# taz.de -- Kulturaustausch durch Fußball: Gezielter Culture Clash
> Der Charlottenburger CSV Afrisko versucht, die afrikanische und
> europäische Kultur zu verbinden – in einem Fußballverein. Ein Besuch auf
> dem Spielfeld.
IMG Bild: Yaw Donkor (Mitte) gründete 2008 mit dem 1. FC Afrisko den ersten von Afrikanern initiierten Fußballverein bei einem deutschen
Berlin taz | Wir wollen kein Profiverein sein, sondern mit Idealismus
Kultur und Sport verbinden“, sagt Dauaride Empere. Der 50-jährige Berliner
mit nigerianischen Wurzeln ist im Vorstand des CSV Afrisko, das steht für
Afrika Sport und Kulturorganisation. So ungewöhnlich wie der Name ist auch
der Werdegang des Charlottenburger Sport- und Kulturvereins, der eine
deutsche und eine afrikanische Seite hat. Vor anderthalb Jahren vermengten
sich beide, was sich auch in der Besetzung des Vorstands spiegelt, zu dem
neben Empere auch André Münster und André Runge gehören.
Die Ursprünge der afrikanischen Vereinsseite würden bis in die 90er Jahre
zurückreichen, erzählt Empere. „Damals gab es jährlich ein Baobab-Turnier,
benannt nach einem afrikanischen Baum, bei dem verschiedene Mannschaften
aus den afrikanischen Communitys gegeneinander antraten. Sie kamen
einerseits zum Fußballspielen zusammen, aber auch, um sich auszutauschen
und miteinander zu essen und zu feiern.“ Irgendwann habe sich daraus die
Idee entwickelt, einen Verein zu gründen. So entstand 2008 der Afrisko e.
V. mit seinen zwei Bereichen 1. FC Afrisko im Fußball und Afrisko im
Kulturbereich. „Der kulturelle Aspekt war uns von Anfang an wichtig.“
Musik aus der Heimat der afrikanischstämmigen Berliner, die insbesondere
Wurzeln in Ghana, Kamerun und Nigeria hatten, wurde bewusst für den Support
eingesetzt. Neben dem Platz heizten etliche Amateurmusiker unter den 100
bis 150 Zuschauern dem Freizeitteam ein, mit Trommeln, Saiteninstrumenten
und Gesängen. Zusätzlich wurden eine Reihe von Kulturprojekten umgesetzt,
wie die Unternehmer- und Kulturabende, in denen nicht nur afrikanische
Kultur gelebt wurde, sondern auch erfolgreiche Lokalunternehmer als
Mentoren und Motivatoren für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Afriskos fungierten.
[1][Ein wichtiger Mitgründer des 1. FC Afrisko, dem ersten von Afrikanern
initiierten Mitglied bei einem deutschen Sportverband, war Yaw Donkor,] ein
früherer Bundesligaprofi unter anderem bei Hertha. Er hatte Kontakte zu
etlichen Profis, darunter Hans Sarpei, Chinedu Ede und Pablo Thiam, die dem
Verein oft Trikots, Bälle und Geld spendeten.
## Warum nicht aufraffen und mit vereinten Kräften neu wachsen
Anfangs sei es für die Spieler und Anhänger vor allem um die Gemeinschaft
gegangen, sagt Dauaride Empere. Nach ersten sportlichen Erfolgen habe das
Thema Geld aber leider an Bedeutung gewonnen. Spieler wurden von anderen
Vereinen abgeworben. Zugleich seien die Vereinsstrukturen dem schnellen
Wachstum nicht angepasst worden. Mit Afrisko ging es schleichend bergab und
mit der Coronakrise ganz tief. Die Folge: Abmeldung vom Spielbetrieb trotz
laufender Projekte im Kulturbereich.
