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       # taz.de -- Offener Brief an die Berlinale: Roter Teppich für Rechtsextreme
       
       > Filmemacher:innen protestieren mit einem offenen Brief gegen die
       > Berlinale. Die Leitung versteckt sich hinter Formalitäten und verweist
       > auf den Senat.
       
   IMG Bild: 2019 wurden AfD-Politiker zu einem Film über das Warschauer Ghetto eingeladen
       
       Nur wenige Tage vor der Eröffnung der Berlinale am 15. Februar ist die
       Empörung über die Gästeliste der Filmfestspiele groß: Auf der stehen
       nämlich auch Politiker:innen der rechtsextremen AfD.
       Besucher:innen aus aller Welt, queere und feministische Filme, roter
       Teppich, ganz viel Glamour – und mittendrin Rechtsextreme, wie passt das
       zusammen?
       
       Gar nicht, finden 500 nationale und internationale Filmemacher:innen, die
       sich in einem offenen Brief gegen die Einladung von AfD-Vertreter:innen
       aussprachen und über den zuerst das US-Magazin Deadline berichtete.
       Mariette Rissenbeek, Nochleiterin der Berlinale, äußerte sich daraufhin mit
       einem Statement auf Instagram, in dem sie betont, dass die Berlinale für
       einen „basic democratic standard“ stehen würde.
       
       Doch was bedeutet das eigentlich? Darauf wollte die Pressestelle auf
       taz-Anfrage nicht eingehen. Ebenso wenig auf die Frage, ob die
       AfD-Politiker:innen nach der öffentlichen Empörung nun ausgeladen werden.
       Wie eine interne Quelle der taz berichtete, wurden insgesamt fünf
       Politiker:innen von der AfD eingeladen. Zwei hätten bereits zugesagt,
       zwei abgesagt und eine Antwort stehe noch aus.
       
       [1][Dass es überhaupt dazu kommen konnte, begründet Berlinale-Leiterin
       Rissenbeek] mit dem üblichen Prozedere, laut dem neben dem
       Bundesbeauftragten für Kultur und Medien auch der Berliner Senat
       Einladungen erhalten würden, „die auf die gewählten Mitglieder aller
       Parteien im Abgeordnetenhaus verteilt werden“. Und die AfD sei nun mal
       sowohl in den Bundestag als auch in das Abgeordnetenhaus gewählt worden.
       
       ## AfD-Politiker:innen einladen, aber nicht die eigenen Mitarbeiter:innen?
       
       Jedoch sollte die Entscheidung, wer genau eingeladen wird, bei der
       Berlinale liegen. „Die Vorgabe ist, dass ein gewisser Prozentsatz
       eingeladen werden muss. Aber welche Parteien eingeladen werden, das glaube
       ich, kann solch eine Institution selbst entscheiden, oder nicht?“, sagt
       ein:e Mitarbeiter:in der Berlinale, die anonym bleiben möchte, der taz.
       Die Einladung der AfD sei falsch: „Große Institutionen wie die Berlinale
       müssen den Schutz von Menschen, die von Rassismus, Sexismus und so weiter
       betroffen sind, gewähren.“
       
       Die Mitarbeiter:innen der Berlinale seien schockiert gewesen, der
       offene Brief daraufhin in ihren Reihen entstanden. Was ist das für eine
       Institution, die zu ihrer Eröffnungsfeier AfD-Politiker:innen einlädt, aber
       nicht die eigenen Mitarbeiter:innen?, fragen sich viele. Zumal die
       Positionierung einer Institution wie der Berlinale, die seit 1951 ein
       internationaler Treffpunkt für die Film- und Kulturbranche ist, durchaus
       Gewicht hätte.
       
       [2][Hunderttausende Menschen gehen seit Wochen auf die Straße und
       demonstrieren gegen rechts]. „Nie wieder ist jetzt“, ist einer der Slogans,
       aber wiederholt sich die Geschichte nicht schon? Auch damals wurden
       faschistische Gesetze umgesetzt und es wurde sich auf bestehende Regeln
       berufen.
       
       Auch die Berlinale hält sich nun an die Regeln. Das muss nicht so sein,
       findet die Mitarbeiter:in der Berlinale: „Die Gesetze sind durchlässig
       für Faschismus. Eine international anerkannte Kulturveranstaltung wie die
       Berlinale muss Stellung nehmen“, findet sie.
       
       ## Die AfD-Politikerin Kristin Brinker will trotz Proteste an der Eröffnung
       der Berlinale teilnehmen
       
       Laut der Berliner Senatskanzlei wurden auch in den vorherigen Jahren
       AfD-Politiker:innen eingeladen. Die Einladungen seien aber über die
       Berlinale erfolgt, nicht über den Senat. „Das Protokoll der Senatskanzlei
       hat nach den oben genannten Kriterien lediglich einem Verteiler
       zugearbeitet, der dem Gleichheitsgrundsatz entspricht“, so die Sprecherin
       der Senatskanzlei zur taz.
       
       Jens Meurer ist Geschäftsführer der Egoli Tossell Pictures, Regisseur und
       Produzent und hat mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Branche – und auch
       eben auf der Berlinale. Er kennt das Filmfestspiel gut. Die Berlinale sei
       in der Auswahl der Filme immer sehr politisch gewesen, sagt er zur taz.
       Meurer sieht die Lösung jedoch nicht darin, die AfD-Politiker:innen
       auszuladen: „Jeder sollte eingeladen werden, um zusammen Kunstfreiheit zu
       genießen und tolle Filme anzuschauen. Ein Safe Space für Demokratie sollte
       die Berlinale werden.“
       
       Laut Berliner Zeitung will die AfD-Politikerin Kristin Brinker an der
       Eröffnung der Berlinale teilnehmen. Jens Meurer freut sich darauf: „Wenn
       Frau Brinker kommt, dann komme ich erst recht.“ Er schlägt vor: „Wäre ich
       die Berlinale, würde ich nicht nur die beiden AfD-Leute herzlich einladen,
       [3][sondern auch noch mindestens 50.000 Berliner Filmfans.] Um der Welt zu
       zeigen, wo Berlin steht, in Sachen Offenheit und Demokratie. Das wären mal
       Berlinale-Bilder, die wirklich um die Welt gingen!“
       
       Was die AfD überhaupt auf der Berlinale zu suchen hat, fragen sich viele
       Filmemacher:innen, denn die AfD würde gegen alles sein, wo für die
       Berlinale steht: Weltoffenheit, Feminismus und queere Filme. Wenn die AfD
       zur Eröffnungsfeier kommt, dann ist das nichts anderes als eine
       Machtdemonstration der AfD, meint die Berlinale-Mitarbeiter:in. „Das
       Statement der Berlinale ist keine Positionierung gegen rechts. Angesichts
       der Bedrohung durch rechts muss man antirassistisch sein, und das bedeutet
       auch, Rechten gegenüber Grenzen zu setzen.“ Die Verantwortung würde nicht
       beim Senat liegen oder bei der BKM, sondern ganz allein bei der
       Berlinale-Leitung. „Die klare Mehrheit von uns Berlinale-Mitarbeiter:innen
       fordert eine sofortige Ausladung von diesen rechtsextremen
       Politiker:innen.“
       
       5 Feb 2024
       
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