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       # taz.de -- Proteste in Israel: Netanjahu bleibt stur
       
       > Israels Premier weist eine Zweistaatenlösung erneut von sich. Derweil
       > nehmen Proteste gegen diese Haltung auch im Inland immer mehr zu.
       
   IMG Bild: Prioritäten: Protest von Geiselangehörigen und Unterstützern richtet sich gegen Netanjahu. Tel Aviv am 20. Januar 2024
       
       Es ist ein Affront gegen den engsten Bündnispartner, die USA. Am
       Samstagabend twitterte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu: „Ich
       werde keine Kompromisse eingehen, wenn es um die volle israelische
       Sicherheitskontrolle über das gesamte Gebiet westlich des Jordans geht. Und
       das steht im Widerspruch zu einem palästinensischen Staat.“
       
       US-Präsident Joe Biden hatte sich noch am Freitag optimistisch gezeigt,
       dass eine Zweistaatenlösung auch mit dem jetzigen Premier Israels möglich
       sei. Er denke, dass man in der Lage sein werde, eine Lösung zu finden, so
       Biden auf Nachfrage eines Reporters. Es gebe „verschiedene Arten von
       Zweistaatenlösungen“.
       
       Mit seinem Nein hat sich Netanjahu die Haltung seiner ultrakonservativen
       Koalitionspartner zu eigen gemacht. Finanzminister Bezalel Smotrich und der
       Minister für nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir sprechen sich
       mittlerweile ganz offen für die Errichtung neuer Siedlungen im
       Westjordanland und im Gazastreifen aus.
       
       Kompromisslos sind Israels Hardliner derzeit auch gegen ihre Kritiker im
       eigenen Land. Landesweit gab es auch am Wochenende regierungskritische
       Proteste und Demonstrationen der Angehörigen von Geiseln. Bis zu 134
       Menschen werden weiterhin von der Hamas im Gazastreifen festgehalten.
       
       ## Protestcamp vor Bibis Haus
       
       Auf dem Platz vor dem Kunstmuseum im Zentrum von Tel Aviv finden täglich
       kreative Protestaktionen statt, mit dem Ziel, die Regierung zu neuen
       Verhandlungen mit der Hamas zur Freilassung der Geiseln zu zwingen. Doch
       Netanjahu rechtfertigt seine Ablehnung eines Waffenstillstandes ähnlich wie
       die Weigerung, Autorität im Westjordanland und in Gaza abzugeben. „Von wo
       immer wir uns zurückgezogen haben, kam uns eine Welle des Terrors
       entgegen“, so der Premier.
       
       Diese Haltung macht auch einen möglichen Kompromiss mit der Hisbollah im
       Süden des Libanon unmöglich. Die Behörden in israelischen Grenzorten wie
       Schlomi fordern den Rückzug der schiitischen Kämpfer hinter den
       Litani-Fluss im Libanon. Nur eine Pufferzone im Libanon würde den
       Raketenbeschuss auf Nordisrael beenden, glauben sie. „Der Versuch der
       israelischen Armee, die Hisbollah von der Grenze zu vertreiben, könnte die
       Lage im Westjordanland eskalieren lassen“, sagt ein Vertreter der
       Autonomiebehörde der taz in Ramallah.
       
       Doch zunächst trifft die neue Massenmobilisierung seiner Gegner auch
       Netanjahu persönlich. Auch vor seinem Privathaus in der Stadt Caesarea
       standen am Samstag hunderte Demonstranten und forderten den Rücktritt
       seiner Regierung. „Wir werden unsere Kinder nicht dafür opfern, die
       Ultrarechten zu retten.“
       
       Netanjahus Gegner glauben, er wolle den Krieg in die Länge ziehen, um einer
       Verurteilung in mehreren Korruptionsfällen zu entgehen. Auch in Tel Aviv,
       Jerusalem und Haifa hat sich mittlerweile wieder eine regelrechte
       Protestszene gebildet. Die Angehörigen der Geiseln wollen eigentlich keine
       Vermischung ihrer Forderungen mit denen der Regierungsgegner. Dennoch ist
       ihr Durchhaltewillen die treibende Kraft hinter dem Protest.
       
       Inmitten der Gruppe von Angehörigen von Hamas-Geiseln stand am Sonntag in
       Caesarea auch Eli Shtivi. Weil sein 28-jähriger Sohn sich ohne ein
       Lebenszeichen immer noch in den Händen der Hamas befindet, hat der
       Familienvater einen Hungerstreik begonnen. „Netanjahu muss sich für
       Verhandlungen entscheiden“, sagt er gegenüber israelischen Journalisten.
       
       Hinweis: In dem Text befand sich ein Fehler, der Litani-Fluss trug den
       falschen Namen. Wir haben das korrigiert.
       
       21 Jan 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Mirco Keilberth
       
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