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       # taz.de -- Radikal rechter Sender Auf1: Ein Heimatsender für die AfD
       
       > Um die AfD ist ein Biotop rechter Medien entstanden, etwa der
       > Fernsehsender Auf1 aus Österreich. Der will 2024 in Deutschland groß
       > angreifen.
       
   IMG Bild: Prorussische Friedensdemo in München, 5. April 1923, Auf1-Plakat
       
       München/Linz/Berlin taz | Das „Weitblick“ im Münchner Norden ist eine edle
       Eventlocation: eine Bar aus Glaswänden mit lichtgefluteten
       Veranstaltungsräumen. Hier kommen an einem Sonntag Mitte Januar die Größen
       der deutschsprachigen Verschwörungsszene zusammen: Querdenkerinnen,
       Impfgegner, Politikerinnen der rechtspopulistischen [1][Freiheitlichen
       Partei Österreichs (FPÖ)] und deutsche Rechtsextreme.
       
       Der österreichische Fernsehsender Auf1 hat zum Neujahrsempfang geladen. Man
       trifft sich in München, weil 2024 das Jahr sein soll, in dem Auf1 auch in
       Deutschland Fuß fasst. Die Zeichen dafür stehen nicht schlecht:
       [2][Ostdeutschland, auf dessen Publikum Auf1 ganz offensichtlich zielt,
       wählt im Herbst drei neue Landesparlamente.] Und die AfD, die der Sender
       hofiert, erreicht in Umfragen Spitzenwerte.
       
       Wenn es nach Chefredakteur Stefan Magnet geht, dann vollzieht sich an
       diesem Tag im Januar im Münchner Weitblick die „Medienrevolution“.
       
       Magnet ist 39 Jahre alt und langjähriger Akteur in der rechtsextremen Szene
       Österreichs. Lässig steht er in München auf der Bühne, die Krawatte fest
       gebunden, das Jackett trägt er offen. Er spricht frei und pointiert, wirkt
       schmeichelnd, gleichzeitig zupackend. Magnet beherrscht das Handwerk der
       Unterhaltung – und der Bissigkeit. Er versteht es, in
       ironisch-überheblicher Attitüde zu hetzen und Tatsachen zu verdrehen.
       
       Im Sekundentakt feuert er Parolen in Richtung Publikum. „Es gibt keine
       freien Medien in Deutschland“, ruft er – und warnt vor den Eliten in
       Politik, Wirtschaft und Medien. „Gegen diese Bande werden wir gewinnen“,
       ruft Magnet. Seine Zuhörer klatschen begeistert, Jubelrufe ertönen im Saal.
       
       Der Neujahrsempfang ist ausverkauft. 300 Menschen haben je 179 Euro für das
       Ticket bezahlt, um bei Weißwein und Häppchen der Untergangserzählung von
       Magnet und seinen Mitstreitern zuzuhören. In einem professionell gemachten
       Video werden schlaglichtartig die Highlights des Fernsehprogramms von Auf1
       auf eine Leinwand geworfen. Eine Sängerin schmettert Tina Turners „The
       Best“ ins Mikrofon.
       
       Auf1, das steht für „Alternatives Unabhängiges Fernsehen, Kanal 1“. Stefan
       Magnet hat den Sender zur Zeit der Pandemie gegründet, zunächst nur für das
       Internet. Allein über den Messengerdienst Telegram erreicht Auf1 mehr als
       267.000 Abonnent*innen. Mittlerweile hat der Kanal es auch ins
       Satellitenfernsehen geschafft.
       
       Berichtet wird aus einer rechtsextremen Wahnwelt: Da müssen alte Leute aus
       Altersheimen raus und Platz machen für Migranten, die WHO errichtet die
       „Weltdiktatur“ und Deutschland ist besetzt von den USA.
       
       Seit Sommer sendet Auf1 auch aus Deutschland, und wenn sich seitdem ein
       Thema durch das Programm zieht, dann ist es das angebliche Versagen der
       Ampelregierung und der Triumph ihrer Kritiker: der AfD.
       
       Auf1 könnte bald zu dem Heimatsender werden, den die AfD immer wollte.
       
