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       # taz.de -- Auftragssongs für Mexikos Drogenbosse: Peso Pluma schreibt fürs Kartell
       
       > Musiker Peso Pluma besingt Mexikos Narco-Bosse – und alle lieben ihn
       > dafür. Fast alle. Denn der Drogenkrieg zieht auch an Pluma nicht vorbei.
       
   IMG Bild: Peso Pluma
       
       Nun wird Peso Pluma doch singen. Vergangene Woche beschloss die Leitung des
       chilenischen „Festivals de Viña del Mar“, dass der mexikanische Musiker zum
       Abschluss seiner Veranstaltung am 1. März auftreten darf. Im Gegensatz zu
       einigen scharfen Kritiker*innen sahen die Ausrichter des „weltweit
       größten lateinamerikanischen Festivals“ kein Problem darin, dass der Sänger
       in seinen Texten [1][das kriminelle Sinaloa-Kartell] promotet, etwa, indem
       er in seinen Songs [2][Joaquín „El Chapo“ Guzmán], den in einem
       US-Gefängnis einsitzenden Boss der Mafiaorganisation, huldigt.
       
       Peso Plumas „Corridos tumbados“ sind eine durch Rap-Elemente aufgepeppte
       Form traditioneller mexikanischer Corridos, die mit Blasinstrumenten und
       Gitarren gespielt werden. Die Texte des 24-Jährigen orientieren sich an
       Narcocorridos, also an Liedern, die affirmativ den Lifestyle der
       Kriminellen beschreiben. Nicht selten werden Musiker dafür von einer
       Mafiabande bezahlt, und auch Peso Pluma, das „Federgewicht“, lässt keinen
       Zweifel an seinen Financiers.
       
       „Die Corridos sind Auftragsarbeiten“, erklärt der Sänger, der mit richtigem
       Namen Hassan Emilio Kabande Laija heißt. Er sieht das locker. Das sei, wie
       wenn jemand eine Pizza mit den jeweiligen Zutaten bestelle. „Man schreibt
       etwas und übergibt dann die Arbeit.“
       
       In seinem Fall sind [3][seine Auftraggeber eben Killer], die ihre Feinde
       gelegentlich an Brücken aufhängen oder in Säure auflösen, Frauen versklaven
       und zur Prostitution zwingen sowie tonnenweise Opiate verkaufen, an denen
       unzählige Menschen elend zugrunde gehen. Dennoch wäre es ungewöhnlich, den
       Künstler aus dem Festival auszuschließen bzw. ihn zu zensieren, wie manche
       Kommentator*innen meinten.
       
       ## Der Song mit den 956 Millionen Klicks
       
       Narcorridos zählen zur mexikanischen Kultur wie Tacos oder Totenfeiern.
       Warum also sollte man die Musiker in Chile nicht singen lassen? Zumal er
       derzeit zu den erfolgreichsten Musiker*innen auf dem amerikanischen
       Kontinent zählt. 411 Millionen Mal wurde sein Video zum aktuellen Hit
       [4][„Ella baila sola“ auf Youtube] angeschaut, bei Spotify hat der Song 956
       Millionen Klicks.
       
       „Der Künstler ist eine der Entdeckungen von 2023 und wurde mit den
       anerkanntesten internationalen Preisen der Unterhaltungsindustrie
       ausgezeichnet“, informierten die Ausrichter des mit öffentlichen Geldern
       geförderten Festivals in Viña del Mar.
       
       Der Wirbel um Peso Plumas Auftritt begann mit einem Kommentar des
       Politikers und Soziologen Alberto Mayol. Nein, es gehe nicht um Zensur,
       betonte er. Aber man müsse sich fragen, warum die Regierung Millionengelder
       für den meist erfolglosen Kampf gegen den Drogenhandel ausgebe und dann mit
       staatlichen Mitteln die Narcokultur fördere.
       
       In der Tat sollten sich öffentliche Stellen genau überlegen, wen sie in
       Zeiten promoten, in denen die Sicherheitslage im eigenen Land immer
       schwieriger wird und sich das Sinaloa-Kartell gerade weiter nördlich, in
       Ecuador, im Krieg mit der Regierung befindet. Genauso beunruhigend ist
       jedoch, dass sich Millionen Fans die Videos des Federgewichts anschauen und
       Zehntausende Jugendliche durchdrehen, wenn Peso Pluma in Los Angeles,
       Monterrey oder Mexiko-Stadt auf der Bühne steht.
       
       ## Maskierte Männern und gestylte Frauen
       
       Was begeistert die jungen Leute an den Oden an die Mafia? Warum schauen sie
       das Video des Songs „Der Kriegerische“, in dem er sich zwischen bewaffneten
       maskierten Männern und entsprechend gestylten Frauen räkelt, mit
       Sturmgewehren spielt und seine Gegner „auf den Friedhof schicken wird“?
       
       Im wirklichen Leben ist der Mann mit der fürchterlichen Vokuhila-Frisur
       freilich weit weniger cool. Im Oktober sollte er in Tijuana auftreten, doch
       das fanden die Rivalen der Sinaloa-Killer, das Jalisco-Kartell (CJNG),
       nicht wirklich gut. Er solle das besser bleiben lassen, hieß es auf
       Transparenten, die in der mexikanischen Grenzstadt an Brücken hingen,
       gezeichnet mit „CJNG“. Und: „Es wäre dein letzter Auftritt, wegen deiner
       Respektlosigkeit und deinem losen Mundwerk.“ Peso Pluma hat dann doch
       lieber auf sein Konzert verzichtet. Zensur à la mexicana.
       
       17 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ex-Minister-Mexikos-in-USA-verhaftet/!5649273
   DIR [2] /Strafmass-fuer-Joaquin-Guzman-verkuendet/!5612369
   DIR [3] /Berlinale-Film-ueber-Mexikos-Drogenkrieg/!5073390
   DIR [4] https://youtu.be/lZiaYpD9ZrI?si=b3DO_jmB6_BFUsHz
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Wolf-Dieter Vogel
       
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