolog. Das war der kürzeste Weg zum Buhruf.
       
       [3][Eine Correctiv-Recherche hat enthüllt,] dass AfD-Politiker, Neonazis
       und reiche Unternehmer im November in einem Hotel in Potsdam
       zusammengekommen sind, um die Deportation von Millionen von Menschen aus
       Deutschland zu planen. Was spricht dafür, die AfD nun endlich zu verbieten? 
       
       Die Trägheit der Masse. Die Recherche ist verdienstvoll – doch jedes andere
       Ergebnis hätte mehr verblüfft: „AfD und Werte-Union reden nicht mit
       rassistischen Vollspinnern“ wäre die größere Überraschung gewesen. Schwingt
       sich der Rechtsmorast zum Regieren auf, wird also als Erstes ungefähr das
       komplette Ruhrgebiet deportiert, samt vieler AfD-Wähler. Dass sich nun
       Widerstand in der Mitte regt, ist ein überfälliges Zeichen. Demokratie ist,
       was man daraus macht. Ein Verbot ist juristisch heikel, Wasser auf die
       Mühlen der AfD und ersetzt keinen Bewusstseinswandel.
       
       Apropos AfD: [4][Sahra Wagenknecht hat offiziell ihre Partei gegründet].
       Ist sie vielleicht das Wundermittel gegen rechts? 
       
       Noch nicht oder schon nicht mehr: 4 Prozent sagt die jüngste Forsa-Umfrage
       der Stiftung Wagenknecht voraus, in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Vor
       den Wahlen dort im September wird die Europawahl im Mai die Frage
       vorentscheiden. Also die, ob rechts ein Wundermittel gegen rechts ist.
       
       [5][Franz Beckenbauer ist tot.] Was halten Sie davon, wenn die
       Allianz-Arena in München ihm zu Ehren einen neuen Namen erhält? 
       
       Beim Drittligisten Rot Weiss Essen wurde das Stadion durch Fundraising auf
       einen Traditionsnamen umgetopft. Von Fans. Das sind so Leute, die ihren
       Club unabhängig vom Erfolg supporten, um es Bayern zu erklären.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Dortmunds Marco Reus ist knapp ein Jahr jünger als der Bundestrainer.
       Erzielt aber deutlich mehr Tore. Fragen: Clara Löffler
       
       Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und wechselt aufs
       Mountainbike.
       
       14 Jan 2024
       
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