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       # taz.de -- Rassistische Parolen von Fußballfans: Einsteigen, rumhetzen, aussteigen
       
       > Fans von Hansa Rostock machten diskriminierende Durchsagen in einem Zug.
       > Niemand habe eingegriffen, berichtet eine Mitreisende.
       
   IMG Bild: Für die Bundespolizei keine „größere Störung“: Schon 2023 zündeten Rostocker Fans im Hamburger Hauptbahnhof Pyrotechnik
       
       Hamburg taz | Fans des Fußball-Zweitligisten Hansa Rostock haben sich in
       einem Regionalzug am vergangenen Sonntag Zugang zum Abteil des
       Zugbegleiters verschafft – und dann laut Zeug*innenaussagen 20 bis 30
       Minuten lang [1][rassistische und sexistische Parolen durchgesagt.] Die
       Fans waren auf der Rückreise von einem Auswärtsspiel in Hannover, das Hansa
       mit 1:2 verloren hatte.
       
       Das Zugpersonal meldete den Vorfall nicht der Bundespolizei, sodass die
       Randalierer ihre knapp zweistündige Zugreise nach Rostock beenden konnten,
       ohne dort von der Polizei in Empfang genommen zu werden. Erst durch zwei
       Meldungen von Bürger*innen hat die Bundespolizei nun einige Tage später
       Ermittlungen aufgenommen, bestätigt Frank Schmoll, Sprecher der
       Bundespolizei Rostock, der taz.
       
       Eine von ihnen ist Sandra Kramer. Sie will anonym bleiben, ihr echter Name
       ist der Redaktion bekannt, Dokumente, die ihre Mitfahrt bestätigen, liegen
       der taz vor.
       
       Am vergangenen Sonntag nahm Kramer den Regionalzug RE 4317 um 18.21 Uhr in
       Hamburg. Am Bahnhof Büchen wartete der Zug auf Anschlussreisende, unter
       denen auch eine Gruppe Jugendlicher war, die zum Teil Fanschals von Hansa
       Rostock trugen. „Sie hatten Bierflaschen in der Hand, wirkten stark
       alkoholisiert und grölten herum“, erzählt Kramer.
       
       ## Rassistische Durchsagen
       
       Sie selbst saß in einem Abteil, das bereits voll war. Eine Gruppe von etwa
       zehn Männern ging an ihr vorbei. Über den Zug verteilt seien es deutlich
       mehr Fans gewesen. Zunächst seien die Männer laut gewesen und hätten auch
       mit den Füßen getrampelt, sodass der Zug stark gewackelt habe. „Es war
       definitiv belästigend“, sagt Kramer.
       
       Dann verschaffte sich ein Teil der Gruppe Zugang zum Büro der
       Zugbegleiter*innen, das hat Kramer jedoch nicht selbst gesehen. Über
       die Anlage hätten die Jugendlichen dann zunächst durchgesagt, dass der
       nächste Halt Rostock sei, und hätten darüber gelacht sowie Musik
       abgespielt. Einige Fahrgäste in Kramers Abteil hätten das unterhaltsam
       gefunden, sagt Kramer. Dann sei allerdings die Aufforderung gefolgt, dass
       „die süße Blonde aus Wagen 6 zu ihnen kommen“ solle, der Spruch „Wessis
       raus“ sowie Beleidigungen wie „Missgeburt“.
       
       Um die zehn Mal sei die rassistische Aussage „Ausländer raus“ skandiert
       worden. Kramer habe Angst gehabt, erzählt sie. Sie kritisiert, dass das
       Zugpersonal nichts unternommen habe, um die Jugendlichen zu stoppen.
       Lediglich der Triebwerksführer habe zwischendurch die Durchsage gemacht
       „Jetzt macht mal eure Playstation aus“ – erfolglos. Die Bundespolizei
       bestätigt diesen Versuch, das Treiben zu stoppen.
       