       ## Eine rechte Gegenöffentlichkeit
       
       Die AfD verfolgt seit jeher eine ganz spezielle Medienstrategie: Sie
       kanzelt die etablierten Medien als „Systemmedien“ ab und baut gleichzeitig
       eigene, reichweitenstarke Kanäle auf. Eine rechte Gegenöffentlichkeit.
       
       In den sozialen Medien ist die AfD damit so erfolgreich wie keine andere
       Partei: Allein bei Tiktok, der Videoplattform für ein junges Publikum,
       erreicht die AfD-Bundestagsfraktion 396.000 Follower. Die SPD erreicht
       126.000, die Grünen-Bundestagsfraktion hat erst seit wenigen Tagen
       überhaupt einen offiziellen Account bei Tiktok. Ähnlich sieht das
       Kräfteverhältnis bei Youtube aus.
       
       Mit dem Versuch, eigene Medien auch im Analogen aufzubauen, ist die AfD
       hingegen weniger erfolgreich. Der Newsroom etwa samt investigativer
       Rechercheeinheit, den die Partei 2018 angekündigt hatte – der Claim: „AfD
       statt ARD“ –, ist in dieser Form nie zustande gekommen. Die Idee aber, Geld
       in den Aufbau von Medien zu stecken, blieb. So sollen Parteimitglieder auf
       einem ähnlichen [3][Treffen wie dem mittlerweile berüchtigten im November
       bei Potsdam] etwa überlegt haben, einen Berliner Sender aufzukaufen.
       
       Dabei hat sich rund um die AfD längst ein florierendes Netzwerk von rechten
       Medien angesiedelt. Es besteht aus Zeitungen und Magazinen, aus Radio- und
       Fernsehsendern. Einige sind über Jahrzehnte gewachsen, andere mit viel Geld
       und professionellem Know-how erst in den vergangenen Jahren gestartet. Die
       rechte Wochenzeitung Junge Freiheit etwa gehört zu den etablierten. Zwar
       beansprucht sie für sich eine Distanz zur AfD, lancierte aber jüngst eine
       Petition gegen ein [4][AfD-Verbot]. Gleichzeitig wächst die Auflage der
       Zeitung: 27.000 Exemplare verkauft sie mittlerweile wöchentlich.
       
       Im Radio ist es der Sender kontrafunk, der den Sound der AfD abbildet. Der
       Sender wurde gegründet von dem früheren Deutschlandfunk- und
       SWR-Journalisten Burkhard Müller-Ullrich. Er hat dem öffentlich-rechtlichen
       Rundfunk abgeschworen und 2022 in der Schweiz kontrafunk gegründet. Er
       sendet übers Internet. Die [5][aktuellen Demos gegen die AfD] sind für
       Müller-Ullrich ein „kultureller Bürgerkrieg zwischen Ja-Sagern und
       Widerständigen“, die Hunderttausenden Demonstrierenden für ihn die
       „Fußtruppen der Herrschenden“.
       
       Das wohl meist diskutierte unter den rechten Medienportalen dürfte
       allerdings [6][Nius] sein. Es ist auf [7][Julian Reichelt] zugeschnitten,
       dem früheren Chefredakteur der Bild-Zeitung. Reichelt zeichnet darin
       regelmäßig ein Bild von Deutschland, wie es der AfD gefallen dürfte: Frauen
       trauten sich demnach nachts kaum noch auf die Straße, junge arabische und
       afrikanische Männer dominierten die Städte, und die „Klima-Ideologie“ der
       Ampelregierung richte das Land zugrunde. Zwar spricht Reichelt auch von den
       „furchterregenden Ansichten“ in Teilen der AfD. Gleichzeitig plädiert er
       dafür, dass die CDU in Ostdeutschland die viel beschworene Brandmauer
       lieber zur AfD als zur Linken einreißt. Das Volk wolle es so.
       
       Im Vergleich zu Julian Reichelt bei Nius drehen Stefan Magnet und sein
       Berlin-Korrespondent Michael Müller-Mertens bei Auf1 noch ein bisschen mehr
       auf. Ihren großen Moment hatten die Programmmacher während der Bauerndemos
       in Berlin Anfang des Jahres. Eine ganze Sondersendung hoben sie kurzfristig
       ins Programm: Zehn Kamerateams begleiteten die Demos in Deutschland.
       Darunter waren zwei west- und vier ostdeutsche Städte.
       
