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       # taz.de -- Nach den Wahlen in der DR Kongo: Ein Marsch in den nächsten Krieg
       
       > Kongos Regierung rüstet im Osten des Landes massiv auf. Dort sammeln
       > zugleich die M23-Rebellen neue Verbündete und rufen zum Sturz der
       > Regierung.
       
   IMG Bild: Kenias Eingreiftruppen sind schon abgezogen: Auf dem Flughafen in Goma im Ostkongo, 3. Dezember
       
       Kampala taz | Ganz unauffällig haben über die Feiertage rund 1.000
       ugandische Soldaten ihr Marschgepäck geschultert und sind aus der
       Demokratischen Republik Kongo abgezogen. Sie waren dort seit April 2023
       gemeinsam mit Truppen aus Kenia, Südsudan und Burundi im Rahmen eines
       [1][Mandats der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC)] stationiert, um eine
       Pufferzone zwischen Kongos Armee und den Rebellen der M23 (Bewegung des 23.
       März) einzurichten, die im Osten des Landes Gebiete an den Grenzen zu
       Ruanda und Uganda beherrschen.
       
       Die Tutsi-geführten Rebellen der M23 werden laut UN von Ruanda unterstützt.
       Laut dem [2][neuesten Bericht der UN-Expertengruppe] zur Überwachung der
       geltenden Sanktionen gegen Kongos bewaffnete Gruppen hat Ruanda fünf
       Bataillone Spezialkräfte entsandt, um der M23 zu helfen.
       
       Der Bericht liefert Drohnenaufnahmen von Tausenden gut ausgerüsteten
       ruandischen Soldaten auf kongolesischem Gebiet. Er zeigt Beweise, dass
       Kongos Panzer mit Granatwerfern getroffen wurden, die über ein Laser- und
       GPS-gesteuertes Lenksystem verfügen – hochtechnologisches Kriegsgerät, das
       es in Kongo bislang nicht gibt.
       
       Gegen diese Einheiten in Kämpfe verwickelt zu werden – das war Uganda und
       Kenia dann doch zu heikel. Im November entschied Kongos Regierung also, die
       EAC-Truppen müssten wieder gehen. Am 1. Januar lief die Frist dafür ab.
       
       ## Neue Eingreiftruppe aus dem südlichen Afrika
       
       Stattdessen kommen nun rund 3000 Soldaten aus Malawi, Tansania und
       Südafrika – im Rahmen eines [3][Mandats der SADC (Südafrikanischen
       Entwicklungsgemeinschaft)], deren Mitglied die DR Kongo ebenso ist.
       
       Ihr Mandat ist offensiver: „Jegliche Attacke gegen einen der
       Mitgliedstaaten wird als Bedrohung für den regionalen Frieden und
       Stabilität betrachtet und wird mit direkter, gemeinsamer Aktion begegnet“,
       heißt es in der SADC-Erklärung.
       
       [4][M23-Chef Bertrand Bisimwa] bezweifelt allerdings, dass die SADC-Truppen
       aktiv angreifen. „Sie haben sich eigentlich zur Neutralität verpflichtet“,
       so Bisimwa zur taz am Telefon: „Wir denken nicht, dass sie mit uns in
       direkte Kampfhandlungen verwickelt werden wollen.“
       
       Malawi, Tansania und Südafrika engagieren sich bereits seit 2013 in der DR
       Kongo gegen die M23. Damals bildeten ihre Soldaten eine Schnelle
       Eingreiftruppe (FIB) der UN-Mission im Kongo (Monusco). Doch dieses Jahr
       beginnen auf Drängen von Kongos Regierung auch die rund 14.000 UN-Blauhelme
       mit dem Abzug. Die FIB-Soldaten bleiben. Sie tauschen nur ihre
       Ärmelabzeichen: von UN zu SADC.
       
       ## „Die Großoffensive ist in vollem Gange“
       
       In den vergangenen Tagen gab es Anzeichen, dass sich alle Seiten im Osten
       der DR Kongo für neue Auseinandersetzungen rüsten. Die von US-Diplomaten
       ausgehandelte Feuerpause für die Zeit der [5][Wahlen am 20. Dezember 2023]
       hielt nur kurz. Seit Heiligabend wird wieder scharf geschossen.
       
