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       # taz.de -- Falschbehauptungen von Anthony Lee: Der Demagoge der Bauernproteste
       
       > Bauernsprecher und Freie-Wähler-Politiker Lee fällt durch
       > Rechtspopulismus auf. Er behauptet, Politiker wollten Bauern Land für
       > Migranten wegnehmen.
       
   IMG Bild: Seine Leute nennt er „lupenreine Demokraten“: Bauernsprecher Anthony Lee bei einer Demonstration in Brandenburg
       
       Berlin taz | Ein wichtiger Wortführer der Bauernproteste und Kandidat der
       Freien Wähler ist mehrmals durch falsche und rechtspopulistische
       Behauptungen aufgefallen. Anthony Lee, Sprecher des Vereins Landwirtschaft
       verbindet Deutschland (LSV Deutschland), erklärte Mitte Januar,
       [1][Politiker wollten Landwirten ihr Land zugunsten von Flüchtlingen
       wegnehmen].
       
       In einem Interview antwortete der Social-Media-Star der Bauernbewegung auf
       die Frage „Warum sind die Politiker hinter Euch her? Warum wollen sie euch
       zerstören?“: „Ich glaube, es gibt viele Gründe. Vor allem: Die wollen unser
       Land… Die wollen unser Land, um darauf Industrie zu bauen, Häuser. … Häuser
       für Flüchtlinge oder wen auch immer.“ Das Gespräch führte die
       niederländische Influencerin Eva Vlaardingerbroek, die mehrmals in Shows
       des rechtsradikalen Donald-Trump-Unterstützers und Verschwörungsmystikers
       Tucker Carlson aufgetreten ist.
       
       Lees LSV Deutschland hatte gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband zu den
       Trecker-Demonstrationen in Berlin am 18. Dezember und am 15. Januar
       aufgerufen, die auf großes Medieninteresse stießen. Im Juni setzten die
       [2][Freien Wähler] Lee bei ihrem Bundesparteitag auf Platz 8 ihrer Liste
       für die Europawahl. Allein auf Facebook hat der Landwirt aus Niedersachsen
       mehr als 100.000 Follower.
       
       Für seine Behauptung, die Politiker wollten Bauern ihr Land wegnehmen, um
       darauf Häuser für Migranten zu bauen, liefert Lee in dem Video keinen
       Beleg. Die Bauernproteste richteten sich gegen die von der Ampelkoalition
       geplante Streichung der Subvention für klimaschädlichen Agrardiesel sowie
       gegen Umwelt- und Tierschutzregeln. Eine Enteignung von Höfen mit besonders
       hohen Stickstoffemissionen, wie sie in den Niederlanden diskutiert wird,
       fordert in der Bundesregierung aber niemand. In Deutschland werden Höfe,
       die schließen, in der Regel von Konkurrenten übernommen – die Äcker werden
       dann weiter landwirtschaftlich genutzt. Die Agrarfläche blieb deshalb in
       den vergangenen Jahrzehnten trotz „Höfesterbens“ ungefähr gleich groß: rund
       16 Millionen Hektar.
       
       In einer in mehreren Videos im Internet verbreiteten [3][Rede] auf einer
       Demonstration der nicht gemeinnützigen Lobbyfirma „Freie Bauern Deutschland
       GmbH“ am 15. Januar in Berlin schrie Lee: „Wenn wir allen Ernstes
       Spirenzchen machen, indem wir zum Beispiel 10 Milliarden Euro für den
       Aufbau eines Katasteramts in Kolumbien bereithaben...., dann sind wir
       bekloppt.“ Deutschland solle „erst mal zu Hause die Hausaufgaben machen,
       und wenn dann was über ist, dann geben wir es gerne ab“. Zum
       Bundesfinanzminister, der den Bauern die Agrardieselsubvention von jährlich
       440 Millionen Euro streichen will, sagte Lee: „Und wir haben genug Geld,
       Herr Lindner“.
       
       Doch das Entwicklungsministerium (BMZ) dementiert Lees
       10-Milliarden-Euro-Behauptung. „Das BMZ finanziert ein laufendes Projekt
       zum Aufbau eines Katasterwesens in Kolumbien mit 2 Millionen Euro“,
       schreibt eine Sprecherin des Ministeriums der taz. Das Projekt soll
       Kleinbauern in dem südamerikanischen Staat helfen, damit sie im Zuge einer
       Landreform Boden erhalten. Die ungleiche Landverteilung sei „eine zentrale
       Ursache des jahrzehntelangen bewaffneten Konflikts in Kolumbien“, so das
       BMZ.
       
