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       # taz.de -- Hungerstreik nach Hinrichtungen im Iran: Ein Schallverstärker sein
       
       > Weibliche politische Gefangene im Iran demonstrieren mit einem
       > Hungerstreik gegen Hinrichtungen. Warum ich mich ihnen in Deutschland
       > anschließe.
       
   IMG Bild: 21. September 22, Straßenprotest in Teheran
       
       Seit Donnerstag befinde ich mich in einem Hungerstreik, und ich bin nicht
       alleine. 61 weibliche politische Gefangene im berüchtigten
       [1][Evin-Gefängnis] in Iran treten in den Hungerstreik, um gegen die
       Hinrichtungen zu demonstrieren. Am vergangenen Dienstag erst wurden zwei
       politische Gefangene hingerichtet: der 24-jährige Protestierende der „Frau
       Leben Freiheit-Bewegung [2][Mohamad Ghobadlou] und der sunnitische Kurde
       [3][Farhad Salimi], der seit 14 Jahren in Haft war. Diese zwei
       Hinrichtungen reihen sich ein [4][in eine Welle,] die vor einem Jahr
       begann. Mehr als 800 Menschen wurden der Menschenrechtsorganisation
       „Hengaw“ zufolge im vergangenen Jahr exekutiert – so viele wie seit 2015
       nicht mehr.
       
       Das Massaker in den Gefängnissen wird von der Weltgemeinschaft ignoriert.
       Nur wenige Stunden nach der Hinrichtung von Mohammad Ghobadlou und Farhad
       Salimi schüttelte der französische Außenminister Stéphane Séjourné lächelnd
       [5][dem Außenminister der Islamischen Republik Iran in New York die Hand.]
       Damit wird den Angehörigen der Getöteten das klare Signal gesendet: Ihr
       seid uns egal.
       
       Auch von der Bundesregierung scheint es bislang [6][keine ernsthaften
       Bemühungen] zu geben, den Druck auf das Regime in Iran zu erhöhen, um die
       Hinrichtungswelle zu stoppen. Der Druck muss also von denen kommen, deren
       Leben ohnehin schon in Gefahr ist: den politischen Gefangenen.
       
       ## Das Leben aufs Spiel setzen
       
       Im Frauentrakt des Evin-Gefängnisses befinden sich Frauen über 70 Jahre,
       viele der Inhaftierten haben Erkrankungen. Dennoch setzen sie ihr Leben
       aufs Spiel, um für das Leben anderer zu protestieren. Ihnen haben sich
       weitere Gefangene im ganzen Land angeschlossen, wie zum Beispiel der Rapper
       Toomaj Salehi oder die kurdische Inhaftierte [7][Zeynab Jalalian]. Auch die
       Angehörigen der Gefangenen streiken mit ihnen, beispielsweise der
       90-jährige Vater der Friedensnobelpreisträgerin [8][Narges Mohammadi].
       
       Weltweit schließen sich Aktivist*innen dem Hungerstreik an. Auch ich
       streike, ebenso wie meine Kolleginnen Mariam Claren, Tochter der
       deutsch-iranischen politischen Gefangenen Nahid Taghavi, die Publizistin
       Mina Khani, die Fernsehmoderatorin [9][Nina Moghaddam], die Journalistin
       Sahar Eslah und viele weitere.
       
       Wenn politische Gefangene in den Hungerstreik treten, dann deswegen, weil
       sie keine andere Möglichkeit haben, ihren Protest kundzutun. Wir im Ausland
       haben viele Wege, unseren Protest zu äußern: demonstrieren, Petitionen
       starten und unterschreiben, mit Entscheidungsträger*innen sprechen
       und vieles mehr.
       
       ## Die Bundesregierung tut nichts
       
       All das tun wir seit Jahren und besonders seit der Ermordung von [10][Jina
       Mahsa Amini]. Doch anscheinend werden wir kaum gehört. Es gibt keine
       Protestform, die wir nicht bereits ausprobiert haben. Viele Bundestags-,
       Landtags- und Europaabgeordnete stehen mittlerweile an unserer Seite, doch
       die Bundesregierung weigert sich, ihren Iran-Kurs zu ändern und endlich mit
       dem Appeasement aufzuhören. Uns bleibt also nichts anderes mehr übrig, als
       uns dem Hungerstreik der mutigen Frauen im Evin-Gefängnis anzuschließen, um
       Schallverstärker für ihren Protest zu sein, in der Hoffnung, endlich gehört
       zu werden.
       
       Mit meinem Hungerstreik fordere ich von der Bundesregierung, den
       politischen Druck auf das Regime in Iran endlich zu erhöhen.
       
       Ich tue das für [11][Jamshid Sharmahd], den deutschen Staatsbürger, der
       2020 aus Dubai entführt, nach Iran verschleppt und zum Tode verurteilt
       worden ist. Für die vier kurdischen politischen Gefangenen Pejman Fatehi,
       Vafa Azarbar, Mohammad Faramarzi und Mohsen Mazloum, die vor eineinhalb
       Jahren verschleppt worden sind, deren Familien nicht wissen, wo sie sind
       und wie es ihnen geht, und die jeden Moment hingerichtet werden könnten.
       Für die Protestierenden der „Frau Leben Freiheit“-Bewegung Mojahed Kourkour
       und Reza Rasaei, die für Freiheit auf die Straße gegangen sind und dafür
       nun hingerichtet werden sollen.
       
       Ich trete in den Hungerstreik für ein Ende der Hinrichtungen. Für die
       Freilassung aller politischen Gefangenen. Für Frau, Leben, Freiheit.
       
       25 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Weisse-Folter-in-iranischem-Gefaengnis/!5915486
   DIR [2] https://www.tagesschau.de/ausland/asien/iran-amini-todesurteil-100.html
   DIR [3] /Weitere-Exekution/!5984454
   DIR [4] /Repression-in-Iran/!5975198
   DIR [5] https://www.diplomatie.gouv.fr/de/aussenpolitik-frankreichs/frankreich-und-die-vereinten-nationen/neuigkeiten/article/vereinte-nationen-reise-von-stephane-sejourne-zum-ministertreffen-des-vn
   DIR [6] /Terrorlistung-von-Irans-Revolutionsgarde/!5977666
   DIR [7] https://www.amnesty.de/briefe-gegen-das-vergessen/2016/3/iran-zeynab-jalalian
   DIR [8] /Meinungsfreiheit-in-Iran/!5986215
   DIR [9] /Iran-Aktivistin-ueber-Social-Media/!5957123
   DIR [10] /Frauenrevolution-im-Iran/!5967632
   DIR [11] /Lebenslange-Haftstrafe-in-Schweden/!5980899
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniela Sepehri
       
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