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       # taz.de -- Streit um Nationalpark Ostsee: Nicht auf einer Wellenlänge
       
       > Der Konsultationsprozess zum Ostsee-Nationalpark ist gescheitert: Der
       > Abschlussbericht beschreibt fehlenden Willen zur Kommunikation.
       
   IMG Bild: Geht auch auf der Ostsee gut, wird von Umweltschützern aber nicht allzu gern gesehen: Surfen
       
       Rendsburg taz | Erst mit den Betroffenen reden, dann politisch entscheiden
       – mit einem aufwändigen Verfahren wollte der grüne Umweltminister Tobias
       Goldschmidt über den schlechten Zustand der Ostsee informieren und für sein
       Anliegen werben, [1][das Binnenmeer durch den Status als Nationalpark
       besser zu schützen]. Am Ende des Konsultationsprozesses steht ein negatives
       Fazit: Die meisten Beteiligten der Workshops und Treffen wollten nicht
       diskutieren, sondern nur ihre Meinung loswerden. Mehr Schutz für das Meer
       wird es dennoch geben – aber wie der aussehen könnte, ist offen.
       
       „Die deutliche Verweigerung der inhaltlichen Arbeit hat uns erstaunt“,
       heißt es [2][im Abschlussbericht der Beratungs- und Coachingfirma
       Eisenschmidt Consulting Crew], die die Workshops im Auftrag des Umwelt- und
       Energieministeriums organisierte. Bei acht Fachtreffen sowie einem
       übergreifenden „Verzahnungsworkshop“ entlang der Ostseeküste trafen
       Fachleute für alle Themen rund um die Ostsee zusammen, darunter Land- und
       Wasserwirtschaft, Tourismus, Fischerei und Naturschutz. Die Eingeladenen
       waren sorgfältig ausgewählt: Verbände von Interessensgruppen sowie
       regionale Organisationen wurden angeschrieben und gebeten, kompetente
       Mitglieder zu entsenden. Die Fachabteilung des Ministeriums war vertreten,
       Minister Goldschmidt oder seine Staatssekretärin Katja Günther kamen
       jeweils dazu.
       
       Am Anfang jedes Workshops stand eine Runde mit Informationen: Es ging um
       den Zustand des Meeres, um Nationalparks generell und die geplante
       Gebietskulisse in der Ostsee. Dann diskutierten die Beteiligten offene
       Fragen und setzten sich mit den möglichen Folgen des Nationalparks
       auseinander – so war es zumindest vorgesehen. Die Realität sah anders aus:
       „Unserer Beobachtung nach fand wenig echter Diskurs statt“, heißt es im
       Abschlussbericht. „In den meisten Fällen schien die Meinung bereits
       festzustehen.“ Erstaunt habe „die Vehemenz, mit der die Ablehnung des
       Nationalparks zum Ausdruck gebracht wurde“.
       
       ## Befragte Schleswig-Holsteiner:innen wollen Nationalpark
       
       Bis auf die Naturschutz-Gruppe lehnten alle anderen Workshops mehrheitlich
       die Idee ab, einen Teil der Ostsee in einen Nationalpark zu verwandeln und
       damit Schutzzonen für Fische und Riffe zu definieren. Nur wenige der
       Beteiligten erkannten Vorteile, etwa für den Tourismus oder die Kommunen.
       
       Das laute Nein der Interessengruppen widerspricht einer Umfrage, [3][die
       der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) vor wenigen Tagen
       veröffentlichte]. Demnach halten 54 Prozent der befragten
       Schleswig-Holsteiner:innen einen Nationalpark für „sinnvoll“. Weniger als
       ein Drittel, 28 Prozent, sagen dagegen, er sei „nicht sinnvoll“, der Rest
       ist unentschieden. Dass ein Park den Zustand des Meeres verbessern könne,
       glauben 55 Prozent. Die größte Zustimmung kam von Grünen-Wähler:innen, aber
       auch CDU-Anhänger:innen begrüßten mehr Schutz für die Ostsee.
       
