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       # taz.de -- Hamburgs Schulsenator hört auf: Der Oberlehrer geht
       
       > Schulsenator Ties Rabe (SPD) ist am Montag nach 13 Jahren aus
       > gesundheitlichen Gründen zurückgetreten. Die Linke sieht darin auch eine
       > Chance.
       
   IMG Bild: Trat am Montag zurück: Seit 2011 war Ties Rabe Hamburgs Schulsenator
       
       Hamburg taz | Im vergangenen September hatte der Senator eine seiner
       häufigen Pressekonferenzen zum Fortschreiten des Schulbaus abgesagt, aus
       gesundheitlichen Gründen. Das war schon ungewöhnlich. Diesen Montag nun
       meldete das Hamburger Abendblatt als erstes, dass Ties Rabe [1][nach 13
       Jahren als Schulsenator] am Abend zurück tritt. Die körperliche Belastung
       durch sein Spitzenamt habe Spuren hinterlassen. Nun folge der 63-Jährige
       dem dringenden Rat seiner Ärzte, kürzer zu treten, schrieb das Blatt. Die
       SPD-Fraktion bestätige dies kurz darauf, und sprach von „privaten Gründen“.
       
       Rabe war 2011, als der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) ihn zum
       Schulsenator machte, ein Überraschungskandidat. Und nahezu eine Provokation
       in diesem Amt. Denn Rabe hatte zuvor eine verkürzte, halbe Legislatur lang
       in der Opposition die Schulpolitik seiner Grünen-Vorgängerin Christa
       Goetsch hart attackiert und galt lange Zeit als Wegbereiter jener Bewegung
       von Gymnasialeltern, die Teufel komm raus die sechsjährige Grundschule
       verhindern wollten und dies 2010 mit einem Volksentscheid auch schafften.
       
       Rabe war selber Gymnasiallehrer und hatte mit moderner, neuer Lernkultur
       nicht viel am Hut. Aber er setzte etliche Reformen um, die unter der zuvor
       gescheiterten schwarz-grünen Regierung schon angeschoben wurden. So
       schaffte Hamburg zum Beispiel das Sitzenbleiben ab, setzte das Recht auf
       inklusive Beschulung um und baute alle Grundschulen – meist durch eine
       additive, nachmittäglich Betreuung – zu Ganztagsschulen aus.
       
       Und Rabe verwaltete jenen „Schulfrieden“, der 2010 zwischen allen
       Rathaus-Fraktionen außer der Linken geschlossen wurde und der besagte, dass
       man für zehn Jahre das Gymnasium nicht antastet und sich „Schule für
       alle“-Diskussionen verkneift. 2019 wurde dieser Pakt um weitere fünf Jahre
       verlängert, und der FDP und CDU zugestanden, dass in den Bildungsplänen
       wieder mehr Faktenwissen verankert sein soll.
       
       ## Zu viel „old school“
       
       Der auch stets akkurat mit Schlips und Anzug gekleidete Rabe hat mit seiner
       Schulpolitik stets der konservativen Presse gut gefallen. In Kreisen, die
       Schule modernisieren und erneuern wollten, war er deshalb um so weniger
       beliebt.
       
       Wegen dem im stillen Kämmerlein verhandelten zweiten Schulfrieden trat im
       September 2019 sogar ein breites Bildungsbündnis „Mehr Zukunft in Schule“
       auf den Plan, in dem sich Pädagogen, Eltern und Schüler über zu viel „old
       school“ in der Schulpolitik beklagten – mit dabei waren übrigens auch die
       Schulleiter der Gymnasien. Und als Rabe vor einem Jahr seine neuen
       Bildungspläne vorstellte, drohten seine Kritiker gar mit einer
       Volksinitiative.
       
       Und doch gilt Rabes Politik als erfolgreich. Dies hallte auch in den
       Statements der Politiker zu seinem bevorstehenden Rücktritt wieder. Als
       Erfolg gilt auch, dass der Mann auf diesem Posten überhaupt so viele Jahre
       durchgehalten hat, [2][einschließlich der schwierigen Coronazeit.]
       
       Seine Nachfolgerin soll die bisherige stellvertretende
       SPD-Fraktionsvorsitzende Ksenija Bekeris werden. Die 45-Jährige ist
       Berufsschullehrerin und seit 16 Jahren im Parlament, ist aber
       schulpolitisch ein unerfahrenes Blatt. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf
       sagte, Bekeris werde „ihre große Fachkompetenz“ von Nutzen sein. Wer sie
       kenne, wisse, dass sie als Berufsschullehrerin Hamburgs Schulen aus der
       Praxis kenne und „für Bildungs- und Chancengerechtigkeit brennt“.
       
       ## Linke hoffen auf gerechtere Bildung
       
       Die Linke Schulpolitikerin Sabine Boeddinghaus, die früher selber in der
       SPD war und Rabe noch als Genosse kannte, war all die Jahre seine schärfste
       Kritikerin. Sie sagte, sie wünsche Rabe rasche Genesung und bedanke sich
       für seine engagierte Arbeit.
       
       Sein Rücktritt von der Behördenspitze bedeute aber auch, dass sich nach 13
       schwierigen Jahren die Kommunikation mit den bildungspolitischen Gremien,
       Initiativen und Interessenverbänden „wesentlich verbessern“ könne. „Echte
       Augenhöhe und Mitwirkung, das wäre mein Wunsch an Ksenija Bekeris“, sagte
       sie. „Außerdem sehe ich die Chance, dass Bildung gerechter wird.“
       
       Bekeris hat nun noch gut ein Jahr Zeit bis zur Hamburg-Wahl, um sich auf
       dem Posten zu profilieren, an dem künftig auch [3][die Grünen, die kürzlich
       ein innovatives Bildungsprogramm verfassten, wieder Interesse haben
       könnten.] Gleich mehrere Grünen-Politikerinnen dankten Rabe für seine
       Arbeit und wünschten der Nachfolgerin alles Gute. Die Landeschefin Maryam
       Blumenthal sagte, Bekeris trete ihr Amt in herausfordernden Zeiten an. Auch
       sie nannte die „Verbesserung von Bildungsgerechtigkeit“ als dringende
       Aufgabe.
       
       15 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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