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       # taz.de -- Sexismus im Fußball: Was tun mit Luis Rubiales?
       
       > Spaniens Ex-Fußballverbandschef steht vor Gericht. Das ist gut. Wichtiger
       > als eine Strafe aber ist, dass der gesellschaftliche Druck nicht aufhört.
       
   IMG Bild: Ex-Fußballboss Luis Rubiales vor einer gerichtlichen Anhörung im September 2023
       
       Luis [1][Rubiales] droht eine Haftstrafe. Der Staatsgerichtshof in Madrid
       hat nämlich ein Verfahren gegen den früheren Präsidenten des spanischen
       Fußballverbands eingeleitet. Es geht um den Kuss, den Rubiales bei der
       WM-Siegerehrung im August 2023 der Spielerin Jennifer Hermoso
       [2][aufgezwungen hatte]. Der Richter erklärte, dass dieser Kuss „den
       Bereich der Intimität betrifft, der sexuellen Beziehungen vorbehalten ist,
       insbesondere im Kontext zweier Erwachsener“.
       
       Die Höchststrafe beträgt vier Jahre, und schon hört man das Raunen: Vier
       Jahre? Für einen Kuss? Ist das nicht übertrieben? Das Raunen ist Teil des
       Problems: dass es nämlich [3][Leute gibt, überwiegend Männer,] die ohne
       jede genauere Kenntnis sofort bereit sind, in übergriffigem Verhalten eine
       bloße Lapalie zu erkennen. Die solle sich nicht so haben.
       
       Solcherlei Wegwischen oder Kleinreden des Themas übersieht zudem, dass die
       Anklage nicht nur gegen Rubiales erhoben wird, sondern auch gegen drei
       weitere Funktionäre, zu denen Ex-Nationaltrainer Jorge Vilda gehört. Die
       hatten nämlich, heißt es in der Anklage, Druck auf Hermoso ausgeübt,
       öffentlich zu erklären, Rubiales’ Kuss sei mit ihrem Einverständnis
       erfolgt.
       
       Gewiss sind kritische Fragen möglich, ob der Sexismus des Herrn Rubiales
       und seiner Mitstreiter wirklich mit den Mitteln des Strafrechts und
       wirklich von einem männlichen Richter abgeurteilt werden sollte.
       Verrechtlichung gesellschaftlicher Konflikte ist immer problematisch, denn
       vor allem entzieht sie diesen Konflikt – hier: der sexistische Übergriff
       und der Widerstand dagegen – der Gesellschaft. Die hatte sich noch
       wirkungsvoll gewehrt, indem etwa [4][die Nationalspielerinnen in den Streik
       traten] und der sich doch gerade als WM-Trainer fühlende Vilda geschasst
       wurde.
       
       Dieser unglaublich wirkungsvolle Protest droht nun zu einem Widerstand
       zweiter Klasse zu werden, indem sich der Staatsgerichtshof der Sache
       bemächtigt. Durch diese Zuständigkeitsverschiebung von der Gesellschaft zum
       Staat verändert sich die Begründung. Sexistische Übergriffe sind dann nicht
       mehr von Übel, weil sie die Menschenwürde von Frauen verletzen, sondern
       weil man dafür vom Staat bestraft werden kann.
       
       Solch kritische Anmerkungen sind berechtigt, doch sie übersehen, dass es ja
       erst der Druck der spanischen Gesellschaft, genauer: der spanische
       Frauenbewegung war, der den Staat zum Handeln brachte.
       
       Was heißt das nun für den anstehenden Prozess gegen Luis Rubiales und seine
       Kameraden? Dass es nicht darum geht, ob der Expräsident zu einer Haft- oder
       einer Geldstrafe verurteilt wird. Irgendein Urteil gegen ihn sollte völlig
       ausreichen – wenn, ja wenn der Druck gegen die anderen Rubialesse der
       Fußball- und übrigen Sportwelt weitergeht.
       
       26 Jan 2024
       
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