       An der Umfrage gab es Kritik, etwa von Jochen Czwalina aus Fehmarn, der die
       Park-kritische Seite nationalpark-ostsee.de betreibt. Er hält die Fragen
       für unkorrekt und das Ergebnis damit für nicht verwertbar, weil nicht
       deutlich sei, dass der Nationalpark im deutschen Teil der Ostsee errichtet
       werden solle.
       
       Allerdings ergab die Umfrage auch, dass mehr als 70 Prozent der 1.500
       Befragten von der Diskussion um einen Park vor Schleswig-Holsteins Küste
       wussten. Es lässt sich also aus dem Aufbau des Fragebogens durchaus
       schließen, dass sich die folgenden Fragen auf eben diesen Nationalpark
       bezogen. Ole Eggers, Geschäftsführer des BUND Schleswig-Holstein, freute
       sich über das Ergebnis: „Es macht Mut und bestärkt uns darin, weiterhin für
       einen Nationalpark einzutreten.“
       
       Auf den politischen Prozess haben weder die Umfrage noch der
       Konsultationsprozess eine Auswirkung. In ihrem Koalitionsvertrag hatten
       sich CDU und Grüne auf ein zweistufiges Verfahren geeinigt: Den „intensiven
       Konsultationsprozess“, der jetzt abgeschlossen ist, und die Entscheidung im
       Kabinett.
       
       ## Die Grünen wollen den Nationalpark, die CDU nicht
       
       Die Positionen sind dabei eindeutig und durch Parteitagsbeschlüsse
       bestätigt: Die Grünen sind für einen Nationalpark, die CDU ist dagegen.
       Gleichzeitig gibt es in den Parteien, aber auch bei Vereinen und
       Organisationen eine Bereitschaft, den Schutz des stark befahrenen und
       überfischten Binnengewässers zu verbessern: „Die wissenschaftliche
       Faktenlage ist klar“, sagt die naturschutzpolitische Sprecherin der
       Landtagsfraktion der Grünen, Silke Backsen. „Wir haben kein Erkenntnis-
       sondern ein Umsetzungsproblem beim Meeresschutz.“
       
       Unklar sind nur die Mittel. Eine [4][„Zukunftsallianz Ostsee“] schlug der
       Unternehmensverband Nord bereits im vergangenen September vor und
       versprach, sich „personell und finanziell zu beteiligen“. In eine ähnliche
       Richtung geht ein Antrag mehrerer CDU-Kreisverbände, die beim Parteitag im
       Oktober ein Sechs-Punkte-Programm vorschlugen. Es setzt darauf, neue
       freiwillige Vereinbarungen zu treffen, aber auch „bestehendes Ordnungsrecht
       konsequent anzuwenden“. Landesparteichef und Ministerpräsident Daniel
       Günther machte deutlich, dass der bisherige Schutz der Ostsee nicht
       ausreiche: „Es kann keinen Status quo geben.“
       
       Für Umweltminister Tobias Goldschmidt ist das Nationalpark-Projekt ein
       Kernstück seiner jetzigen Amtszeit. Er nannte den Abschlussbericht einen
       „wichtigen Baustein“ für die Entscheidung. Alle Hinweise und Informationen
       würden nun ausgewertet und in einen Vorschlag für einen besseren
       Ostseeschutz einfließen. Zu diesem besseren Schutz hätten sich alle
       Beteiligten bekannt, sagte Goldschmidt. Das sei, trotz allem, ein
       „Hoffnungsschimmer für das kranke Meer vor unserer Haustür“.
       
       16 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Streit-um-Schutz-der-Ostsee/!5926199
   DIR [2] https://www.schleswig-holstein.de/DE/landesregierung/themen/kueste-wasser-meer/konsultationsprozess-ostsee/downloads/downloads-konsultationsprozess/download_abschlussbericht_ecc.pdf?__blob=publicationFile&v=2
   DIR [3] https://www.bund-sh.de/presse/pressemitteilungen/detail/news/umfrage-zeigt-mehrheit-in-schleswig-holstein-unterstuetzt-nationalpark-ostsee/
   DIR [4] /!5959867/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Esther Geißlinger
       
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