# taz.de -- Drama um russische Eiskunstläuferin: Verlorene Jugend
> Kamila Walijewa ist wegen Doping bis Ende 2025 gesperrt. Wie aus einem
> Eiskunstlauftalent ein Politikum wurde.
IMG Bild: Letzte Drehungen: Kamila Walijewa im November 2023 bei der russischen Grand-Prix-Serie in Moskau
Reden wir über [1][Kamila Walijewa]. Über die vielleicht bekannteste
Eiskunstläuferin der Gegenwart. 17 Jahre ist sie alt. 15 war sie, als sie
die ganze Welt bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking zuerst
entzückt und dann in eine Art Schockzustand versetzt hat. Reden wir über
eine junge Athletin, die im Dezember 2021 eine Dopingprobe abgegeben hat,
die später positiv auf eine verbotene Substanz getestet wurde.
Über irre Ausreden und das Urteil des Internationalen Sportschiedsgerichts,
das Ende Januar entschieden hat, Walijewa vier Jahre zu sperren. Sie ist
die Hauptperson in der vielleicht verrücktesten Geschichte, die der
Eiskunstlaufsport je geschrieben hat.
Mit einem Post auf ihren Telegram-Account hat Walijewa auf das Urteil in
ihrem Fall reagiert. Da ist sie in einem knallroten Kleid auf ihrem
Element, dem Eis, zu sehen. Sie zeigt ein trauriges Gesicht, fährt
rückwärts, dann dreht sie sich um, das Bild wird schwarz. Es ist ein
eindrucksvoller Abschied von der Bühne, auf der sie bis Ende 2025 nicht
mehr auftreten darf.
Ihr nächster Post zeigt eine riesiges Herz zu einem Bild, auf dem ein
Plakat zu sehen ist, wie es in diesen Tagen an vielen Orten Russlands zu
finden ist. „Kamila, du bist unsere Goldene!“, steht da drauf. Dazu ein
Bild, das sie als Eiskunstläuferin in dem Kleid zeigt, mit dem sie bei den
Spielen in Peking an den Start gegangen ist.
[2][Schon einmal war halb Russland mit riesigen Bildern von Walijewa
plakatiert worden]. Da liefen die Spiele von Peking noch. Mit den Plakaten
sollte im Land für die Unterstützung Walijewas geworben werden. Denn die
war, in den Augen der Funktionäre des Olympischen Komitees von Russland,
zum Opfer einer Treibjagd des Westens auf den russischen Sport geworden.
## Herzmedikament für eine 15-Jährige
Nachdem Walijewa ein brillantes Kurzprogramm im Mannschaftswettbewerb der
Olympischen Spiele von Peking gelaufen ist, war bekannt geworden, dass in
einer Dopingprobe, die man Monate vor den Spielen von ihr genommen hatte,
ein verbotenes Herzmedikament nachgewiesen worden ist. Der Dopingmittelfund
bei einer 15-Jährigen wurde zum bestimmenden Thema der Spiele und war von
Anfang an hoch politisiert.
Die Russen benutzten Walijewa als Symbol für den Kampf des Westens gegen
die Sportnation Russland. Und für viele im Westen war Walijewa ein
Paradebeispiel für das gnadenlose russische Dopingsystem. Weil sich im
Peking niemand traute, den Fall einer 15-Jährigen, die nach den
Anti-Doping-Regularien unter einem besonderen Schutz stand, schnell zu
entscheiden, durfte Walilewa beim Einzelwettbewerb an den Start gehen. Ein
ums andere Mal stürzte die sonst so sichere Springerin und die ganze Welt
glaubte gerade Zeuge zu werden, [3][wie eine jugendliche Athletin am Druck
zerbricht].
Der Fall Walijewa ist bis heute ein Politikum. Nachdem die Sperre verkündet
war, nachdem die Internationale Eislaufunion beschlossen hatte, alle
Ergebnisse von Walijewa seit Ende 2021 zu annullieren, seit feststand, dass
die russische Mannschaft statt Gold nur Bronze für den Teamwettbewerb in
Peking erhalten wird, ist der Ton noch einmal rauer geworden.
Maria Sacharowa, die wortgewaltige Sprecherin des russischen
Außenministeriums, meinte etwa: „Sie töten den Sport. Aber das Schlimmste
ist, dass sie im Grunde den Olympismus als Phänomen zerstören.“ Und Dimitri
Peskow, der Sprecher des Kreml, meinte: „Für mich ist das politisch
motiviert, klar.“
Der Fall selbst rückt da in den Hintergrund, auch wenn sich russische
Sportmedien durchaus fragen, wie es sein konnte, dass die Anwälte Walijewas
ihre Klientin so mies beraten haben, dass am Ende nicht einmal ihr
jugendliches Alter für ein milderes Urteil gesorgt habe.
Sie zitieren aus Berichten, nachdem die Verteidiger meinten, Walijewa habe
versehentlich einen Nachtisch gegessen, in den ihr Großvater für sich eine
zerstoßene Herztablette eingerührt habe. Dieser Geschichte, die der
Sportlerin und ihrer Familie die ganze Verantwortung zuschiebt und das
Betreuerteam aus jeder Verantwortung nimmt, wollten die Schiedsrichter
keinen Glauben schenken. Die Strafe ist ausgesprochen, Walijewa gesperrt.
Sie wird 19 sein, wenn die Sperre endet. Was für eine Jugend!
7 Feb 2024
## LINKS
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## AUTOREN
DIR Andreas Rüttenauer
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