„Die waren tot“, sagt André Münster. „Und wir waren sterbend“, ergänzt
André Runge. Beide sind seit Kinderzeiten Mitglied im CSV Olympia, der sein
Domizil am Rand einer Kleingartenanlage am Spandauer Damm hat. „Der
Großteil unserer aktiven Mitglieder war über 50 Jahre alt. Wir hatten eine
Männermannschaft und ein 7er-Team fürs Kleinfeld, aber keine Jugend mehr.“
Dem ältesten Verein Charlottenburgs, dessen Ursprung bis ins Jahr 1897
reichte, ging es perspektivisch nicht sehr viel besser als dem 1. FC
Afrisko aus dem Wedding.
[2][Zwei Vereine am Boden, der eine mehr, der andere weniger. Warum nicht
aufraffen und mit vereinten Kräften neu wachsen, dieser Gedanke konnte
wachsen], weil sich André Runge und Dauaride Empere kannten. Schnell wurde
aus der Idee ein konkretes Vorhaben und es folgte ein gegenseitiges
Abtasten, das gleich zum kleinen Culture Clash geriet: Nachdem sich drei
schwarze Afrisko-Vertreter bei der Olympia-Mitgliederversammlung in einer
Kneipe in akzentfreiem Deutsch vorgestellt hatten, gab es geteilte
Reaktionen. Drei Olympia-Mitglieder um die 80 guckten perplex und drei
traten umgehend aus dem Verein aus. Dagegen zeigten sich die Mitglieder
eine Generation jünger von den Gästen und ihrem Mitmachdrang begeistert.
Beim Gegenbesuch herrschte erneut Klischeewarnstufe eins: „Die Versammlung
fand im Schillerpark statt, Essen und Getränke wurden mitgebracht, aber es
dauerte, bis überhaupt jemand kam“, erinnert sich André Runge. „Treffpunkt
war 13 Uhr und obwohl ich eine halbe Stunde zu spät dran war, musste ich
noch eine Stunde warten, bis der Erste von Afrisko kam. Wir haben uns erst
mal Sprüche an den Kopf geworfen: Ihr habt die Uhr, wir haben die Zeit.
Aber beim Picknick mit Hähnchen, Reis und Wein ging alles harmonisch.“
## Dass hier unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen würden, war den
Charlottenburgern klar
Dass hier unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen würden, war den
Charlottenburgern klar. Aber es sorgte sie nicht, im Gegenteil. „In Berlin
will jede Ethnie fußballvereinsmäßig gern ihr eigenes Ding machen. Es gibt
Croatia, Srbija, Türkiyemspor. Wir fragten uns, warum diese Trennung, warum
nicht zwei Kulturen zusammenbringen, in diesem Fall die afrikanische und
europäische.“
Vielleicht war die Offenheit für einen gemeinsamen Weg auch deshalb da,
weil es bereits Verbindungen des Vereins nach Senegal gab, initiiert durch
einen Spieler, „Pakko“, der von dort stammte. Olympia-Boss André Münster
nennt ihn einen „Menschenfänger“. Er habe ihn auch gleich in seiner Firma
für Heizung und Sanitär eingestellt und dessen Kinder in der Heimat mit
Schulgeld unterstützt. 2018 flogen sie sogar mit einer Truppe von
Ü50-Spielern nach Senegal, um ein Freundschaftsspiel und ein Kinderturnier
auszutragen sowie gespendetes Hertha-Sportzeug zu übergeben. Weil Pakko
früher dort ein bekannter Spieler war, seien sie wie Staatsgäste empfangen
worden. Fernsehen und Radio warteten am Flughafen. Es gab Empfänge von
Politikern. Jetzt zu Ostern wollen sie wieder hinfliegen.
„Wir hatten auch mal einen Spieler, der aus Guinea stammte. Eigentlich
waren wir immer schon internationaler Verein und haben damit nie schlechte
Erfahrungen gemacht“, sagt André Münster. Im Herbst 2022 stand dann fest,
die Fusion wird kommen. Nur hieß sie nicht so. Aus finanziellen Gründen
erfolgte eine Namensänderung aufgrund eines Zusammenschlusses. Der Name
Olympia verschwand aus dem Register und personell erfolgte ein Umbruch.
