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       # taz.de -- Demo von Israelis in Berlin: Ein wenig Diversität
       
       > Linke Israelis protestieren vor dem Auswärtigen Amt gegen die
       > israelischen Angriffe auf Gaza – und deren kritiklose deutsche
       > Unterstützung.
       
   IMG Bild: Die Protestierenden am Freitag vor dem Auswärtigen Amt
       
       Berlin taz | „Ceasefire now!“, ruft der Mann in das kleine Mikrofon, gut 50
       Demonstrant*innen wiederholen die Parole im Chor. Eine kleine, aber
       lautstarke Minderheit der israelischen Gesellschaft hat sich am
       Freitagnachmittag vor dem Auswärtigen Amt versammelt. Die kleine Kundgebung
       ist die zweite der Initiative „Israelis für Frieden“, die sich erst vor
       einem Monat zusammengefunden hat.
       
       Fast alle Demonstrant*innen tragen ein kleines laminiertes Schild mit
       mehrsprachigen Forderungen wie: „Menschenrechte für alle“, „Zwei Staaten
       jetzt“, „Stoppt das Massaker in Gaza“, „Gerechtigkeit für Palästina“ – und
       immer wieder: „Waffenstillstand jetzt“. Eine Hundertschaft der Polizei ist
       vor Ort und überprüft akribisch die Schilder, auch die hebräischen Texte,
       auf mögliche strafbare Inhalte. Doch politisch aufgeladene Kampfbegriffe
       sucht man hier vergeblich, auch Nationalflaggen sind ausdrücklich nicht
       erwünscht.
       
       „Wir haben schon viel zu lange gewartet: Dieser Krieg muss beendet werden.
       Jetzt.“ So beginnt Alon Sahar, ein Mitglied der Initiative, seinen auf
       Englisch gehaltenen Redebeitrag, der freilich kaum zu verstehen ist. Seine
       Gruppe habe einen Monat lang über die angemessenen Worte diskutiert,
       „während Palästinenser*innen in Gaza durch Hunger und Bomben sterben,
       und durch Siedlergewalt in der Westbank“.
       
       „Wenn wir noch länger warten, könnte uns eine noch größere Katastrophe
       bevorstehen“, so Sahar. Er meint die Pläne der israelischen Rechten, in
       Gaza einen „Schutzkorridor“ und wieder israelische Siedlungen zu errichten.
       Doch nicht die Siedlungen würden Israel beschützen, sondern die Armee – auf
       Kosten der Palästinenser*innen. Das dürfe nicht wieder geschehen: „Wir
       müssen über eine Vision für ein freies, sicheres und nachhaltiges Leben
       sowohl für Palästinenser*innen als auch Israelis nachdenken“, endet
       Sahar seine Rede.
       
       Die „Israelis für Frieden“ sind linke israelische Aktivist*innen, die in
       Berlin leben und eine Stimme im öffentlichen Diskurs werden wollen. Sie
       fordern einen sofortigen und wirksamen Waffenstillstand, die Freilassung
       aller Geiseln und eine realistische diplomatische Lösung für den Konflikt
       zwischen Israel und Palästina. Von Deutschland fordert die Gruppe, Druck
       auf Israel für einen Waffenstillstand auszuüben.
       
       ## Uneingeschränkte Unterstützung
       
       Die deutsche Regierung stehe offiziell für Menschenrechte und eine
       Zwei-Staaten-Lösung, „aber in der Praxis gewährt es Israel uneingeschränkte
       Unterstützung bei dessen Politik“, kritisiert Nimrod Flaschenberg, einer
       der Organisator*innen der Kundgebung. Damit meint er die israelischen
       Siedlungen, die Gewalt gegen Palästinenser*innen und die Besetzung
       palästinensischer Gebiete. Seit Kriegsbeginn unterstütze Deutschland
       uneingeschränkt „die abscheulichen Kriegsverbrechen, die Israel in Gaza
       verübt“. Deutschland solle sich stattdessen für ein Ende des Krieges
       einsetzen.
       
       Die Hamas, so Flaschenberg, könne nicht durch militärische Aktionen
       vernichtet werden. „Die Gräueltaten der Hamas vom 7. Oktober sind
       furchtbar, und ich kenne Leute, die dabei gestorben sind. Aber ich denke,
       der einzige Weg, die Hamas zu bekämpfen, ist, die Teile der
       palästinensischen Community zu stärken, die sich für Frieden einsetzen. Die
       Hamas kann nur besiegt werden, indem man den Palästinenser*innen eine
       Perspektive der Hoffnung und der Freiheit bietet. Denn die Hamas ist wie
       die israelische Rechte: Sie profitiert vom Konflikt und vom Blutvergießen.“
       
       Die israelische Gesellschaft sei diverser, als sie in den deutschen Medien
       dargestellt werde, sagt eine Teilnehmerin der Kundgebung. Viele Israelis
       suchten nach Möglichkeiten, sich zu engagieren, trauten sich aber noch
       nicht richtig, vermutet sie. Kein Wunder: Unter den Posts auf X von der
       letzten Kundgebung Ende Dezember finden sich neben Zustimmung auch zynische
       und beleidigende Kommentare. Als die linksliberale israelische Tageszeitung
       Haaretz über die Kundgebung berichtete, bezeichnete ein Nutzer die
       Teilnehmer*innen als „Verräter“.
       
       Die „Israelis für Frieden“ planen weitere Kundgebungen. Sie hoffen, so den
       Menschen eine Stimme zu verschaffen, die bisher in diesem Konflikt zu wenig
       gehört wurden: linke Israelis, die nicht der kriegerischen Rhetorik ihrer
       Regierung folgen, sondern sich für Frieden und eine humane Zukunft für
       Israelis und Palästinenser*innen einsetzen.
       
       6 Jan 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Darius Ossami
   DIR Uta Schleiermacher
       
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