       „Die Großoffensive gegen uns ist bereits im vollen Gange“, fasst Bisimwa
       die Lage der M23 zusammen. Kongos frisch im Amt bestätigter Präsident Felix
       Tshisekedi hat die Armeeführung in allen drei Provinzen des Ostens
       ausgetauscht, noch mehr Panzer stationiert. Neue Drohnen, Kampfhubschrauber
       und Kampfjets zirkulieren über den Bergen der Provinz Nord-Kivu.
       
       „Sie greifen uns derzeit vor allem aus der Luft an“, sagt Bisimwa. „Sie
       treffen dabei aber mehr zivile Häuser und dies führt zu mehr zivilen
       Opfern.“
       
       Die Regierung hat enorm viel Geld in die Hand genommen, um sich
       Unterstützung für ihre Armee einzukaufen. Zusätzlich zu den Söldnern aus
       Bulgarien und Rumänien, die seit einem Jahr stationiert sind, hat sie
       Dutzende lokale [6][„patriotische“ Milizen] ausgestattet.
       
       Darunter sind Gruppen, die schwerer Menschenrechtsverbrechen beschuldigt
       werden, sowie die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur
       Befreiung Ruandas), in deren Führung sich Täter des Völkermordes an Ruandas
       Tutsi 1994 tummeln. Die FDLR gilt bis heute als Hauptgrund, warum Ruanda
       militärisch im Ostkongo steht.
       
       Laut den UN-Experten wurden zudem rund 1000 Soldaten aus Burundi angeheuert
       und in Uniformen von Kongos Armee gesteckt. Sie hocken nun alle gemeinsam
       in den Stellungen rund um Goma. „Ich rufe alle Burunder auf, sich für die
       Demokratische Republik Kongo zu mobilisieren,“, hatte Burundis Präsident
       Evariste Ndayishimiye in seiner Neujahrsansprache erklärt und Ruanda
       vorgeworfen, burundische Rebellen zu unterstützen.
       
       Die burundische Miliz RED-Tabara hatte kurz vor Weihnachten nahe der
       kongolesisch-burundischen Grenze ein Massaker begangen: Über 20 Zivilisten
       kamen ums Leben, darunter Frauen und Kinder.
       
       ## Das neue Rebellenbündnis AFC
       
       Was der UN-Bericht nicht erwähnt: Die M23-Rebellen haben sich komplett neu
       aufgestellt. Sie kämpfen nun gemeinsam mit 16 weiteren Milizen, auch aus
       den Provinzen Süd-Kivu und Ituri, unter dem Label [7][„Allianz des
       Kongo-Flusses“ (AFC)]. Corneille Nangaa, ehemaliger Chef der Wahlbehörde im
       Kongo, hat die politische Führung übernommen und ruft Kongolesen, die den
       Ausgang der Wahlen vom Dezember nicht anerkennen, dazu auf, sich ihm
       anzuschließen.
       
       „Wir koordinieren unsere politischen und militärischen Strategien – meist
       per Telefon“, sagt Bisimwa über die Allianz mit Nangaa: „Unser gemeinsames
       Ziel ist es, eine neue Regierung einzusetzen“. Die AFC rekrutiere nun aus
       allen Teilen des Landes neue Mitstreiter.
       
       Zudem stimmt der M23-Präsident neue Töne an: Von Verhandlungen ist nicht
       mehr die Rede. Stattdessen droht er, zuerst Goma und dann Kinshasa zu
       erobern.
       
       Uganda hat die Truppen, die aus Kongo abgezogen wurden, unmittelbar hinter
       der Grenze positioniert, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein.
       
       9 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.eac.int/eac-regional-force
   DIR [2] https://press.un.org/en/2024/sc15553.doc.htm
   DIR [3] https://www.sadc.int/latest-news/deployment-sadc-mission-democratic-republic-congo
   DIR [4] /M23-Rebellenchef-ueber-Kongo/!5893776
   DIR [5] /Wahlen-in-der-DR-Kongo/!5980994
   DIR [6] /Milizen-in-der-DR-Kongo/!5977887
   DIR [7] https://twitter.com/AfcCongo
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Simone Schlindwein
       
       ## TAGS
       
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