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       # taz.de -- Lobbyismus bei der FDP: Steuerexpertin liefert doppelt
       
       > Einfluss auf Steuerpolitik? Lobbycontrol sieht Interessenkonflikte einer
       > FDP-Referentin im Bundestag. Die Fraktion erkennt darin kein Problem.
       
   IMG Bild: Manchmal verschwimmen Grenzen zwischen Lobbyismus und Politik: der leere Plenarsaal des Deutschen Bundestags
       
       Berlin taz | Am 10. November 2023 beschließt der Bundestag die Einführung
       der globalen Mindeststeuer, die es multinationalen Konzernen etwas schwerer
       machen soll, Steuern zu vermeiden. So schreibt es eine EU-Richtlinie vor,
       [1][die Bundesregierung hat bei der Umsetzung keinen Spielraum]. Dem
       FDP-Abgeordneten Maximilian Mordhorst ist es während der Debatte aber
       wichtig zu betonen, dass die deutschen Vorgaben nicht über die
       EU-Richtlinie hinausgehen, auch wenn „die ein oder anderen Ideologen“ das
       gefordert hätten. Dann zählt der FDP-Abgeordnete auf, welche
       Erleichterungen für die betroffenen Unternehmen das Gesetz ebenfalls
       enthalte, etwa, um den bürokratischen Aufwand zu verringern.
       
       Über Erleichterung bezüglich der globalen Mindeststeuer spricht vier Wochen
       später auch Julia Bossmann. Bei einem Webinar für Unternehmen erzählt sie,
       wie bei dem [2][internationalen Lieferdienstkonzern Delivery Hero] auf die
       Vorgaben geblickt wird und welch „große Erleichterung“ es gewesen sei
       festzustellen, dass das Gesetz Regelungen enthält, die den Aufwand für die
       Unternehmen reduzieren.
       
       Julia Bossmann ist nach eigenen Angaben bei Delivery Hero für die
       Gestaltung der globalen Steuerpolitik verantwortlich. Auf ihrem Profil bei
       dem Karrierenetzwerk LinkedIn zählt sie auf, dass dazu auch die
       „Vertretung der Unternehmensinteressen in Gesetzgebungsverfahren“ gehöre.
       Im Lobbyregister des Deutschen Bundestags wird sie als eine von fünf
       Angestellten von Delivery Hero geführt, die „unmittelbar
       Interessensvertretung ausüben“.
       
       Der Zugang zum Bundestag sollte für Julia Bossmann seit letztem Sommer
       deutlich einfacher geworden sein. Denn seitdem ist sie nicht mehr nur für
       Delivery Hero, sondern auch für die FDP-Bundestagsfraktion tätig – als
       steuerpolitische Referentin. Als solche ist sie direkt an
       Steuergesetzgebungsverfahren beteiligt, nimmt an vertraulichen
       Besprechungen teil und weiß, was im Bundestag hinter verschlossenen Türen
       debattiert wird.
       
       ## FDP-Fraktion sieht absolute Transparenz
       
       Kein Problem, findet die FDP-Fraktion. Julia Bossmann sei „nicht im Bereich
       des politischen Lobbyings tätig“, sagt der parlamentarische Geschäftsführer
       Torsten Herbst auf taz-Anfrage. Ihr Eintrag im Lobbyregister sei freiwillig
       erfolgt, um „absolute Transparenz gegenüber ihrem Arbeitgeber und der
       Öffentlichkeit herzustellen“. Zudem sei Steuergesetzgebung immer
       allgemeingültig, „weder ein spezifisches Unternehmen noch eine spezifische
       Person wird dadurch bevorzugt“.
       
       Aus Sicht der Initiative Lobbycontrol überzeugt diese Stellungnahme nicht.
       „Zum Lobbyregister gibt es klare gesetzliche Vorgaben, wer nicht als
       Lobbyistin tätig ist, sollte dort auch nicht als solche geführt werden“,
       sagt der Sprecher Timo Lange. „Der Interessenkonflikt liegt jedenfalls auf
       der Hand, der Umgang der FDP-Fraktion damit ist fragwürdig.“
       
       Selbstverständlich verfolge ein Unternehmen wie Delivery Hero bestimmte
       steuerpolitische Interessen und sei mitunter von Gesetzen betroffen, die in
       der FDP-Fraktion mitverhandelt werden. „Es ist kaum vorstellbar, dass Frau
       Bossmann da beide Hüte sauber voneinander trennen kann“, sagt Lange.
       
       Ähnlich sieht es die Organisation Abgeordnetenwatch. „Dass die
       FDP-Bundestagsfraktion eine Konzern-Lobbyistin zur Referentin macht, ist
       vollkommen unangemessen“, sagt Sprecherin Sarah Schönewolf. Als Referentin
       habe Bossmann exklusiven Zugang zu politischen Entscheidungen. Die
       Registrierung als Lobbyistin ermögliche es ihr dabei, „sich mit
       Politiker:innen über Anliegen des Konzerns auszutauschen“. Die Grenzen
       zwischen Politik und Lobbyismus würden so verschwimmen, das Vertrauen der
       Bevölkerung in politische Entscheidungen werde untergraben.
       
       Bossmann selbst, die bei Linkedin beide Tätigkeiten angibt, ließ eine Bitte
       der taz um Stellungnahme unbeantwortet.
       
       5 Feb 2024
       
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