       Lee empörte sich auch über Äußerungen in Medien, wonach der
       durchschnittliche Haupterwerbsbetrieb der Landwirtschaft im vergangenen
       Bilanzjahr mit [4][115.000 Euro Gewinn] gut verdient hat. Dabei müsse der
       Betrieb davon „immer noch die Angestellten bezahlen“. Doch das ist falsch.
       „Von den 115.000 Euro Unternehmensergebnis muss der Betrieb nicht mehr die
       Löhne der Angestellten bezahlen. Die sind schon vorher abgezogen worden“,
       sagt Sebastian Lakner, Agrarökonomie-Professor an der Universität Rostock.
       
       Trotz seiner Falschbehauptungen weist Lee den Vorwurf zurück, ein
       „Populist“ zu sein. Über seine Äußerungen sagte er: „Was ist denn daran
       falsch? Nichts daran ist falsch, was auf diesen Bühnen hier gesagt wird!“
       Den Medien dagegen kreidete er an, dass „die Berichterstattung bewusst
       falsch gesteuert wird“. „Ich sage nicht, dass wir eine Lügenpresse haben“,
       erklärte er unter Bezug auf eine gerade bei Rechtsextremen beliebten
       Beschimpfung. „Aber wir haben eine Lückenpresse, weil man bewusst bestimmte
       Dinge weglässt, um andere zu diffamieren.“
       
       ## „Affenkäfig“, „beschissen“, „bescheuert“
       
       Es werde „gehetzt“ gegen die Landwirte. Obwohl auch ihm immer Hetze
       vorgeworfen werde, so Lee. Das Wörterbuch Duden definiert „hetzen“ als
       „Hass entfachen, schüren; Schmähreden führen, lästern“. In seiner Rede
       schmähte der Bauernführer Politiker im Reichstag als „die da drüben in dem
       Affenkäfig“. Mehrfach nutzte er Ausdrücke wie „beschissen“, „Scheiß“ und
       „bescheuert“ und brüllte wiederholt, um seine Gegner oder deren Argumente
       lächerlich zu machen.
       
       Lee sagte auch: „Sie haben es versucht, uns in die rechte Ecke zu drängen …
       Es muss euch scheißegal sein. Wir stehen als lupenreine Demokraten
       zusammen.“ Als „[5][lupenreinen Demokraten]“ pries der ehemalige
       Bundeskanzler Gerhard Schröder Wladimir Putin, der in Russland politische
       Gegner einsperren lässt.
       
       Auffällig ist, dass Lee gern Argumente anführt, die auch Rechtsextreme
       nutzen. Ein Beispiel: Der thüringische AfD-Chef Björn Höcke unterstellt,
       dass Bilder von den Menschenmassen bei den Demos gegen Rechtsextremismus
       manipuliert seien. Ähnlich äußerte sich Lee in einem [6][Video]. Er zeigt
       auf eine [7][Luftaufnahme vom Kölner Heumarkt], der bei der Demo am 16.
       Januar voller Menschen ist. „Ein Kumpel von mir sagt: Das kann gar nicht
       wahr sein. Und da steht hier: 92 Prozent AI, also künstliche Intelligenz.“
       
       Nur: Der Urheber des Bildes, ein professioneller Fotograf, hat auf seinem
       [8][Instagramkanal] gleich mehrere Drohnenaufnahmen gepostet, darunter auch
       ein Video. Sie alle zeigen den Heumarkt aus verschiedenen Perspektiven und
       voller Menschenmassen. Das bestätigen laut [9][tagesschau.de] auch weiteres
       Bildmaterial von Nachrichtenagenturen und [10][anderen Nutzern] sozialer
       Netzwerke. Nach Polizeiangaben hatten etwa 30.000 Menschen an der
       Demonstration teilgenommen.
       
       Lee würde offenbar nicht auf die Idee kommen, selbst dabei zu sein. „Dieser
       Kampf gegen rechts, der jetzt ausgerufen wurde. Alles gut. Macht das“, sagt
       er mit einem süffisanten Lächeln in seinem Video. „Ich hasse Extremisten,
       ob links, ob rechts. Alles scheißegal.“ Das klingt so, als ob er
       Extremismus von links für derzeit genauso gefährlich wie den von rechts
       halten würde, obwohl in Ostdeutschland bekanntlich nicht Autonome stärkste
       politische Kraft zu werden drohen, sondern die AfD.
       
       In einem anderen Video behauptete Lee über die Demos gegen
       Rechtsextremismus: „Man will ablenken von dem Wahnsinn, der hier los ist.
       Rentenalter soll auf 69 hochgesetzt werden.“ Auch das ist falsch. Es gibt
       zwar ExpertInnen, die ein höheres Renteneintrittsalter wegen des
       demografischen Wandels für nötig halten. Aber beschlossen ist das
       keineswegs.
       
