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       # taz.de -- Gründe für Proteste gegen rechts: Sehnsucht nach Handlungsmacht
       
       > Trost, Austausch, Unzufriedenheit mit der Regierung: Eine Studie hat
       > Menschen befragt, warum sie sich an den Demos gegen Rechtsextremismus
       > beteiligen.
       
   IMG Bild: Das neue Wir-Gefühl: Szene einer Großdemo in Hamburg am 28. Januar
       
       Berlin taz | Was treibt die Menschen an, gegen Rechtsextremismus auf die
       Straße zu gehen? Mit dieser Frage hat sich eine repräsentative Studie
       beschäftigt, die am Mittwoch vom Kölner
       [1][Rheingold-Marktforschungsinstitut] vorgestellt wurde. Wiedererlangte
       Handlungsmacht, ein Zugehörigkeitsgefühl, Unzufriedenheit mit der
       derzeitigen Ampel-Politik – das sind wesentliche Faktoren, die laut den
       Studienautor:innen eine Rolle spielen, weshalb Menschen sich an den
       bundesweiten Protesten gegen Rechtsextremismus beteiligen. Insgesamt 1.061
       Menschen wurden online nach ihren Motiven befragt. Zusätzlich wurden mit 26
       Proband:innen tiefenpsychologische Interviews geführt.
       
       Coronapandemie, Ukrainekrieg, Inflation – angesichts der multiplen Krisen
       fühlten sich viele Wähler:innen ohnmächtig, heißt es in der Studie.
       [2][Die Correctiv-Recherche] über ein Treffen von Neonazis, an dem einige
       Politiker der in Teilen rechtsextremen AfD sowie einzelne Mitglieder der
       CDU und der rechtskonservativen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten,
       sei für viele deshalb eine Art Weckruf gewesen. In den Gesprächen gaben die
       Proband:innen an, dass sie durch die Demonstrationen aus einem Gefühl
       der Lethargie herausgerissen worden seien. So stimmten 61 Prozent der
       Aussage zu, dass ihnen die Demonstrationen das Gefühl geben, dass sich
       etwas bewegt in Deutschland.
       
       Laut der Studie entsteht bei Menschen, die sich davor politisch heimatlos
       gefühlt haben, auf den Demonstrationen ein neues Wir-Gefühl. Sie fänden
       eine temporäre politische Heimat, da sie mit dem [3][gemeinsamen Aufstehen
       gegen Rechtsextremismus] und für die Demokratie ein klares politisches Ziel
       vor Augen hätten. Dieses Zugehörigkeitsgefühl, über das eigene soziale
       Umfeld hinaus, werde durch Gespräche mit Gleichgesinnten auf den Protesten
       bestärkt und als tröstend und bestärkend wahrgenommen.
       
       62 Prozent finden, dass die Demonstrationen den gesellschaftlichen Dialog
       fördern. Gleichzeitig macht sich knapp die Hälfte der Befragten Sorgen,
       dass sich die Gesellschaft durch die Demonstrationen weiter polarisiert.
       „Die Menschen wünschen sich, dass wieder mehr Räume der Begegnung
       geschaffen werden“, sagt auch die Psychologin und Leiterin der Studie,
       Birgit Langebartels.
       
       Schlechtes Fazit für die Ampel 
       
       Insgesamt gebe es eine große Sehnsucht, dass die Demonstrationen
       weitergehen und dass das eigene Engagement auch Wirkung zeige, betont der
       Psychologe Stephan Grünewald bei der Vorstellung der Studie am Mittwoch.
       Viele erhofften sich eine „große und konstante Bürgerwelle, die nicht nur
       gegen rechtsradikale Umtriebe aufsteht, sondern gegen alles, was in der
       Politik schiefläuft“, heißt es außerdem in der Zusammenfassung. 29 Prozent
       der Befragten wollen an künftigen Demos gegen Rechtsextremismus teilnehmen.
       
       Die Ampel-Regierung kommt insgesamt alles andere als gut weg. Fast alle
       vermissen „eine klare Richtung der Bundesregierung“. 70 Prozent der
       Befragten stimmen dem Statement zu: „Die Ampel [4][stärkt durch
       Uneinigkeit] die AfD.“ Dabei herrsche vor allem eine Frustration darüber,
       dass die regierenden Parteien so zänkisch seien, so Grünewald. Falls die
       Bewegung in den nächsten Wochen versanden sollte, werde sich das Gefühl der
       Ohnmacht wieder verstärken, warnen die Autor:innen zudem. Für die
       Bundesregierung sind die Demonstrationen wohl somit Mahnung und Auftrag
       zugleich.
       
       31 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.rheingold-marktforschung.de/
   DIR [2] https://correctiv.org/aktuelles/neue-rechte/2024/01/10/geheimplan-remigration-vertreibung-afd-rechtsextreme-november-treffen/
   DIR [3] /Bewegungstermine-in-Berlin/!5988439
   DIR [4] /Konsens-in-der-Ampel-gesucht/!5979152
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sabina Zollner
       
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