       Michael Müller-Mertens meldete sich beinahe täglich live von einem anderen
       Traktor. Während Auf1 die Bauernproteste als eine Art Erweckungsmoment für
       Deutschland inszenierten, finden die großen Anti-AfD-Proteste der
       vergangenen Wochen kaum Erwähnung. In der Lesart von Stefan Magnet sind sie
       inszeniert, um davon abzulenken, wie die Ampelregierung gerade Deutschland
       „abreißt“.
       
       Dafür immer wieder im Programm: die AfD. Im September interviewt Stefan
       Magnet [8][AfD-Chefin Alice Weidel] und den rechtsextremen
       FPÖ-Kanzlerkandidaten Herbert Kickl gemeinsam. Kurz darauf empfängt er
       Weidel zum einstündigen Einzelinterview. Magnet fungiert dabei mehr als
       Stichwortgeber denn als Interviewer. Und der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke
       durfte im Auf1-Interview das „Parlamentstheater“ im Landtag geißeln, und
       die „Kollaborateurselite, die uns beherrscht“.
       
       Aber die AfD wird nicht nur interviewt bei Auf1, sie interviewt auch selbst
       im Auftrag von Auf1.
       
       Vom Bundesparteitag der AfD im Juni 2022 in Riesa berichtete Marie-Thérèse
       Kaiser. Kaiser ist Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Rotenburg,
       Niedersachsen, sie sitzt für die Partei im dortigen Kreistag. Für Auf1 war
       sie in Riesa als Reporterin unterwegs – ohne Hinweis auf ihre Parteiämter.
       
       Kaiser hält das blau-gelbe Mikrofon fest in der Hand und strahlt in die
       Kamera. „Dies ist ein richtungsweisender Parteitag“, sagt sie. Tino
       Chrupalla, den in Riesa frisch gewählten neuen Parteichef, beglückwünscht
       sie zu seiner Wahl. Dann interviewt sie handzahm Björn Höcke. Auf
       taz-Anfrage reagiert Kaiser nicht.
       
       Für Kaiser ist es nicht das erste Mal, dass sie vor einer Kamera steht. Sie
       moderierte ein Videoformat der neurechten Initiative „Ein Prozent“, die vom
       Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird, und tritt in
       Videos des rechtsextremen Compact-Magazins auf. Kaiser wurde im Sommer 2023
       wegen Volksverhetzung verurteilt.
       
       Sender wie Auf1 bekommen immer wieder privilegierten Zugang zu Höcke und
       anderen AfD-Politiker*innen: Hatte Höckes Thüringen-AfD etwa ein Team des
       ZDF 2023 vom Landesparteitag noch rechtswidrig ausgeschlossen, wurden
       Compact und Auf1-TV auf dem Bundesparteitag von Riesa 2022 sogar
       nachträglich akkreditiert. Auf dem Parteitag in Riesa erschien dann neben
       besagter Kaiser auch Simon Kaupert aus der rechtsextremen Identitären
       Bewegung für Auf1. Kaupert, der mit White-Power-Geste auf Twitter posiert,
       drehte unter anderem mit dem Chef-Identitären [9][Martin Sellner]
       Videobeiträge für die AfD Sachsen-Anhalt.
       
       ## Wurzeln in Neonazistrukturen
       
       Das Café Traxlmayr in der Linzer Innenstadt ist ein Etablissement vom alten
       Schlag. Kronleuchter hängen von den hohen Decken, die Sitzbänke sind
       rot-golden gepolstert. Ein Kaffeehaus im Wiener Stil. An einem
       Mittwochmorgen im November sucht sich Uwe Sailer einen Tisch mitten im
       Café. Dass man ihm hier von rundherum gut zuhören kann, scheint ihn nicht
       zu stören.
       
       Uwe Sailer, silbernes Haar, war fünfunddreißig Jahre lang Polizist in Linz.
       Jetzt ist er im Ruhestand, aber seinen Kampf gegen Österreichs
       Rechtsextreme führt er weiter. Als einer der ersten Polizisten in
       Österreich hat sich Sailer auf Datenforensik spezialisiert – auf
       Spurensuche im Internet und auf Rechnern. „Terabytes“ an Material über die
       extreme Rechte habe er gesammelt. Vieles aber hat er im Kopf: Namen, Daten,
       Verbindungen. Sailer war nicht nur Polizist, er ist auch Mitglied des
       Oberösterreichischen Netzwerks gegen Rassismus und Rechtsextremismus.
       
