URI: 
       # taz.de -- Unabhängigkeitsbewegung in Spanien: Mit Pegasus und paralleler Polizei
       
       > Die spanische Regierung Rajoy ging jahrelang gegen die katalanische
       > Unabhängigkeitsbewegung vor. Dabei waren alle Mittel recht, auch
       > Spionagesoftware.
       
   IMG Bild: Trotz Verbot fand er statt, der Tag des verbotenen Referendums zur Unabhängigkeit in Barcelona am 01.10.2017
       
       Madrid taz | Was ihm widerfahren sei, ähnele „einem Abenteuer aus der
       spanischen Comicserie Clever & Smart“, erklärte der Präsident der
       katalanischen Autonomieregierung Generalitat, Pere Aragonès, nachdem ihm
       die spanische Regierung unter dem Sozialisten Pedro Sánchez Einsicht in die
       Akten des spanischen Geheimdienstes CNI gewährt hatte. Neun Monate wurde
       Aragonès Mobiltelefon zwischen 2019 und 2020 mit der Software Pegasus
       ausspioniert, als er den Posten des stellvertretenden katalanischen
       Regierungschefs inne hatte.
       
       Das Oberste Gericht in Madrid hatte den Einsatz der Spionagesoftware
       genehmigt, da der Geheimdienst gegen Aragonès vorbrachte, er würde trotz
       oder gerade wegen seines hohen Amtes „aus dem Untergrund heraus“ die in
       ganz Katalonien operierenden Protestgruppen „Komitees zur Verteidigung der
       Republik“ (CDR), leiten.
       
       Die CDR hatten unter anderem dafür gesorgt, dass bei am 1. Oktober 2017
       abgehaltenen Unabhängigkeitsreferendum Kataloniens, das Madrid verboten
       hatte, die Urnen in die Wahllokale kamen. Nachdem Madrid später die
       katalanische Regierung abgesetzt hatte, organisierten sie [1][unzählige
       Protestaktionen, wie Wandmalereien, Straßenblockaden und Kundgebungen]. Die
       Polizei wirft den CDR vor, Anschläge geplant zu haben. Stichhaltige Beweise
       gibt es dafür allerdings keine.
       
       Die Anschuldigungen gegen ihn seien, so Aragonès am Freitag, „Lügen“, um
       seine Ausspionierung zu rechtfertigen. Aragonès fordert jetzt eine
       Bestrafung der Verantwortlichen. Ein Gericht in Barcelona ermittelt. Am
       Freitag wurde die ehemalige Geheimdienstchefin Paz Estebán verhört.
       
       ## „Operation Katalonien, Teil 2“
       
       Neben Aragonès wurde auch bei weiteren 62 Personen aus dem Umfeld der
       katalanischen Unabhängigkeitsbewegung die Spionage-Software auf den Handys
       gefunden, darunter enge Vertraute des im Brüsseler Exil lebenden ehemaligen
       Präsidenten der Generalitat und [2][EU-Parlamentarier Carles Puigdemont].
       Außerdem bei zwei weiteren ehemalige Präsidenten der Generalitat, mehreren
       Strafverteidigern und Journalisten. Pegasus erlaubt es, die Handys komplett
       auszulesen, sowie Kamera und Mikrofon fern zu steuern.
       
       Aragonès bezeichnet [3][die Abhöraffäre, die längst als „Catalangate“
       bekannt ist], als Teil 2 der „Operation Katalonien“. Er nimmt damit Bezug
       auf die Enthüllung zahlreicher Dokumente aus dem Innenministerium der
       Regierung der Partido Popular (PP) unter Mariano Rajoy in den Jahren vor
       dem Referendum. Dort hatte ein paralleler Polizeiapparat aus hohen
       Führungskräften, die sogenannte „patriotische Polizei“, angebliche
       Ermittlungsergebnisse erfunden und der Presse zugespielt, sowie mit Hilfe
       einzelner Richter Verfahren eröffnet, die Jahre später alle im Sand
       verliefen.
       
       ## Falsche Korruptionsvorwürfe, ausgedachte Delikte
       
       Dabei wurden Persönlichkeiten aus der Unabhängigkeitsbewegung
       Korruptionsaffären und andere Delikte angedichtet, um sie zu
       diskreditieren. Unter dem Opfern befanden sich der damalige Bürgermeister
       von Barcelona, Xavier Trias, der ehemalige Präsident der Generalitat, Artur
       Mas, Familienangehörige eines anderen ehemaligen Präsidenten, ein
       Staatsanwalt, der katalanische Polizeichef sowie zahlreiche Unternehmer und
       ein Präsident des FC Barcelona.
       
