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       # taz.de -- Sauna am Plötzensee: Hippie-Traum ohne Baugenehmigung
       
       > Fast ihr gesamtes Erspartes haben die Betreiber des „Swedding“ in ihre
       > alternative Sauna am Plötzensee investiert. Nun müssen sie schließen.
       
   IMG Bild: Einladend, aber leider auf unbestimmte Zeit geschlossen: das Swedding im Wedding
       
       Berlin taz | Ruhig liegt er da, der Plötzensee im Wedding. Ein paar
       Kormorane treiben auf dem Wasser, sogar Schildkröten soll es geben und ein
       Falke hat hier sein Revier. Die totale Idylle, und das fast mitten in der
       Großstadt.
       
       Und diese soll möglichst erhalten werden. Das gesamte Areal rund um den See
       ist Landschaftsschutzgebiet, Zugang zum Wasser gibt es nur über das
       Strandband Plötzensee, das von den städtischen Berliner Bäder-Betrieben an
       die Firma Nordufer Event verpachtet wurde.
       
       Auch jetzt im Winter ist hier etwas los. Jeden Samstag treffen sich
       Eisbadende, denen es praktisch nie zu kalt ist, [1][um den Kormoranen
       hinterherzukraulen]. Und in den letzten beiden Jahren wurde in der kalten
       Jahreszeit, passenderweise im FKK-Bereich des Strandbads, sogar noch viel
       mehr geboten. Die Sauna Swedding hatte Betrieb und bei deren Besuchern war
       es sehr beliebt, nach dem Schwitzen in den See zu hüpfen.
       
       Aber in der laufenden Saison gibt es [2][keinen Saunabetrieb]. Probleme mit
       den Ämtern. Ob sich daran in den nächsten Wochen, Monaten oder überhaupt
       etwas ändern wird, ist fraglich. Schon seit einer Weile gibt es eine
       Petition, die mittlerweile 2.500 Unterschriften gefunden hat, um die Sauna
       zu retten. Aber das dürfte bei den Behörden im Bezirk Mitte nur mäßig
       Eindruck machen.
       
       ## Vor fünf Jahren reifte die Idee, hier eine Sauna hinzustellen.
       
       Man trifft vor Ort die beiden Betreiber Stefan Schwanhäußer-Klinker und
       Beniamino Deho. In der Umkleide, einem umgebauten Seecontainer, die sogar
       über eine selbst eingebaute Fußbodenheizung verfügt, sitzen einem zwei
       gegenüber, die so wirken, als wären sie immer noch mitten in einem Prozess,
       um zu verstehen, was eigentlich genau schiefgelaufen ist. Die beiden sind
       verärgert, über andere, aber auch über sich selbst.
       
       Vor fünf Jahren reifte bei ihnen die Idee, hier eine Sauna hinzustellen.
       [3][Keinen Wellnesstempel], sondern das Gegenteil davon, passend zur
       naturbelassenen Umgebung. Es hatte gerade einen Pächterwechsel im Strandbad
       gegeben und der neue Betreiber war offen für alternative Projekte an diesem
       besonderen Ort. Die Sauna – zählt man die beiden kleinen mobilen Saunen
       dazu, ist es sogar eine Saunalandschaft – entstand dann während der
       Coronazeit. Alles wurde von den beiden und ein paar Freunden selbst
       zusammengebastelt. Die nötigen Arbeitsgeräte gab es in einer Werkstatt vor
       Ort, die für sie frei zugänglich war. Man kann sehen, dass hier viel Liebe
       auch in Details gesteckt wurde. In einer Badewanne neben der Umkleidekabine
       werden Kräuter gezüchtet und überhaupt sieht es hier mit dem ganzen selbst
       gebauten Zeug aus wie in einem weltvergessenen Retreat für Hippies.
       
