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       # taz.de -- Bauernproteste in Frankreich: Mit gelben Mützen in Le Pens Arme
       
       > In Frankreich übernimmt die Führung der Bauernproteste ein Verband, der
       > anschlussfähig an die Rechte ist. Die wittert vor den EU Wahlen ihre
       > Chance.
       
   IMG Bild: Protestierende Bauern an einer Straßenblockade südlich von Paris am 1. Februar
       
       Paris taz | Immer näher rücken die französischen Bauern [1][mit ihren
       Traktorkonvois] an Paris und andere Städte heran – unbeeindruckt von den
       bisherigen Zugeständnisse der Regierung.
       
       Regierungschef Gabriel Attal hatte am Dienstag im Parlament versichert, die
       Regierung stehe auf Seiten der Bauern – die Landwirtschaft sei „Stärke und
       Stolz“ des Landes. Doch punkten kann im Zug der Proteste vor allem die
       extreme Rechte.
       
       Unter den Landwirten, die in der Provinz [2][aus Protest gegen ihre
       prekären Lebensbedingungen Straßen blockieren] oder mit ihren Traktoren in
       Richtung Paris fahren, fallen die senfgelben Mützen auf, die sie tragen.
       
       Die Kopfbedeckung ist in zweifacher Hinsicht symbolisch: Die Farbe erinnert
       an die Protestbewegung von meist ländlichen „Wutbürgern“, die ab November
       2018 und während der folgenden Monate mit ihren [3][gelben Westen] mit
       Demonstrationen und Straßensperren für eine höhere Kaufkraft und gegen den
       Mangel an Infrastrukturen und Dienstleistungen gekämpft hatten.
       
       ## Zwischen Rotmützen und Gelbwesten
       
       Die zweite historische Referenz sind die „Rotmützen“ (Bonnets rouges), die
       in der Bretagne 2013 – ganz in der Tradition der ländlichen Revolten
       früherer Jahrhunderte – erfolgreich gegen eine Öko-Schwerverkehrsabgabe
       revoltiert haben.
       
       Die Abkürzung CR auf den gelben Mützen steht für „Coordination rurale“. Die
       „Ländliche Koordination“ ist heute der zweitgrößte Verband der Landwirte.
       Die hat es weit besser als die seit Jahrzehnten dominierende FNSEA
       (Fédération Nationale des Exploitants Agricoles) verstanden, die Wut der
       kleineren Viehzüchter, Geflügelhalter, Milchbauern und Gemüseproduzenten
       aufzugreifen und sie konfrontativ zu kanalisieren.
       
       Die FNSEA dagegen blieb zunächst bei ihrer Rolle als privilegierte
       Partnerin der Regierung, der Industrie und der Supermärkte und zögerte,
       ihre Basis zu mobilisieren. Doch die wartete aber nicht auf eine Einladung
       und beteiligte sich spontan an den Aktionen, die vor zwei Wochen im
       Südwesten begonnen und sich seither auf das ganze Land ausgeweitet haben.
       
       Die CR übernahm in zahlreichen Regionen die Führung einer Bewegung, die der
       Kontrolle durch die FNSEA und deren Jugendorganisationen Jeunes
       Agriculteurs (JA) entglitten war. Die gelben Mützen sind populär geworden.
       
       ## Die Rechte unterstützt die Proteste
       
       Die Ausrichtung dieses bäuerlichen Interessenverbands ähnelt in manchen
       Punkten der nationalistischen, protektionistischen und antieuropäischen
       Propaganda der extremen Rechten – und die unterstützt die Proteste seit
       Beginn.
       
       Der Parteivorsitzende des Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, der
       wie seine Chefin Marine Le Pen aus Solidarität die Landwirte der CR auf
       ihren Barrikaden besucht, bezeichnete sich sogar selber als „Wortführer
       unserer ländlichen Gebiete und Bevölkerung“. Einige lokale CR-Chefs, wie
       Serge Bousquet-Cassagne, verheimlichen nicht, dass sie mit der politischen
       Rechten sympathisieren. Marine Le Pen wiederum schürt nicht nur die
       Radikalität der Protestbewegung. Sie begrüßt gar den „Bruch zwischen der
       FNSEA und der Basis“ ausdrücklich.
       
       Die Sympathien der in Bedrängnis geratenen Kleinbauern für die Rechte ist
       nicht neu. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen von 2022 erklärte rund
       ein Drittel der ländlichen Bürger*innen, im ersten Durchgang Marine Le Pen
       gewählt zu haben. Vielen von ihnen erscheint die Rechte als einzige
       Alternative zur liberalen Politik von Emmanuel Macron, zur derzeitigen
       EU-Politik und „Technokratie“.
       
       Die Ex-Präsidentschaftskandidatin des RN hatte darum keine Mühe, einen
       politisch ähnlich gesinnten Landwirt zu finden, bei dem sie vor den
       Fernsehkameras auf einem von seinem Sohn gelenkten Traktor eine Runde
       drehen durfte.
       
       ## Bauern werfen verzweifelt das Handtuch
       
       Angesichts der wirtschaftlichen Probleme und wenig rosigen Aussichten in
       mehreren Sparten des Berufs, werfen viele französische Bauern verzweifelt
       das Handtuch. Andere geben an, sie seien nicht mehr motiviert
       weiterzumachen, wenn die Zuwendungen der EU-Agrarpolitik und nicht der
       Verkauf der Produkte zur wichtigsten Einnahmequelle würden.
       
       Zwar sind die Landwirte also zahlenmäßig ein relativ kleines Wählersegment,
       doch sie haben Gewicht in der Gesellschaft: Landwirtschaft gilt als Teil
       der Tradition, mehr als 80 Prozent finden ihre derzeitigen Forderungen und
       Aktionen legitim. Die extreme Rechte kann mit ihrer Solidarisierung mit den
       Bauernprotesten so in den ländlichen Gebieten, die sich seit Langem von der
       Elite in Paris vernachlässigt fühlt, neue Stimmen gewinnen.
       
       Fünf Monate vor den EU-Wahlen muss die Le Pen-Partei keine eigene Kampagne
       mehr führen, um bereits als Gewinnerin dazustehen.
       
       1 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Rudolf Balmer
       
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