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       # taz.de -- Ausweitung des Gazakriegs: Ein vermeidbarer Krieg?
       
       > Der Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah spitzt sich zu. Laut
       > Experten wäre ein Waffenstillstand Voraussetzung für eine diplomatische
       > Lösung.
       
   IMG Bild: Israelische Soldaten im Norden Israels nahe der Grenze zum Libanon am 15. Januar
       
       Berlin taz | Ein [1][Krieg zwischen der Hisbollah und Israel] scheint jeden
       Tag näher zu rücken. Am Dienstag bombardierte die israelische Armee
       ungewöhnlich heftig dutzende Ziele im Suluki-Tal im Zentrum des Libanons.
       Die Hisbollah habe dort Stellungen für Raketenangriffe auf Israel genutzt,
       hieß es.
       
       Seit dem Beginn des Gazakriegs brodelt es auch an der nördlichen Grenze
       Israels. Die vom Iran gelenkte Hisbollah schießt Raketen und
       Panzerabwehrraketen aus dem Libanon ab, Israel beschießt
       Hisbollah-Stellungen. Knapp 100.000 Israelis sind von der Nordgrenze
       evakuiert worden – auch im Libanon haben über 70.000 Menschen ihre Häuser
       an der Grenze verlassen.
       
       „Wir gehen nicht zurück, bevor wir dort nicht wirklich sicher sein können“,
       heißt es unter den evakuierten Israelis, die seit Monaten im Zentrum des
       Landes ausharren. Sie fürchten nicht zuletzt einen vergleichbaren Angriff
       wie den der radikalislamischen Hamas vom 7. Oktober aus dem Norden.
       Ereignisse wie die vom Sonntag, als drei bewaffnete und mit der Hisbollah
       verbundene Kämpfer über die Grenze in israelisches Gebiet eindrangen,
       befeuern die Ängste. Wenige Stunden vorher hatte eine Panzerabwehrrakete
       der Hisbollah zwei Israelis an der Nordgrenze in ihrem Haus getötet.
       
       Ein Krieg mit der Hisbollah? Scheint vielen in Israel unvermeidbar. Eine
       Frage der Zeit, hört man überall. Dabei wäre die Verwüstung riesig, sollte
       die Lage eskalieren, auch in Israel. Israel ist militärisch überlegen, doch
       die Hisbollah soll rund 150.000 Raketen besitzen, etwa 20.000 davon
       GPS-gesteuerte Präzisionsraketen.
       
       Der israelische Autor und Sicherheitsexperte Yossi Melman ist
       optimistischer. „Ich halte einen Krieg derzeit nicht für wahrscheinlich“,
       sagt Melman am Telefon: „Auch wenn eine Eskalation zu einem vollen Krieg
       nicht ausgeschlossen werden kann, etwa wenn es zu einem größeren blutigen
       Zwischenfall mit vielen Opfern kommt oder eine Seite sich verschätzt.“
       
       Hisbollah hält sich zurück 
       
       Melman verweist auf [2][Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah], der in den
       vergangenen Wochen zahlreiche Gelegenheiten für eine Kriegserklärung
       vorbeiziehen ließ. Als etwa Anfang Januar der hochrangige Hamas-Kommandeur
       Saleh al-Aruri in Beirut getötet wurde, hielt die Welt aus Angst vor einem
       Flächenbrand im Nahen Osten für einen Moment den Atem an. Wie schon oft
       zuvor warnte Nasrallah Israel lediglich vor einem Kriegseintritt und schoss
       eine ungewöhnlich hohe Anzahl an Raketen auf den israelischen Norden ab.
       Die Hisbollah zeigte mit ihrer Reaktion aber auch, dass sie kein Interesse
       an einem offenen Krieg hat – nicht in diesem Moment.
       
       Auch die USA stehen auf der Bremse. Medienberichten zufolge soll Israel
       nach dem 7. Oktober einen Präventivschlag auf die Hisbollah erwogen haben.
       Die USA stellten sich dagegen. Eine Vermeidung einer Eskalation mit dem
       Libanon machten sie zur Priorität. US-Präsident Joe Biden hat kein
       Interesse, in einen Krieg hineingezogen zu werden. „Ich glaube, dass beide
       Seiten eine diplomatische Lösung bevorzugen“, sagte der leitende Berater
       des Weißen Hauses, Amos Hochstein, bei seinem Besuch in Beirut Mitte
       Januar: „Es ist unsere Aufgabe, eine solche zu finden.“
       
       Teil einer solchen diplomatischen Lösung würde bedeuten, dass sich
       Hisbollah-Kämpfer*innen wieder hinter den Fluss Litani zurückziehen, also
       etwa 30 Kilometer ins libanesische Landesinnere. So ist es auch in der
       [3][Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrats] aus dem Jahr 2006 vorgesehen.
       Von einer demilitarisierten Pufferzone kann jedoch nicht die Rede sein. Die
       Hisbollah drang nach der Resolution immer näher an die Grenze vor.
       
       Mittlerweile stehen an der Grenze Befestigungsanlagen und Überwachungstürme
       der Hisbollah. Raketen und Waffen werden in Dörfern versteckt. Außerdem sah
       die Resolution die Entwaffnung sämtlicher Milizen, auch der Hisbollah, im
       Libanon vor. Doch die Hisbollah wurde in den letzten Jahren vom Iran mit
       zahlreichen Waffenlieferungen versorgt. Verstöße gegen die Resolution gibt
       es auch von israelischer Seite. Etwa wenn die israelische Luftwaffe über
       libanesischen Luftraum fliegt.
       
       Im Moment deutet nichts auf eine diplomatische Einigung hin. Doch Melman
       betont, dass Grundbedingung für eine diplomatische Lösung an der Grenze
       wohl ein Waffenstillstand in Gaza wäre. Der Konflikt zwischen der Hisbollah
       und Israel wäre damit noch nicht beseitigt, doch Melman verweist auf die
       relative Ruhe, die seit dem Ende des Kriegs mit dem Libanon im Jahr 2006 an
       der Nordgrenze herrschte. Einigungen, so betont er, sind möglich, so wie es
       die Vorgängerregierung unter Yair Lapid vor zwei Jahren zeigte, als Israel
       und Libanon einen Streit um Offshore-Gasfelder beilegten.
       
       17 Jan 2024
       
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