       „Es gab bei uns immer ein Lagerfeuer und Minztee, eine Sauna mit
       Naturerlebnis“, so Schwanhäußer-Klinker, „und damit das Gegenteil von
       ChiChi.“ Wichtig sei das „soziale Element“. Swedding sei „keine Sauna, wo
       man still sein muss. Jeder kann, wenn er mag, einen Aufguss selbst machen.
       Bei uns wird geredet und getrunken. Finnischer Style eben.“
       
       Es gibt ja den großen Irrglauben in Deutschland und auch in Berlin, sich
       für echte Vertreter einer traditionellen Saunakultur zu halten. Dabei ist
       das, was im Allgemeinen in den herkömmlichen Saunen läuft, in denen man
       still zu sein hat wie in der Oper und wo sich zu jeder vollen Stunde alle
       zur offiziellen Aufgusszeremonie einfinden, bloß ein typisch deutsches
       Schwitzen nach Beamtenmanier. In Finnland, und dort verstehen sie
       bekanntlich wirklich etwas vom Saunieren, wird zur Hitze gelacht, gesoffen
       und laut geredet. Und eingeheizt wird mit einem echten Holzofen, so
       natürlich auch bei Swedding, und nicht mit Putins Gas oder Robert Habecks
       LNG.
       
       ## Keine Genehmigung der Ämter
       
       In der finnischen Community, so Schwanhäußer-Klinker, habe sich, als es
       ausgerechnet bereits mitten im Sommer 2021 losging, dann auch recht schnell
       herumgesprochen, dass es am Plötzensee nun diese alternative Sauna gebe, in
       der nicht diese deutschen Sitten gelten.
       
       Das Problem bei der ganzen Sache: Alles, was die Betreiber sich hier in
       Handarbeit zusammengezimmert haben, haben sie sich nie von irgendwelchen
       Ämtern absegnen lassen. Bauamt, Grünflächenamt, selbst die
       Denkmalschutzbehörde hätte man eigentlich informieren müssen, schließlich
       steht das Standbad Plötzensee, das es seit beinahe 150 Jahren gibt, auch
       noch unter Denkmalschutz.
       
       Fragt man die beiden Saunabetreiber, ob sie es nicht selbst für etwas naiv
       halten, hier etwas aufgebaut zu haben, ohne sich dafür Genehmigungen
       besorgt zu haben, mitten in Deutschland, wo im Normalfall selbst der
       Saunaaufguss genormt ist, herrscht erst einmal Schweigen. Letztlich, geben
       sie zu, war es das wohl. Aber die ganze Sache sei eben kompliziert. Sie
       hätten sich die Genehmigungen ja gerne eingeholt, haben aber nur einen
       Nutzungsvertrag mit dem Pächter, und für die Kommunikation mit den Ämtern
       sei nur der befugt. Der habe immer wieder versichert, sich darum zu
       kümmern, das aber nie getan. Und so war das Bauamt Mitte letzten Sommer im
       Strandbad Plötzensee, deklarierte die Sauna als ungenehmigt und verlangt
       nun, dass diese zu verschwinden habe.
       
       ## Wiedereröffnung ungewiss
       
       Florian Heep von der Betreiberfirma des Strandbads Plötzensee sagt, man
       habe nun endlich ein Architekturbüro damit beauftragt, die notwendigen
       Genehmigungen nachträglich einzuholen. Dass diese von gleich mehreren
       Ämtern doch noch im Nachhinein ausgestellt werden, im Naturschutzgebiet,
       beäugt von den Denkmalschützern, so richtig mag man daran eigentlich nicht
       glauben.
       
       Zwei Jahre Lebenszeit und sämtliche Ersparnisse würden in ihrer Sauna
       stecken, so Schwanhäußer-Klinker. In ihrem Traum am Traumort, der nun zu
       zerplatzen droht. Er und sein Sauna-Partner hoffen inständig, dass die
       Ämter am Ende erkennen, dass Swedding eigentlich ganz gut zum Strandbad
       Plötzensee passt.
       
       17 Jan 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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