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       # taz.de -- DB wirbt in Kroatien: Sonderprämie für Fachkräfte
       
       > In Kroatien ist Bahnfahren nicht direkt populär. Das hindert die Deutsche
       > Bahn nicht daran, dort Lokführer:innen für den Betrieb daheim zu
       > suchen.
       
   IMG Bild: Kroatische Lokführer können vor allem sehr gut hupen
       
       Während die Lokführer [1][hierzulande streiken], hupen sie in Kroatien
       weiter. Jedes Kuhdorf, in dem der Lokführer eine Cousine oder einen
       Saufkumpel kennt, wird mit einer Signalhorntrompete begrüßt. Je näher der
       Lokführer seiner Herkunftsregion kommt, umso häufiger hupt er, gegen Ende
       der Reise hört er damit gar nicht mehr auf.
       
       Zwar kann man über viele Kilometer auch einfach neben der Bahn herlaufen,
       so langsam bummelt sie an fantastischen Naturwundern und öden Industrie-
       und Logistiklandschaften vorbei. Der Lokführer inszeniert sich hier dennoch
       weiterhin wie ein Pionier der Elektrifizierung.
       
       Mittlerweile wird er vor allen Dingen dafür gefeiert, dass es ihn überhaupt
       noch gibt und er museumsreife Dieselloks auf eingleisigen Wackelstrecken
       durch den [2][Karst] laviert, obwohl außerhalb der Touristensaison so gut
       wie niemand in den Zügen sitzt.
       
       Nun wirbt die Deutsche Bahn ausgerechnet hier um diese Fachkräfte. „[3][Wir
       suchen Lokführer:innen in Kroatien“] annonciert die DB in Deutschland
       und bietet für sachdienliche Hinweise sogar eine „Sonderprämie von 2000
       Euro“.
       
       Eine einzige, na gut, zwei Bahnstrecken 
       
       Das ist wirklich lustig. Aus allerlei Gründen:
       
       1. hat Kroatien einen ganzen Zoo diakritischer Zeichen auf seinem ABC, es
       gibt sogar einen Buchstaben, bei dem ein Zeichen mitten durch ihn durchgeht
       (das „đ“ in „strojovođa“, kroatisch für Lokführer). Genderzeichen wie das
       in „Lokführer:innen“ gibt es aber nicht.
       
       2. nutzen in Kroatien wirklich nur Touristen die Bahn. Alle anderen fahren
       Bus.
       
       3. sind Züge in Kroatien wie oben beschrieben museumsreif, selten und
       gelten unter Einheimischen als unsicher (Im Jahr 2020 sprach mich um
       Mitternacht am Bahnsteig in Zagreb ein Mann mit Bierdose an: „Sind Sie
       schon mal Bahn gefahren?“ Es war sein erstes Mal, er war damals 63 Jahre
       und hatte sich vor lauter Angst vor der Fahrt ans Meer betrunken).
       
       4. hat Kroatien streng genommen eine einzige, na gut, zwei Bahnstrecken:
       die eine führt von Ost nach West, die andere von Nord nach Süd. Auf der
       einen Strecke fährt ein Zug zwei Mal am Tag hin und wieder zurück, auf der
       anderen teilen sich den Job zwei Züge.
       
       Warum also sucht die Bahn ausgerechnet in Kroatien nach ausgebildeten
       Lokführer:innen?
       
       ## 2.000 Euro Kopfprämie
       
       Am meisten jedoch irritiert die „Sonderprämie“ von 2.000 Euro. Die Höhe
       dieses Kopfgeldes findet sich nämlich nur in der Anzeige mit dem
       Gender-Doppelpunkt. Auf der kroatischen Seite des DB hingegen ist von einer
       so hohen Sonderprämie für Lokführervermittlung keine Rede. Da sind die
       Prämien so gestaffelt: 500 Euro kriegt, wer jemanden vermittelt, der bei
       der DB als Praktikant oder Studierender angestellt wird. 1.000 Euro gibt es
       für jemanden, der zeitlich befristet angestellt wird. Und 1.500 Euro für
       eine Fachkraft, die zeitlich unbefristet angestellt wird.
       
       Nichts gegen Prämien. Auch die Kroaten verwenden sie, [4][um Ausländer
       anzulocken.] Was den Deutschen der Fachkräftemangel, ist den Kroaten der
       Einwohnerschwund. Ähnlich wie in Italien gibt es kroatische Gemeinden, die
       unfertige oder unbewohnbare Häuser zum Schnäppchenpreis verkaufen, um ihren
       aussterbenden Dörfern zu neuem Leben zu verhelfen.
       
       ## 13 Cent für ein Haus
       
       Für 13 Cent können sie beispielsweise im 2.000-Einwohner-Kaff Legrad an der
       kroatisch-ungarischen Grenze ein Haus erwerben (Entfernung zur Adria: 280
       km, Entfernung zum nächsten Bahnhof: 20 km). Zur Belohnung winkt dem Käufer
       noch eine Prämie von ein paar tausend Euro für die Renovierung.
       
       Ich habe meiner gesamten kroatischen Verwandtschaft die [5][Stellenanzeige
       der Bahn] weitergeleitet. Niemand möchte sich bewerben. Sie wollen lieber
       wissen, wie sie an Tickets [6][für die EM] kommen. Mit der Bewerbung bei
       der Uefa für die Vorrundenspielkarten hat es nämlich nicht geklappt. Bei
       erfolgreicher Vermittlung von Tickets bieten sie eine Sonderprämie.
       
       28 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bahn-Angestellte-ueber-den-Streik/!5984520
   DIR [2] /Europas-vernachlaessigtes-Zentrum/!5615901
   DIR [3] https://matrix.taz.de/_matrix/media/v3/download/matrix.taz.de/JDXHvvlVbFAnymSrYOPpiFdg
   DIR [4] https://www.nzz.ch/international/kroatien-das-einstige-auswanderungsland-wirbt-um-gastarbeiter-ld.1763337
   DIR [5] https://db.jobs/hr-hr/strojovoda-11199038#11199038
   DIR [6] /Schwerpunkt-Fussball-EM-2024/!t5308320
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Doris Akrap
       
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