# taz.de -- Hilfe für Kommunalpolitiker*innen: Der Verrohungsspirale begegnen
> Kommunalpolitiker*innen erleben häufig Anfeindungen und Gewalt.
> Eine neue zentrale Anlaufstelle soll sie dabei unterstützen, sich zu
> wehren.
IMG Bild: Die Idylle trügt: Kommunalpolitiker*innen erleben häufig Anfeindungen und Gewalt
Berlin taz | Beleidigungen, Hass und Drohungen im Netz, gewalttätige
Übergriffe im echten Leben – [1][60 Prozent der
Kommunalpolitiker*innen in Deutschland haben das schon erlebt]. Das
ergab eine Befragung der Heinrich-Böll-Stiftung aus dem Jahr 2022. Eine
bundesweite zentrale Anlaufstelle soll in solchen Fällen in Zukunft Hilfe
leisten, unterstützen und vermitteln, wenn Betroffene sich an die Polizei
wenden wollen. Am Freitag wird Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD)
dafür den Startschuss geben.
„Wir erleben seit einiger Zeit, dass der Ton rauer wird und die
Bedrohungslage für Kommunalpolitiker*innen zunimmt“, sagte Karoline
Otte (Grüne), Berichterstatterin für Kommunalpolitik in der
Bundestagsfraktion: „Vor allem diejenigen, die politische Entscheidungen
vor Ort treffen und dort auch sichtbar sind, werden zur Zielscheibe,
[2][erleben Anfeindungen, Bedrohungen und sogar Gewalt]“.
In diesen Fällen soll die zentrale Anlaufstelle eine niedrigschwellige
Erstberatung anbieten. „Oft ist es wichtig, dass den Betroffenen jemand
zuhört und sie darin bestärkt, die Anfeindungen oder Übergriffe nicht zu
akzeptieren“, erklärte Otte. Sich an die Polizei zu wenden, erfordere oft
Überwindung, auch bei gesetzeswidrigen Grenzüberschreitungen. Denn viele
glaubten, sie müssten Anfeindungen als Politiker*innen aushalten.
Doch wenn Grenzverstöße nicht geahndet werden, führe das zu einer
Verrohungsspirale mit gefährlichen Auswirkungen auf den demokratischen
Diskurs: Fast ein Drittel der Mandatsträger*innen gaben in der
[3][Befragung der Heinrich-Böll-Stiftung] an, sich zu bestimmten Themen
nicht mehr oder weniger zu äußern, um Anfeindungen zu vermeiden. „Das
wollen wir jetzt durchbrechen, einen Schlussstrich ziehen und den Leuten
sagen: Es ist richtig, sich zu wehren“, sagte Otte. Denn Anfeindungen und
Drohungen würden zunehmen. [4][Steigende Umfragewerte der AfD zeigten eine
wachsende Unzufriedenheit]. „In den Rathäusern schlägt sich ein fehlender
demokratischer Umgang mit dieser Unzufriedenheit nieder“, so Otte.
## Gefahr für Vielfalt in der Kommunalpolitik
[5][Misbah Khan (Grüne), Bundestagsabgeordnete und Expertin für
Rechtsextremismus], sagte der taz, die Anfeindungen seien auch eine Gefahr
für Repräsentation und Vielfalt in der Kommunalpolitik, denn besonders
Menschen, die ohnehin schon Diskriminierungserfahrungen machten, zögen sich
zurück: „Frauen, queere Personen, politisch Engagierte mit
Migrationshintergrund und Menschen, die sich eher der unteren sozialen
Schicht zuordnen, fehlen dann in der Kommunalpolitik“.
Die Anfeindungen treffen jedoch alle: Mandatsträger*innen sind laut
Heinrich-Böll-Stiftung unabhängig von Geschlecht, Migrationshintergrund
oder sozialer Herkunft gleichermaßen von Anfeindungen und Aggressionen
betroffen.
Der Schutz von Mandatstragenden ist eine von zehn Maßnahmen aus dem
[6][Nationalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus], den die
Bundesregierung im März 2022 vorlegte. Daraufhin hatte sich die Allianz zum
Schutz kommunaler Amts- und Mandatsträger*innen mit
Vertreter*innen kommunaler Politik gegründet und sechs Forderungen
vorgelegt. Die zentrale Anlaufstelle wird nun als erste dieser Forderungen
umgesetzt.
Als nächsten Schritt ist unter anderem ein Schwerpunkt „Kommunales
Engagement“ bei der Bundeszentrale für Politische Bildung gewünscht. Dafür
müsste die Bundesregierung Haushaltsmittel zur Verfügung stellen. Das
Bundesinnenministerium solle außerdem Kommunalpolitik in seine
Demokratie-Strategie einbinden und den Austausch mit der
Kommunalpolitik fortsetzen. Als nächstes konkretes Projekt zum Schutz
kommunaler Mandatsträger*innen ist eine Änderung der
Bundeswahlordnung im Gespräch, um private Adressen von
Kommunalpolitiker*innen besser zu schützen.
26 Jan 2024
## LINKS
DIR [1] /Studie-zu-Hetze-in-der-Kommunalpolitik/!5902036
DIR [2] /Hetze-im-Internet/!5896891
DIR [3] https://www.boell.de/de/2022/12/07/studie-erscheint-anfeindungen-und-aggressionen-der-kommunalpolitik-politisch-engagierte
DIR [4] /Politologe-ueber-Kommunalpolitik/!5980449
DIR [5] /Gruene-ueber-Migrationsdebatte/!5966998
DIR [6] /Aktionsplan-gegen-Rechtsextreme/!5922663
## AUTOREN
DIR Luisa Faust
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