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       # taz.de -- Diagnose von Endometriose: Übertreibe ich? Nein!
       
       > Immer häufiger wird bei Menschen mit Uterus Endometriose festgestellt.
       > Das ist ein Beweis für das längst überfällige Umdenken in Sachen Schmerz.
       
   IMG Bild: Uterus mit Endometriose
       
       Die Zahl steigt! Immer öfter wird Endometriose diagnostiziert. Zwischen
       2012 und 2022 ist die Häufigkeit der Diagnose um 65 Prozent gestiegen. Das
       hat das [1][Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in
       Deutschland (Zi)] festgestellt. Was sich im ersten Moment wie eine
       schlechte Nachricht liest, ist vermutlich eine gute: Das öffentliche
       Bewusstsein für Endometriose wächst. In den vergangenen Jahren gab es immer
       mehr Medienberichte dazu, Ärzt_innen wie Patient_innen sind besser
       informiert. Besonders letztere nehmen ihren Schmerz nicht einfach hin – und
       mit Glück stoßen sie auf eine Medizinerin, die sensibilisiert genug ist, um
       darauf einzugehen und eine entsprechende Diagnose zu stellen oder an eine
       Spezialistin zu überweisen.
       
       Endometriose tritt bei etwa jedem zehnten Menschen mit Uterus auf. Die
       Krankheit verursacht nicht nur Erschöpfung, sondern bei vielen Betroffenen
       starke Schmerzen etwa in Bauch und Rücken, aber bei manchen auch in ganz
       anderen Körperteilen, außerhalb des Unterleibs, wie etwa in den Schultern –
       auch zyklusunabhängig. Bei manchen Betroffenen verursacht die Krankheit
       zwar gar keine Schmerzen, wirkt sich aber auf die Fruchtbarkeit aus.
       Endometriose ist wie so viele Krankheiten eine, die unterschiedliche
       Auswirkungen hat. Die Diagnose ist also komplex, Mediziner_innen müssen
       sensibilisiert dafür sein. Das ist zu selten der Fall, auch wenn das
       Bewusstsein erfreulicherweise wächst.
       
       Das Zi spricht zudem von einer „häufigen Bagatellisierung von
       Menstruationsbeschwerden“. Lange gingen Mediziner_innen einfach davon aus,
       dass ein [2][weißer, europäischer Mann die Norm] darstellt und alle anderen
       Menschen – BPoC, Frauen und Kinder, einfach nur eine Veränderung dieser
       Norm darstellen. Wer menstruiert, kann ja Schmerzmittel nehmen. Dabei geht
       die Krankheit viel weiter und kann bei Betroffenen Organe verkleben.
       Endometriose ist einer der häufigsten Gründe für ungewollte
       Kinderlosigkeit.
       
       In Deutschland dauert es etwa acht bis zehn Jahre bis Flinta (Frauen wie
       inter, nicht-binäre, agender und trans Personen) die Diagnose Endometriose
       bekommen. Zeit, in der sie sich regelmäßig vor Schmerzen krümmen oder kaum
       bewegen können. Zeit, in der ihr Leid gelindert werden könnte,
       beispielsweise durch die Entfernung des Endometriosegewebes, eine
       Umstellung der Ernährung oder eine physiotherapeutische Behandlung. Zeit,
       in der sie sich nicht ständig fragen müssen: Übertreibe ich? Ist es gar
       nicht so schlimm?
       
       ## Krankheit früher erkennen
       
       Dass Flinta ihre Schmerzen in den letzten Jahren ernster nehmen, liegt auch
       daran, dass Ärzt_innen und Wissenschaft genderspezifische Medizin
       inzwischen mehr respektieren. Zudem finden sich immer mehr Betroffene
       zusammen wie bei der Initiative „[3][EndEndoSilence“], die von der
       deutschen Regierung eine nationale Endometriosestrategie nach französischem
       Vorbild fordert: etwa spezialisierte Endometriosezentren, Aufklärung,
       Forschungsförderung. Auch Vereine wie die Endometriose-Vereinigung
       Deutschland üben politischen Druck aus.
       
       So kam es dazu, dass 2023 im Bundestag gleich zwei Debatten zum Thema
       Endometriose geführt wurden – Grundlagen dafür waren Anträge von der
       Linkspartei und der Unionsfraktion. Die Bundesregierung selbst fördert die
       Forschung: Jährlich fließen seit 2023 fünf Millionen Euro in die Forschung,
       denn noch immer weiß man nicht, [4][wie Endometriose entsteht].
       
       Auch in der medizinischen Praxis selbst tut sich etwas: Zur Feststellung
       der Diagnose werden immer öfter Ultraschall und MRT durchgeführt, statt
       einer Laparoskopie, also einem operativen Eingriff.
       
       Das alles ist eine gute Basis. Von hier aus kann es besser werden: Die
       Behandlung von Endometriose sollte in jedem Fall, nicht nur in Fachzentren,
       von der Krankenkasse übernommen werden. So wäre eine Behandlung im frühen
       Stadium niedrigschwelliger. Und Endometriose muss als chronische Erkrankung
       anerkannt werden. Schüler_innen müssen schon im Sexualkundeunterricht von
       Endometriose erfahren und dafür sensibilisiert werden, damit sie Krämpfe
       während der Menstruation nicht einfach mit Schmerzmitteln betäuben,
       sondern andere Lösungen wahrnehmen können. Ein Anfang ist gemacht. Bleibt
       zu hoffen, dass Endometriose öfter erkannt wird.
       
       4 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.zi.de/detailansicht/2022-fast-340000-frauen-mit-endometriose-diagnose-diagnosehaeufigkeit-2012-bis-2022-um-65-prozent-gestiegen-regionale-cluster-in-nordniedersachsen-und-mittelbaden
   DIR [2] /Elinor-Cleghorn-ueber-Gendermedizin/!5887143
   DIR [3] https://endendosilence.de/#popup-1
   DIR [4] /Forschung-zu-Endometriose/!5947080
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Nicole Opitz
       
       ## TAGS
       
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