       Mit dem Auf1-Gründer Stefan Magnet befasst sich Sailer seit fast 20 Jahren.
       Die beiden haben sich mehrmals getroffen. Einmal habe Magnet den Polizisten
       Sailer verklagt, wegen angeblicher Datenfälschung. Das Gericht gab Sailer
       recht.
       
       Magnet sei, erzählt Sailer, „extrem rechtsextrem und antisemitisch“. Ihn
       treibe „ein Rachegefühl“. Früher sei Magnet in Lederhosen und weißem Hemd
       herumgelaufen, wie einst die Hitler-Jugend. „Heute ist alles
       verklausuliert: Es geht um die ‚Ostküste‘, um die ‚Eliten‘.“ Die Botschaft
       aber sei dieselbe, sagt Sailer: „Andere Menschen sind minderwertig,
       Germanen die Herrenrasse. Magnet und seine Gefolgsleute wollen Remigration,
       Ausländer raus.“
       
       Die Wurzeln von Auf1 reichen lange zurück und tief in die Neonazistrukturen
       Österreichs. Stefan Magnet begann seine Karriere in der rechtsextremen
       Szene Österreichs wohl im Bund Freier Jugend (BFJ). Der war die
       Jugendorganisation der Partei Arbeitsgemeinschaft für demokratische
       Politik. Der österreichische Verfassungsschutz nannte die Partei das
       „aktivste Sammelbecken der organisierten rechtsextremen Szene in
       Österreich“. Der BFJ entstand im Jahr 2003. Der damals erst 19-jährige
       Stefan Magnet wurde zu einem der faktischen Anführer. Unter den
       BFJ-Mitgliedern war damals auch der heutige Identitären-Chef Martin
       Sellner. Sellner ist auch bei Auf1 zu Gast.
       
       Im Jahr 2008 werden Magnet und vier Mitstreiter vor dem Landesgericht Wels
       wegen des Verdachts auf NS-Wiederbetätigung angeklagt. Einer der Zeugen im
       Prozess war der Linzer Polizist Uwe Sailer. Er hat noch lebhafte
       Erinnerungen an den Prozess: „Magnets ganzer Fanclub“ habe vor dem Gericht
       Spalier gestanden, Sailer sei bedroht worden, auch die Geschworenen hätten
       sich bedroht gefühlt. Magnet wird schließlich freigesprochen und kommt nach
       einem halben Jahr Untersuchungshaft frei. Der Bund Freier Jugend löst sich
       nach dem Verfahren auf.
       
       Formal war die Gruppe nie mit der FPÖ verbunden, die persönlichen
       Verbindungen aber waren eng. 2016 reiste Stefan Magnet mit einer
       Delegiertengruppe der FPÖ nach Russland, wo die Partei einen
       Freundschaftsvertrag mit Putins Partei Einiges Russland unterzeichnete. Der
       Vertrag schrieb eine Kooperation auf allen Ebenen fest, mit dem Ziel:
       „Erziehung der jungen Generation im Geiste von Patriotismus und
       Arbeitsfreude“. Den Wortlaut des Vertrags hält die FPÖ unter Verschluss,
       nach Parteiangaben ist er angeblich ausgelaufen.
       
       Auf1 hat heute ein „virtuelles Büro“ im Wiener „Goldenen Quartier“.
       Tatsächlich ist der Sender in Linz in einem schmucklosen Zweckbau
       untergebracht, einen Steinwurf vom Bahnhof entfernt. Es ist das einstige
       TV-Studio der FPÖ-nahen Postille Wochenblick. Unten ist ein kleiner
       Supermarkt, oben Wohnungen, dazwischen, im ersten Stock, die Studios.
       „Media in res GmbH“ steht auf zwei Klingeln. Die Senderäume sind von außen
       mit einem schwarzen Tuch abgehängt.
       
