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       # taz.de -- Deutsche Enttäuschung bei Handball-EM: Schwarz gegen Weiß
       
       > Die DHB-Auswahl zeigt im Duell gegen Österreich zwei Gesichter. Über das
       > 22:22-Unentschieden darf sie sich nicht beklagen.
       
   IMG Bild: Wie unterschiedlich so ein Unentschieden beurteilt werden kann
       
       Es gab relativ wenig zu beschönigen. „Wir haben unglaublich schlecht
       gespielt“, sagte Rune Dahmke. Es fielen Worte wie „Komplettkatastrophe“ und
       „Kamikaze-Handball“. Wer hätte gedacht, dass die deutsche
       Nationalmannschaft so tief fallen könnte? Das 22:22 (10:11) gegen
       Österreich am Samstagabend in Köln verstellt zwar nicht den Weg ins
       Halbfinale. Doch die Deutschen sind darauf angewiesen, [1][dass Frankreich]
       am Montag Österreich schlägt und die DHB-Auswahl danach Ungarn und am
       Mittwoch Kroatien besiegt. Und woher sollen diese Leistungen kommen?
       
       Aus der Mannschaft kamen trotz allem mutige Stimmen. Wohl auch deswegen,
       weil sie tief in der zweiten Halbzeit schon mit fünf Toren zurückgelegen
       hatte gegen diese Österreicher, die nur acht, neun Spieler von höherer
       Qualität haben. Wer kannte schon Constantin Möstl, den Torwart, der die
       Deutschen verzweifeln ließ? 16 Würfe wehrte er ab, von Anfang an ärgerte er
       die deutsche Mannschaft, die irgendwann gar nicht mehr werfen wollte. „Uns
       haben die Finger gezittert“, sagte Rune Dahmke.
       
       In der Schlussminute war der österreichische Vorsprung dann aber aufgeholt,
       nachdem Christoph Steinert das 22:22 geworfen hatte. Beim Gegner ließ die
       Kraft nach, und zur Wahrheit dieses Spiels gehört auch, [2][dass Andreas
       Wolff] wieder großartig hielt. Seine Paraden ließen die nervenschwachen
       Deutschen überhaupt nur im Spiel.
       
       Und so kam es auf dramatische Weise zu diesem Remis, aus dem die deutschen
       Profis beinahe noch den Sieg gemacht hätten, denn nach einem Fehlpass kamen
       sie noch einmal an den Ball – die Sekunden liefen herunter, und den
       Freiwurf nach der Schluss-Sirene setzte Sebastian Heymann über das Tor. Die
       Deutschen standen schockstarr auf dem Feld, die Österreicher jubelten. Sie
       können das Halbfinale aus eigener Kraft erreichen – für den Handball des
       Landes ist es schon jetzt die beste Europameisterschaft aller Zeiten.
       
       ## Anfängliches Fehlerfestival
       
       „Ein Sieg wäre auch nicht verdient gewesen“, befand Bundestrainer Alfred
       Gislason später. Er hatte viel probiert, den verschnupften Juri Knorr
       entlastet und den Magdeburger Philipp Weber gebracht. Der aber verpatzte
       gleich die ersten vier Angriffsaktionen und wurde wieder ausgewechselt.
       
       In diesem Fehlerfestival vergaben alle aussichtsreichste Chancen, ob die
       Außen Lukas Mertens und Timo Kastening oder Knorr und Julian Köster aus
       sechs Metern. Möstl wurde warm geworfen und hielt sein Niveau beinahe über
       die gesamte Spielzeit.
       
       In der Abwehr knüpfte die DHB-Auswahl an die Leistungen gegen Island an; an
       Wille und Wucht fehlte es nicht. Einige wirkten aber von den Erwartungen
       überfordert; Linkshänder Kai Häfner etwa brachte kaum etwas zustande. Nur
       mit viel Glück und Pech auf Seiten der Österreicher – sie trafen am Ende
       einige Male Pfosten und Latte – kam es überhaupt zu diesem Punkt.
       
       Von den knapp 20.000 Menschen auf den Rängen gab es nach dieser so
       fehlerhaften wie atemlosen Hatz trotzdem Applaus. Sie hielten der
       Nationalmannschaft zugute, alles gegeben zu haben.
       
       Aber wo sind Raffinesse und Leichtigkeit vom vorherigen Turnier geblieben,
       der WM in Polen und Schweden? Da hatten sich die [3][Deutschen unter
       Gislason] vom teutonischen Handball emanzipiert, der immer so nach
       Schwerstarbeit aussieht. Sie landeten auf Platz fünf, aber wichtiger als
       die Platzierung war, dass ein Team seine Mitte gefunden zu haben schien,
       mit einem Handball, der manchmal etwas Schwebendes hatte.
       
       Bei der Heim-EM nun sieht alles wieder nach harter Arbeit aus. Kann es
       sein, dass ein Turnier zu Hause mehr Druck erzeugt als Lust verschafft?
       „Das Publikum hat uns am Ende getragen, ohne es hätten wir den Punkt nicht
       geholt“, widersprach Rune Dahmke, der erfahrene Kieler Linksaußen. Er hatte
       als Einwechselspieler für eine dringend nötige Energieinfusion gesorgt, war
       mutig, frech, hart, nahm die Mannschaft und das Publikum mit, redete auf
       die Schiedsrichter ein – was man so machen muss, um eine verloren geglaubte
       Partie noch zu kippen. Es wäre fast gelungen.
       
       21 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Frank Heike
       
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