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       # taz.de -- Abtreibungsgegner_innen vor Kliniken: Gehsteigbelästiger auf Abstand halten
       
       > Radikale Abtreibungsgegner_innen verhindern überall in Deutschland den
       > reibungslosen Ablauf von Abbrüchen. Das will die Bundesregierung künftig
       > ahnden.
       
   IMG Bild: Nur noch mit Abstand möglich: Abtreibungsgegner:innen vor der Beratungstelle von Pro Familia in Frankfurt im März 2023
       
       Berlin taz | Das Bundeskabinett hat Mittwochmittag einen
       [1][Gesetzesentwurf beschlossen], der die sogenannte Gehsteigbelästigung
       als Ordnungswidrigkeit ahndet. Bei der Gehsteigbelästigung werden vor
       Arztpraxen, Krankenhäusern und Beratungsstellen Schwangere und
       Mitarbeiter_innen belagert. Die Koalition will dieses Verhalten nun mit bis
       zu 5.000 Euro ahnden.
       
       Dazu gehört, dass Schwangere nicht vom Eintritt einer Einrichtung und
       Mitarbeiter_innen nicht von ihrer Arbeit abgehalten werden dürfen. Zudem
       dürfen Schwangeren keine Falschinformationen vermittelt werden und sie mit
       Inhalten konfrontiert werden, die auf emotionale Reaktionen wie Furcht,
       Ekel, Scham oder Schuld abzielen.
       
       „Wir stärken die Rechte von Schwangeren und gehen einen wichtigen Schritt
       für die Selbstbestimmung der Frau“, sagte dazu [2][Familienministerin Lisa
       Paus (Grüne)] am Mittwochmittag. „Hier hat Meinungsfreiheit ihre Grenzen –
       auch im Sinne des Schutzes des werdenden Lebens, der durch die
       ergebnisoffene Schwangerschaftskonfliktberatung gewährleistet wird.“
       
       Dazu dürfen sich Abtreibungsgegner_innen diesen Einrichtungen nur noch bis
       zu 100 Meter um den Eingangsbereich nähern. Paus betonte am Mittwochmittag,
       dass dadurch das prinzipielle Recht von Abtreibungsgegner_innen, ihre
       Meinung kundzutun, nicht beschnitten werde: „Wir mussten das
       Spannungsverhältnis zwischen den Grundrechten ratsuchender Frauen
       einerseits und das Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit Dritter
       genau gegeneinander abwägen“, so Paus. „Ich bin überzeugt, diese Abwägung
       ist uns mit dem heute verabschiedeten Entwurf gelungen.“
       
       ## Die Versammlungsfreiheit bleibt bestehen
       
       Im Gesetz selbst ist auch festgelegt, dass die Schwangere nicht dazu
       aufgefordert werden darf, zu einem anderen Zeitpunkt oder bei einer anderen
       Beratungsstelle einen Termin zu vereinbaren. Schwangerschaftsabbrüche sind
       in Deutschland immer noch illegal und gelten nur unter bestimmten
       Bedingungen als straffrei. Dazu gehört eine Pflichtberatung der schwangeren
       Person und die Frist, die Abbrüche nur bis zur 12. Schwangerschaftswoche
       erlaubt, sowie ein Abstand von Beratung und Abbruch von drei Tagen. Über
       die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen berät bis April eine
       [3][Expert_innen-Kommission].
       
       Bislang hat nur [4][Bremen ein Gesetz beschlossen], das die Belästigung von
       Schwangeren und Mitarbeitenden von Arztpraxen, Krankenhäusern und
       Beratungsstellen ahndet. Mit dem aktuellen Gesetz will die Ampelkoalition
       für eine bundeseinheitliche Regelung sorgen.
       
       [5][Céline Feldmann], Vorsitzende der interkommissionellen Arbeitsgruppe
       Schwangerschaftsabbruch des Deutschen Juristinnenbundes (djb) begrüßte das
       Gesetz gegenüber der taz: „Der Referentenentwurf ist längst hinfällig. Denn
       Gehsteigbelästigungen sind keine Bagatelle, sondern verletzen die Rechte
       schwangerer Personen erheblich“, so Feldmann. „Der Referentenentwurf ist
       zwar begrüßenswert, allerdings nur ein erster Schritt. Denn erst wenn
       Beratungen freiwillig und Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisiert sind,
       finden die Rechte schwangerer Personen, insbesondere Frauen, hinreichend
       Berücksichtigung.“
       
       Heidi Reichinnek, Bundestagsabgeordnete für die Gruppe der Linken, sagte
       der taz: „Es wird ja wirklich langsam Zeit, dass die Bundesregierung den
       Gesetzentwurf zur Gehsteigbelästigung beschließt. Dass diese relativ simple
       Gesetzänderung so unfassbar lange gedauert hat, zeigt sehr gut, dass
       Frauenpolitik und vor allem sexuelle Selbstbestimmung in der Regierung
       keine Priorität haben.“
       
       Die Ahndung der Gehsteigbelästigung soll mit einer Änderung des
       Schwangerschaftskonfliktgesetzes in Kraft treten, das auch eine
       Verbesserung der Bundesstatistik von Schwangerschaftsabbrüchen vorsieht
       sowie einen Überblick über die regionale Versorgungslage. Im Sommer soll
       der Bundestag das Gesetz verabschieden.
       
       24 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.bmfsfj.de/resource/blob/232932/a9b69d0bc89c27f3c6225be55b64838f/entwurf-eines-zweiten-gesetzes-zur-aenderung-des-schwangerschaftskonfliktgesetzes-data.pdf
   DIR [2] /Reproduktive-Rechte-in-Deutschland/!5930994
   DIR [3] /Diskussion-um-Schwangerschaftsabbrueche/!5925179
   DIR [4] /Versorgung-fuer-Schwangerschaftsabbrueche/!5934383
   DIR [5] /Juristinnen-ueber-Abtreibungs-Regelung/!5896906
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nicole Opitz
       
       ## TAGS
       
   DIR Schwerpunkt Abtreibung
   DIR Schwerpunkt Paragraf 219a
   DIR Paragraf 218
   DIR Reproduktive Rechte
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