       Kramer beklagt auch einen Mangel an Zivilcourage, weil weder das
       Zugpersonal noch Mitreisende eingeschritten seien. In ihrem Abteil hätten
       sich Fahrgäste über die Durchsagen amüsiert. [2][Empörung habe es kaum
       gegeben.] Nur eine Frau habe die Ausschreitungen verurteilt.
       
       ## Polizei begleitete Fans nicht
       
       Als Kramer in Schwerin den Zug verließ, um umzusteigen, habe sie am
       Informationsschalter der Deutschen Bahn eine Panikattacke bekommen und sich
       sehr allein gelassen gefühlt. „Ich habe den Zug verlassen und dachte,
       niemand wird davon erfahren“, sagt sie. Am Tag darauf blieb sie zu Hause,
       sprach mit einer Mitarbeiterin der Deutschen Bahn, schrieb dem Verein Hansa
       Rostock, der Bundespolizei sowie der Antirassismusbeauftragten der
       Bundesregierung eine E-Mail über den Vorfall. „Es kann einfach nicht sein,
       dass so etwas mittlerweile Normalität ist“, sagt Kramer.
       
       Bundespolizeisprecher Frank Schmoll sagt, man werde nun auf die
       Zugbegleiter*innen zugehen, um deren Aussagen im Rahmen der
       Ermittlungen aufzunehmen. Wie es allerdings dazu kommen konnte, dass die
       Fans ohne Polizeibegleitung in Büchen einstiegen, ist unklar.
       
       In einer Mitteilung schrieb die Bundespolizei am Sonntag, dass mehr als 250
       Polizist*innen wegen des Spiels in Hannover im Einsatz waren. Bei der
       Anreise der Fans aus Rostock hätten diese Pyrotechnik im Hauptbahnhof
       Hannover abgebrannt, was die Bundespolizei aber nicht als „größere Störung“
       betrachtete. Die Rückreise sei „im bahnpolizeilichen Bereich unter
       bundespolizeilichen Lenkungsmaßnahmen ruhig und störungsfrei“ verlaufen,
       meldete die Polizei am Sonntag kurz nach 18 Uhr – also eine Stunde, bevor
       die Fans in das Zugbegleiterbüro des RE 4317 eindrangen.
       
       Martin Kröger, Einsatzleiter der Bundespolizei, freute sich zu diesem
       Zeitpunkt in der Pressemitteilung bereits über „das überwiegend
       störungsfreie Fanverhalten“.Die Polizeitaktik sei aufgegangen. Dazu gehörte
       wohl auch, die Fans ab Abreise aus Hannover aus den Augen zu lassen.
       
       ## Berüchtigte Rostocker Fanszene
       
       Dabei fällt die Fanszene des Rostocker Vereins immer wieder [3][mit klar
       rechtsradikalen und gewalttätigen Aktionen auf.] So hatten 150 gewalttätige
       Fans bei einem Auswärtsspiel in Paderborn im Dezember unter anderem acht
       Ordnungskräfte im Stadion verletzt, auch ein Zuschauer wurde schwer am Kopf
       verletzt.
       
       „Die Zusammenarbeit mit Sicherheitskräften der DB AG verlief sehr gut“,
       schrieb die Bundespolizei. Warum sich die DB-Mitarbeitenden nicht sofort
       bei der Polizei gemeldet hatten, kann der Rostocker Polizeisprecher Schmoll
       nicht sagen, und verweist auf die Bahn.
       
       Eine Sprecherin der Deutschen Bahn bestätigt den Vorfall, will sich aber
       nicht weiter dazu äußern. Fragen zu dem Verhalten der
       Zugbegleiter*innen beantwortete das Unternehmen ebenso wenig wie die
       Frage, ob Zugbegleiter*innen verpflichtet sind, strafrechtlich
       relevante Aussagen der Polizei zu melden.
       
       8 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
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   DIR [2] /Sexismus-im-Fussball/!5985423
   DIR [3] /Pyros-bei-St-Pauli-gegen-Hansa-Rostock/!5918058
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Theresa Moosmann
       
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