       Lee hat kein Problem damit, [11][Kommentare für die neurechte Wochenzeitung
       Junge Freiheit] zu schreiben. Oder in einem langen [12][Video] gemeinsam
       mit einer Landesvorsitzenden der Querdenkerpartei „die Basis“ aufzutreten.
       Sie duzen sich sogar. Mehrmals hat er rechten Medien wie Tichys Einblick
       Interviews gegeben. Und bei einer Veranstaltung 2021 hatte sich Lee
       ausländerfeindlich und „klimaskeptisch“ geäußert, wie die [13][taz damals
       berichtete]. „Mein Vater war britischer Soldat bei der Rheinarmee. Und mein
       Opa war Waffen-SS-Offizier. Das heißt also, wenn ich Klartext spreche, hat
       das seine Gründe“, sagte der Landwirt seinerzeit bei der
       Gründungsversammlung des Hannoveraner Regionalverbands der Werteunion. Die
       Waffen-SS war für zahlreiche Massaker im Zweiten Weltkrieg verantwortlich.
       
       ## Freie Wähler: Lee habe nur als LSV-Sprecher geredet
       
       Ausdrücklich im Zusammenhang „mit Migrationsgeschichten“ erklärte der
       Landwirt, der früher Polizist war, 2008 habe es bei der Berliner Polizei
       eine Anordnung gegeben, dass „2 Polizistinnen nicht allein Streife fahren
       dürfen“, was die Polizei aber dementierte. Mehrmals lobte Lee Ungarns
       rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der zusehends Presse
       und Justiz unter seine Kontrolle bringt.
       
       Zudem stellte der Bauernführer die Verantwortung des Menschen für den
       Klimawandel infrage. „Wie weit der menschengemacht ist, ja, darüber kann
       man ja streiten“, wiederholte er eine Behauptung etwa des
       Ex-AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland von 2019. Einen [14][geplanten
       Auftritt bei der AfD] im März 2023 sagte Lee erst nach Protesten ab.
       
       Lee und LSV Deutschland ließen Bitten der taz um Stellungnahme bis
       Redaktionsschluss unbeantwortet.
       
       Der Bundespressesprecher der Freien Wähler, Eike Jan Brandau, schrieb der
       taz auf Anfrage: „Herr Lee ist Aktivist von LSV und hat sich auf den Demos
       ausschließlich in dieser Funktion geäußert.“ Allerdings postet Lee einen
       Großteil seiner Videos auf einer Facebookseite mit Freie-Wähler-Logo im
       Titelbild.
       
       Gleichzeitig unterstützte Brandau Lee inhaltlich. „Richtig ist mit Blick
       auf eines seiner aktuellen Interviews, dass der Rückgang
       landwirtschaftlicher Nutzflächen die Konkurrenz um den knappen Boden in
       Deutschland erhöht hat“, so der Freie-Wähler-Sprecher. Das Statistische
       Bundesamt hat jedoch gerade wieder festgestellt, dass die „Größe der
       landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland bereits seit 2010
       [15][beinahe gleich]“ blieb.
       
       Brandau ergänzte: „Die drastische Darstellung von Herrn Lee in diesem
       Interview wollen wir uns als Partei nicht zu eigen machen.“ Weiter schrieb
       Brandau: „Herr Lee ist nicht rechtsradikal. Der aktive Kampf gegen den
       Rechtsextremismus und für die Demokratie gehört zu den Grundwerten von
       FREIE WÄHLER.“
       
       12 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/EvaVlaar/status/1744326475669451120
   DIR [2] https://www.freiewaehler.eu/presse/pressemitteilungen/europaparteitag/
   DIR [3] https://www.youtube.com/watch?v=S6NjOlczf94
   DIR [4] https://www.situationsbericht.de/5/52-buchfuehrungsergebnisse
   DIR [5] https://www.abendblatt.de/politik/deutschland/article106930893/Schroeder-Putin-ist-lupenreiner-Demokrat.html
   DIR [6] https://www.facebook.com/LandwirtschafterLEEben/videos/1094410148253049/
   DIR [7] https://www.instagram.com/p/C2Mr7e_Nk7Q/?img_index=1
   DIR [8] https://www.instagram.com/lennart/
   DIR [9] https://www.tagesschau.de/faktenfinder/demonstrationen-rechtsextremismus-bilder-100.html
   DIR [10] https://www.youtube.com/watch?v=lzshIuBbwwE
   DIR [11] https://jungefreiheit.de/debatte/kommentar/2023/wir-wuerden-hungern/
   DIR [12] https://www.youtube.com/watch?v=_V6wHFRTxIY
   DIR [13] /Protestbewegung-gegen-Umweltschutz/!5805034
   DIR [14] /Rechtsradikale-und-Agrarproteste/!5920354
   DIR [15] https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/01/PD24_021_41.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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