       Eine kleine Mannschaft macht hier das Programm, 15 Mitarbeiter:innen
       stellt der Sender selbst auf seiner Webseite vor, darunter eine
       Ex-Schauspielerin, eine Ex-Polizistin und eine Masseurin. Mit ihnen reden
       kann man nicht – Magnet lässt sämtliche Interviewanfragen unbeantwortet.
       
       So ein kleiner Sender mit 15 Mitarbeiter:innen aus der
       österreichischen Provinz – kann hier tatsächlich Propaganda entstehen, die
       auf die Landtagswahlen in Ostdeutschland gefährlichen Einfluss nehmen kann?
       
       Vielleicht nicht allein. In Österreich, sagt der Ex-Polizist Sailer, sei im
       Umfeld der FPÖ ein ganzes Ökosystem parteinaher Medien entstanden, die
       zusammen eine enorme Reichweite haben: russlandfreundlich, FPÖ-nah, voller
       rechtsextrem gefärbter Desinformation. Das in Linz ansässige selbsternannte
       „Magazin für Patrioten“, Info-Direkt, machte schon in seiner ersten Ausgabe
       klar: „Wir wollen einen wie Putin.“
       
       Auf1 passt für Uwe Sailer hervorragend in dieses Netzwerk. „Das Ziel von
       Auf1 ist ausschließlich die Destabilisierung der Demokratie durch
       Desinformation“, sagt er. Und je mehr kleine Sendeanstalten wie Auf1 oder
       Blogs auftreten, „desto wahrer erscheinen deren Geschichten“.
       
       ## Expansion nach Deutschland
       
       Seit dem vergangenen Sommer zielt Auf1 auch auf Deutschland. Einen
       „Großangriff aufs Medienkartell“ versprach Magnet im August und verkündete
       den Coup: Über den kleinen Regionalsender SRGT werde Auf1 künftig auch im
       Satellitenfernsehen empfangbar sein – also zu Hause, auf dem Fernseher im
       Wohnzimmer.
       
       SRGT steht für „SchwarzRotGoldTV“. Betrieben wird der Sender von dem
       Stuttgarter Arzt Wilfried Geissler, der während der Coronapandemie zum
       Aktivisten der örtlichen Querdenken-Szene wurde. Geissler trat auf Demos
       auf und kandidierte für die AfD. Unter dem Namen SRGT betrieb er erst einen
       Youtube-Kanal über Impfschäden und die angebliche Coronalüge. 2021
       beantragte er eine Fernsehlizenz und bekam sie. Der Sender lag weitgehend
       brach – bis Auf1 übernahm.
       
       Wilfried Geissler, der ehemalige Arzt und SRGT-Betreiber, antwortet schnell
       auf eine taz-Anfrage. Zu seinem Engagement für Auf1 schreibt er nur knapp,
       er wolle lieber über Corona sprechen. Er schlägt eine Diskussion über
       Videochat vor, über die Coronapolitik, die aktuellen Inzidenzen. Wir
       willigen ein, schreiben aber, dass wir auch über Auf1 sprechen wollen. Dann
       antwortet Geissler nicht mehr.
       
       Seit September 2023 strahlte Geisslers Sender morgens und abends für einige
       Stunden das Programm von Auf1 aus. [10][Im November schaltete sich die
       Landesmedienanstalt ein und untersagt die Ausstrahlung von Auf1 über
       Satellit.] Nicht etwa wegen der Inhalte von Auf1, sondern weil Geissler mit
       seinem Deal gegen den Medienstaatsvertrag verstoßen hatte. Schließlich
       hatte er die Sendelizenz für seinen eigenen Sender erhalten, nicht für
       Auf1. Die Medienaufsicht sah einen „Verkauf von Sendezeit“.
       
       SRGT stoppte daraufhin zunächst die Ausstrahlung von Auf1, mittlerweile
       läuft das österreichische Programm wieder bei dem Sender. Geissler
       schreibt, „wir“, also vermutlich Stefan Magnet und er, hätten „das
       Vertragswesen und die Finanzierung neu aufgesetzt“. Was das heißt,
       beantwortet er nicht. Die zuständige Landesmedienanstalt Baden-Württemberg
       prüft nun wieder. Voraussichtlich im Februar will sie entscheiden, wie sie
       mit Auf1 bei SRGT umgeht. Wilfried Geissler, der SRGT-Betreiber, könnte
       dann seine Lizenz verlieren.
       