[3][Man hat sich von vielen Spielern getrennt, dafür seien etliche
Jugendspieler von Olympia zurückgekehrt], nur von Afrisko sei im Endeffekt
leider gar keiner gekommen, bedauert André Münster. Den Grund sieht er
darin, dass sich einige Spieler offenbar erhofft hatten, hier Geld zu
verdienen. Der Verein müsse sich jedoch selbst finanzieren, man sei nicht
in der Lage, Gehälter zu zahlen.
## André Runge sagt, er würde eigentlich gern afrikanische Popmusik in sein
Kindertraining einbringen
Empere blickt durchaus kritisch auf seine alten Mitstreiter. Ursprünglich
sei er davon ausgegangen, dass der CSV eher mit der Vereinigung hadern
würde. Stattdessen habe sich gezeigt, dass sich ein Großteil der
afrikanischen Leute wenig auf den Kulturunterschied einlasse. „Dabei war es
doch der Initialfunke, bewusst keinen Inselverein für Afrikaner zu wollen,
sondern integrativ an die Sache zu gehen. Ich bin etwas enttäuscht, dass
die Schwarzen Brüder und Schwestern nicht drangeblieben sind.“
Dafür würden sich jetzt „witzigerweise“ alte Mitglieder, die lange inaktiv
waren, in der Vereinsarbeit engagieren, so André Münster. Außerdem zöge der
Verein, bedingt durch den Namen Afrisko, junge afrikanischstämmige Spieler
aus der ganzen Stadt an. Auch in den Kulturprojekten haben sich neue
Mitstreiter angekündigt. „Jetzt macht die Mannschaft wieder Spaß, man guckt
gerne zu. Die jungen Leute spielen zwar nicht beständig, aber man sieht auf
dem Platz, dass sie sich mit dem Verein identifizieren.“ Er bewundert vor
allem die Lockerheit der Afrikaner, „weil man selber ja anders ist“.
Und was ist mit der Kultur, der Vereinskultur und vielleicht auch der
Fankultur? Vergangenen August machten sich die Fußballer des
Charlottenburger Kreisligisten nach dem Training auf den Weg nach
Prenzlauer Berg. Nicht, um dort gegen eine andere Mannschaft anzutreten,
sondern um ihren Verein beim Popkultur-Festival zu vertreten. Der war
eingeladen worden, sich vorzustellen, weil er selbst nicht nur das Wort
„Kultur“ in seinem Namen trägt, sondern auch die Popkultur der jüngeren
Zeit der afrikanischen Community Berlins mitgeprägt hat.
## Der integrative Fortschritt nach der Fusion wird seine Zeit brauchen
Vorstandskollege André Runge sagt, er würde eigentlich gern afrikanische
Popmusik in sein Kindertraining einbringen. Auch eine Vereinshymne wäre
was. „Textlich auf Deutsch, aber afrikanische Rhythmen fände ich großartig,
weil es zeigt, hier wächst was zusammen. Afrikanischer Rap in deutscher
Sprache wäre cool.“ Dauaride Empere muss lachen. „Wir hatten ja früher
Musikleute, die afrikanische Stimmungslieder spielten. Die könnten ja
vielleicht die deutsche Schlagerseite mit einbauen.“
„Ach Gott“, entfährt es André Runge. Es sei schon schlimm genug, dass die
jungen Deutschen heutzutage so gern Schlager hörten. In einem Punkt sind
sich die drei vom Vorstand jedoch absolut einig: Der integrative
Fortschritt nach der Fusion wird seine Zeit brauchen. Die war nur der
formale Schritt. Aber er ist für alle erkennbar am neuen Wappen und den
neuen Vereinsfarben, in denen alle Mannschaften jetzt spielen. Aus Olympias
Grün-Gelb-Blau wurden die „afrikanischen Farben“ Gelb-Rot-Grün, wie André
Münster sagt. „Das hat bereits die Runde gemacht auf den anderen Plätzen.
Da können wir schon stolz drauf sein.“
14 Feb 2024
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