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       # taz.de -- Debatte um Waffenlieferungen an Ukraine: Gamechanger dringend gesucht
       
       > Die Ukraine erzielt gegen Russland nur mäßige militärische Erfolge. Der
       > Druck auf die Bundesregierung steigt, den Marschflugkörper Taurus zu
       > liefern.
       
   IMG Bild: Selenskyj will sich in Davos Gehör verschaffen
       
       Berlin taz | In wenigen Wochen jährt sich der Beginn des russischen
       Angriffskriegs auf die Ukraine zum zweiten Mal. Seit Februar 2022 ziehen
       sich die militärischen Einsätze auf beiden Seiten, ein Ende des Konflikts
       ist nicht in Sicht. [1][Allerdings ringt die Ukraine international um
       militärische und finanzielle Unterstützung.] Auf dem Weltwirtschaftsforum
       in Davos forderte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mehr Hilfen
       von den westlichen Verbündeten, um gegen die russische Aggression bestehen
       zu können. Wegen der Sorge im Westen, Russland könne den Konflikt weiter
       eskalieren, habe sein Land im Kampf gegen den Aggressor Zeit verloren,
       prangerte Selenskyj an.
       
       Der Faktor Zeit und die wenigen militärischen Fortschritte, aber auch die
       enorm hohe Zahl an toten Soldat:innen auf beiden Seiten lässt
       Forderungen nach einem Waffenstillstand lauter werden. Gesprächen wird sich
       die Ukraine nicht verweigern. Aber, so machte Selenskyj unmissverständlich
       klar, Voraussetzung für eine wie auch immer geartete Einigung sei, dass
       Russland das ukrainische Territorium verlasse. US-Außenminister Antony
       Blinken zeigte sich [2][skeptisch, was einen Waffenstillstand angeht].
       Dafür müsse Russland bereit sein, „in gutem Glauben zu verhandeln,
       basierend auf den Grundprinzipien, die durch seine Aggression infrage
       gestellt wurden – territoriale Integrität, Souveränität, Unabhängigkeit“,
       sagte Blinken ebenfalls in Davos.
       
       Auf die Unterstützung der Nato kann die Ukraine aber offenbar hoffen. „Die
       Ukraine wird unsere Unterstützung an jedem Tag haben, der noch kommt, weil
       dieser Krieg über das Schicksal der Welt entscheiden wird“, sagte der
       Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Admiral Rob Bauer, in Brüssel. In
       diesem Krieg sei es nie, wie von Putin kolportiert, um eine Bedrohung der
       russischen Sicherheit durch die Ukraine oder die Nato gegangen. Vielmehr
       gehe es um die Furcht Russlands vor der Demokratie. Schwerpunkt des
       zweitägigen Treffens des Nato-Militärausschusses ist die Militärübung
       Steadfast Defender, die größte Übung seit dem Kalten Krieg.
       
       Die militärische Situation in der Ukraine stagniert, aus den theoretischen
       Zusagen müssen praktische Lieferungen werden. Es braucht also dringend
       einen sogenannten „game changer“ in der militärischen Kriegsführung. Große
       Hoffnung liegt dabei auf der Lieferung von deutschen Marschflugkörpern vom
       Typ Taurus. Seit Monaten fordert die Ukraine von der Bundesregierung
       solches Kriegsgerät, das mit seinem Jetantrieb über 500 Kilometer weit
       fliegen kann.
       
       ## Durchschlagend und panzerbrechend
       
       Der Taurus wird von Kampfflugzeugen aus gestartet, ist mit Sprengstoff
       gefüllt und gilt als besonders durchschlagend und panzerbrechend. Zudem
       kann der Marschflugkörper feindliches Radar quasi unterfliegen und dadurch
       besonders zielgerichtet eingesetzt werden. Zerstört werden können damit
       auch Munitionsdepots oder gut gesicherte Kommandoposten. Während aus den
       Reihen der Grünen und der FDP Zustimmung für eine solche Lieferung an die
       Ukraine kommt, zögert Kanzler Scholz. Die Unionsfraktion erhöhte am
       Mittwochabend mit einem Entschließungsantrag den Druck auf die
       Bundesregierung.
       
       „Gerade angesichts des desaströsen Bildes, das die EU mit mangelnder
       Munitionsproduktion und der gebrochenen Zusage, der Ukraine eine Million
       Artilleriegranaten zu liefern, abgibt, ist Taurus dringend geboten“, sagte
       der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter der taz. Aus Sicht des
       CDU-Politikers könnten über den Einsatz des Marschflugkörpers die
       Versorgungslinien über die Krim abgeschnitten werden, die russischen
       Soldaten würden ohne großes Blutvergießen zum Aufgeben gezwungen und
       „Putins Machtbasis wäre zumindest angekratzt“. Das Ergebnis der
       namentlichen Abstimmung lag zu Redaktionsschluss noch nicht vor.
       
       Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) versicherte in einer
       Befragung durch das Parlament im Bundestag am Mittwochmittag allerdings,
       dass es vor allem darum gehe, immer abzuwägen, dass Deutschland nicht
       direkt zur Kriegspartei werde. Entscheidungen würden gemeinsam im Kabinett
       vorgenommen.
       
       Großbritannien und Frankreich liefern bereits ähnliches Kriegsgerät an die
       Ukraine. Die Möglichkeit, dass damit auch russisches Staatsgebiet
       beschossen werden kann, gilt als eines der Hauptargumente für die Blockade
       des Bundeskanzlers. Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte aber bereits
       zugesagt, Waffen der westlichen Verbündeten nicht auf russischem Gebiet
       einzusetzen.
       
       Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Mittwoch in Berlin, die
       Unterstützung der Bundesregierung für die Ukraine sei ungebrochen. Bei
       einem Telefonat zwischen Kanzler Scholz und US-Präsident Joe Biden am
       Dienstag hätten Waffensysteme für die Ukraine keine Rolle gespielt.
       
       Auch in der Nacht zu Mittwoch gingen die russischen Angriffe auf die
       Ukraine weiter. Zwei Raketen, die auf die Stadt Charkiw im Nordosten
       zielten, trafen Wohngebäude und eine medizinische Einrichtung. 17 Menschen
       seien dabei verletzt worden, teilten Behördenvertreter mit. Die Raketen des
       Typs S-300 seien nach Einbruch der Dunkelheit eingeschlagen, teilte der
       Charkiwer Gouverneur Oleh Synjehubow mit. Die Boden-Luft-Raketen wurden von
       Russland angepasst, um gegen Ziele an Land eingesetzt werden zu können.
       
       Sie lassen sich günstiger produzieren als ballistische Raketen oder
       Marschflugkörper. Zugleich sind sie weniger treffsicher und haben eine
       kürzere Reichweite, wie Analysten sagen. Tiefer in der Region Charkiw
       gerieten frontnahe Gebiete nach Angaben von Behördenvertretern unter
       Artilleriebeschuss. Die ukrainische Luftwaffe teilte mit, sie habe 19 von
       20 von Russland über Nacht in Bewegung gesetzten Schahed-Drohnen aus
       iranischer Fertigung abgefangen. Zugleich meldeten regionale
       Behördenvertreter, dass einige Drohnen Lücken in der Luftverteidigung
       gefunden hätten.
       
       17 Jan 2024
       
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