       In Österreich hatte sich Auf1 mit dem gleichen Trick einen Sendeplatz im
       linearen Fernsehen erschlichen – eingekauft in einen kleinen
       Regionalsender. Im November 2022 verbot die österreichische Medienaufsicht
       dem Sender, Auf1 auszustrahlen. Stefan Magnet hat dagegen Widerspruch beim
       Bundesverwaltungsgericht eingelegt, das Verfahren läuft noch.
       
       Woher das Geld kommt, mit dem Magnet seinen Sender finanziert, ist unklar.
       Auf der Webseite wirbt Auf1 um Spenden. Im Internetshop gibt es neben
       Esoterikbüchern und Biokräutertee auch alles für den Weltuntergang:
       Taschenlampe, Powerbank, Notfallkocher – alles im Auf1-Blau.
       
       In der Münchner Eventlocation schreitet der Nachmittag voran. Am
       Büchertisch werden einschlägige Werke verkauft, viele aus dem rechten
       Kopp-Verlag. Sticker gibt es gratis, „Sei keine Marionette“ steht auf
       einem.
       
       Das Publikum erinnert an großstädtische Theaterbesucher: Frauen in Kostüm,
       Parfümschwaden ziehen durch den Saal, Männer in Jackett oder
       Slim-Fit-Anzug. Ein paar alte Männer mit langen grauen Haaren und
       Strickpulli haben sich auch unters Publikum gemischt.
       
       Auf der Bühne werfen Szenegrößen kurze Schlaglichter auf das kommende Jahr,
       ihr „Schicksalsjahr 2024“: Der Arzt und Coronaverschwörer Andreas
       Sönnichsen sagt, dass er nun auch gegen die Masern-Impfpflicht kämpfen
       will. Martin Kohlmann, Chef der Neonazi-Partei Freie Sachsen, will 2024
       weitermachen wie bisher. Und Uwe Kranz, der frühere Präsident des Thüringer
       Landeskriminalamtes, warnt vor einer angeblichen frühen Sexualisierung von
       Kindern. Es könne nicht sein, dass man von „null bis vier Jahren“ schon
       „das Gefummel lernen“ müsse.
       
       Stefan Magnet, der Mann hinter Auf1, fühlt sich offensichtlich beflügelt
       von diesem Nachmittag. Die „Medienrevolution“, sie ist in vollem Gange,
       wenn man ihm so zuhört. Tatsächlich zeigt der Neujahrsempfang in München
       aber auch, dass es Magnet um viel mehr geht. Auf der Bühne schimpft er auf
       das parallel tagende Weltwirtschaftsforum in Davos. Eine „Alternative zum
       Globalisten-Treffen“ wolle er ins Leben rufen. Und das am liebsten gleich
       hier und heute. Kompetenz sei an diesem Nachmittag im Münchner Publikum
       dafür ja ausreichend vorhanden.
       
       6 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Goetz-Kubitschek-spricht-in-Wien/!5974402
   DIR [2] /AfD-im-Osten/!5982629
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   DIR [5] /Proteste-gegen-rechts/!5985924
   DIR [6] /Rechtes-Medienportal-Nius/!5945019
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   DIR [9] /Rechtsextremem-droht-Einreisesperre/!5988362
   DIR [10] /Rechter-Fernsehsender-Auf1/!5969652
       
       ## AUTOREN
       
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       „Düsseldorfer Forum“ nutzt ein Konto des Plöner AfD-Politikers Thomas
       Grebien.
       
   DIR Rechtes Geheimtreffen in Potsdam: Braune Eminenz
       
       Im November trafen sich in Potsdam Neonazis und AfD-Politiker.
       taz-Recherchen zeigen: Dabei war ein Unternehmer und rechter Netzwerker,
       der christliche Autoren verlegt – auch ein Buch von Papst Benedikt.
       
   DIR Angriff auf ZDF-Mitarbeiter in Berlin: Presse und Nazis verwechselt
       
       Nach dem brutalen Überfall auf ein ZDF-Team 2020 in Berlin erhalten vier
       Angeklagte Bewährungsstrafen. Sie hatten überraschend gestanden.