URI: 
       # taz.de -- Mentale Gesundheit im Journalismus: Wenn der Beruf krank macht
       
       > Unter welchen Bedingungen arbeiten Journalist*innen? Das wurde auf dem
       > Journalismustag in Berlin diskutiert. Das Fazit fiel ernüchternd aus.
       
   IMG Bild: In Krisenzeiten leidet die psychische Gesundheit
       
       Berlin taz | Nachrichtenlesen ist für viele [1][zu einer psychischen
       Belastung geworden]. Laut dem Digital News Report 2023 des
       Reuters-Instituts meiden fast zwei Drittel der Menschen in Deutschland von
       Zeit zu Zeit aktiv die Berichterstattung. Tendenz steigend. Aber was ist
       mit Journalist*innen, die sich von Berufs wegen der globalen Situation
       nicht entziehen können? Nun könnte man argumentieren, dass niemand sie zu
       dieser Karriereentscheidung gezwungen hat. Im Gegenteil, die
       Einstiegshürden sind hoch und die Konkurrenz ist groß.
       
       Andererseits sei die Demokratie auf unabhängigen Journalismus angewiesen,
       sagte Ver.di-Vorstandsmitglied Christoph Schmitz am vergangenen Samstag auf
       dem 36. Journalismustag der deutschen Journalistinnen- und
       Journalisten-Union (dju) in Berlin. Die [2][Correctiv-Recherche zum
       „Geheimplan gegen Deutschland“] habe dies einmal mehr bewiesen. Auf der
       Konferenz ging es um die Frage, wie Arbeitgeber*innen für das Thema
       mentale Gesundheit zur Verantwortung gezogen werden können. Damit
       Journalist*innen ihre demokratische Aufgabe wahrnehmen können, seien
       gute Arbeitsbedingungen notwendig, sagte Schmitz. „Psychische Gesundheit
       ist kein Privatproblem.“
       
       Aktuell lässt sich nicht vermeiden, immer wieder auf das Thema
       Rechtsextremismus zurückzukommen. Schließlich sind es vor allem
       AfD-Anhänger*innen, die online gegen Medienschaffende hetzen. Dabei fielen
       immer die gleichen Worthülsen, „Staatsfernsehen“, „Lügenpresse“, sagte
       Nicole Diekmann, AfD-Expertin im ZDF-Hauptstadtstudio. Ihre
       Social-Media-Kanäle lässt sie inzwischen von HateAid überwachen, einer
       Organisation, die Betroffene von Hassrede betreut.
       
       Auch in der übrigen Bevölkerung nimmt das Vertrauen in die Medien ab. Nach
       Angaben des Reuters-Instituts halten nur noch 43 Prozent den Großteil der
       Nachrichten für vertrauenswürdig. Das belastet die Journalist*innen
       mental, [3][wie eine Umfrage der Otto-Brenner-Stiftung aus dem Jahr 2022
       zeigt]. Hinzu kommen Personalabbau und Arbeitsverdichtung, berichtete
       Co-Autor Burkhard Schmidt. Vielerorts fallen Stellen weg, während
       gleichzeitig mehr Kanäle als früher bespielt werden, 24 Stunden am Tag und
       in Echtzeit.
       
       ## Prekäre Lage für freie Journalist*innen
       
       Die Anwesenden schienen diesen Eindruck alle bestätigen zu können. Der
       Redebedarf war so groß, dass sich eine lange Schlange vor dem Mikrofon
       bildete. Und doch ließ Schmidts Präsentation den Raum sichtlich ratlos
       zurück: Sollen Journalist*innen nun ihre Qualitätsstandards senken?
       Künstliche Intelligenz die Arbeit machen lassen? Und wer bezahlt eigentlich
       diese ganzen „Resilienz“-Coachings?
       
       Die Journalistin Emma Thomasson empfahl den Anwesenden [4][die Helpline des
       Netzwerks Recherche], eine telefonische Beratung für Journalist*innen
       mit psychosozialen Problemen. Aber: „Veränderung kommt nur, wenn sie von
       oben gelebt wird“, fügt sie hinzu. Blöd nur, dass sich kein*e
       Arbeitgeber*in bereit erklärt hat, an dem Panel teilzunehmen.
       
       Und was ist eigentlich mit den freiberuflichen Journalist*innen? Ohne
       sie würden viele Zeitungen leer bleiben, auf den Gehaltsschecks spiegelt
       sich das allerdings nicht wider. 2019 lag das Stundenhonorar laut
       Freischreiber-Honorarreport im Schnitt bei 22,50 Euro brutto. Auszeiten zu
       nehmen, gestaltet sich schwierig. „Das ist ein Riesenproblem, aber da haben
       wir jetzt leider auch keine Lösung“, meint Kountidou. Es ist der große
       Elefant im Raum, den niemand an diesem Tag wirklich ansprechen will.
       
       Lars Hansen vom dju-Bundesvorstand versuchte es am Ende noch einmal, konnte
       aber nicht viel mehr sagen, als dass die Gewerkschaft dieses Thema wieder
       aufgreifen muss. Dann kündigte er an, dass es bald eine neue Tarifrunde
       geben wird. Die Freiberufler*innen werden davon nicht profitieren.
       
       28 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nachrichtenmuedigkeit-in-Deutschland/!5931080
   DIR [2] /Geheimtreffen-mit-Rechtsextremen/!5984871
   DIR [3] /Studie-zu-Transformation-in-den-Medien/!5869465
   DIR [4] https://netzwerkrecherche.org/helpline/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Clara Löffler
       
       ## TAGS
       
   DIR psychische Gesundheit
   DIR Journalismus
   DIR Prekäre Arbeit
   DIR Medien
   DIR Hassrede
   DIR Prekäre Arbeit
   DIR Netzwerk Recherche
   DIR Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
   DIR psychische Gesundheit
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Mentale Gesundheit im Journalismus: Arbeit im Haifischbecken
       
       An der Helpline von Netzwerk Recherche helfen Journalist*innen ihren
       Kolleg*innen. Das verbessert aber nicht die mentale Gesundheit am
       Arbeitsplatz.
       
   DIR Prekäre Verhältnisse in der Wissenschaft: Warten auf die Entfristung
       
       Wie lassen sich die prekären Arbeitsbedingungen an Hochschulen verbessern?
       Manche kehren der Wissenschaft entnervt den Rücken, oder gehen ins Ausland.
       
   DIR Inklusiver Journalismus: Divers diskutiert
       
       Auf der Netzwerk-Recherche-Jahreskonferenz geht es darum, wie Journalismus
       noch besser werden kann. Dieses Jahr lautet die Antwort: mit Diversität.
       
   DIR Junge Journalist*innen wünschen Veränderung: Wertschätzung? Fehlanzeige
       
       Junge Journalist*innen arbeiten oft in unsicheren, freien
       Anstellungsverhältnissen. Wie erleben sie die aktuellen Skandale beim ÖRR?
       
   DIR Schweigen über Suizid: Schluss mit dem Tabu
       
       Nach einem Jahr endet die Kolumne unserer Autorin über psychische
       Gesundheit. Zum Abschied spricht sie über ein Thema, das noch zu kurz kam:
       Suizid.