       Auch dieser Tage führt ein Richter erneut einen skurrilen Feldzug gegen die
       katalanische Unabhängigkeitsbewegung. So leitete der eng mit der PP
       verbundene Richter Manuel Garcia-Castellón an der Audiencia Nacional, dem
       Nationalen Strafgericht Spaniens, ein neues Verfahren gegen den
       Ex-Präsidenten Puigdemont und eine weitere im Exil lebende
       Unabhängigkeitspolitikerin ein.
       
       Just zu dem Zeitpunkt, als die Mehrheit im spanischen Parlament, die der
       Minderheitsregierung Sánchez ins Amt verholfen hatte, [4][ein
       Amnestiegesetz für all diejenigen vorstellte], die wegen der Durchführung
       des katalanischen Referendums und den Proteste danach gerichtlich verfolgt
       werden. Sie hätten angeblich vom Ausland aus die Protestbewegung
       „Demokratischer Tsunami“ geführt, lautete der Vorwurf.
       
       Diese Protestbewegung blockierte den Flughafen Prat in Barcelona, als
       mehrere Unabhängigkeitspolitiker und -aktivisten wegen Durchführung des
       Referendums zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden. Ein Tourist, der
       deswegen versuchte, zu Fuß zum Flughafen zu kommen, erlitt einen
       Herzinfarkt. „Terror mit Todesopfer“ ist das für Richter Garcia Castellón,
       der sich vor allem durch die Einstellung von Verfahren gegen korrupte
       PP-Politiker einen Namen gemacht hat.
       
       26 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Nach-Urteil-zu-Unabhaengigkeitspolitikern/!5634223
   DIR [2] /Vor-der-Regierungsbildung-in-Spanien/!5955225
   DIR [3] /Spionageskandal-in-Spanien/!5854046
   DIR [4] /Spaniens-Amnestiegesetz/!5980183
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Reiner Wandler
       
       ## TAGS
       
   DIR Katalonien
   DIR Spanien
   DIR Carles Puigdemont 
   DIR Amnestiegesetz
   DIR Pedro Sánchez
   DIR Spionage
   DIR Katalonien
   DIR Spanien
   DIR Spanien
   DIR Carles Puigdemont 
   DIR Spanien
   DIR Spanien
   DIR Katalonien
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Regionalpräsident Kataloniens gewählt: Ein Nicht-Separatist im höchsten Amt
       
       Der Sozialist Salvador Illa will Katalonien als Teil Spaniens belassen.
       Zuvor kam Spanien mit einem Amnestiegesetz den Separatisten entgegen.
       
   DIR Kataloniens Unabhängigkeitsbewegung: Puigdemont will wieder antreten
       
       Der seit 2017 im Exil lebende ehemalige katalanische Präsident Carles
       Puigdemont will zurück ins Amt. Am 12. Mai wird in Katalonien gewählt.
       
   DIR Spanien und Katalonien: Einigung auf Amnestiegesetz
       
       Das Gesetz befreit Kataloniens Unabhängigkeitsbefürworter vom Vorwurf des
       Terrors und des Hochverrats. Rechte wollen vors Verfassungsgericht ziehen.
       
   DIR Konflikt von Spanien und Katalonien: Amnestiegesetz durchgefallen
       
       In der ersten Parlamentsabstimmung ist das Amnestiegesetz in Spanien
       durchgefallen. Es sollte Menschen vor Verfolgung bewahren.
       
   DIR Amnestiegesetz in Spanien: Pragmatismus gewinnt
       
       Spaniens Ministerpräsident will Befürwortern der Unabhängigkeit
       Straffreiheit gewähren, um eine Mehrheit zu bilden. Eine Chance für
       Spanien.
       
   DIR Regierungsbildung Spanien: Amnestie für den Machterhalt
       
       Pedro Sánchez einigt sich mit Parteien auf ein Gesetz, das katalanischen
       Politikern Amnestie gewährt. Darunter sind mehrere, die im Exil leben.
       
   DIR CatalanGate mit Pegasus-Spyware: Cyberangriffe auf Katalanenführer
       
       Im spanischen Katalonien sind 65 Personen aus der Unabhängigkeitsbewegung
       per Handy ausspioniert worden, behaupten kanadische Forscher.