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       # taz.de -- Autorin über Debütroman: „Drei starke, eigensinnige Frauen“
       
       > Autorin Elena Fischer erzählt in „Paradise Garden“ vom prekären Leben in
       > einer Hochhaussiedlung. Ihre Protagonistinnen lassen sich nicht
       > unterkriegen.
       
   IMG Bild: Muss kein schlimmes Leben bedeuten: prekär anmutende Hochhaussiedlung, hier in Dietzenbach
       
       taz: Frau Fischer, werden Sie oft nach Ihrer ungarischen Großmutter
       gefragt? 
       
       Elena Fischer: Ich werde schon öfter gefragt, ob das Buch autobiografische
       Elemente hat. Was ich dann zurückweise und verneine, abgesehen von meinen
       ungarischen Wurzeln. Da ist es aber in der Tat so, dass meine beiden
       Großväter [1][Ungarn-Deutsche] waren und mich einer der beiden, der
       väterlicherseits, besonders geprägt hat. Er ist erst nach dem Krieg mit 20
       nach Deutschland gekommen. Aber die ungarische Großmutter im Buch, die hat
       nichts mit diesem Großvater zu tun. Meine eigene Großmutter ist Deutsche.
       
       Dahinter steckt der Eindruck, dass es heute nicht nur einen Trend gibt,
       [2][autofiktional] zu schreiben. Sondern eigentlich nur noch das – Sie sich
       also mit der Annahme konfrontiert sehen müssten, dass Sie da eben doch Ihr
       eigenes Leben beschreiben, Ihren eigenen familiären und sozialen
       Hintergrund. 
       
       Definitiv. Ich bin dann immer verwundert und denke: Ist es denn nicht mein
       Job als Autorin, mir Sachen auszudenken?
       
       Wenn sie es definieren müssten: Was ist „Paradise Garden“ für ein Buch? 
       
       Oh, es ist vieles: eine Mutter-Tochter-Geschichte, ein Entwicklungsroman,
       vielleicht auch ein Familienroman. Es ist definitiv ein Buch über drei
       starke, eigensinnige Frauen. Und es ist eine Coming-of-age-Story. Was es
       nicht ist: eine road novel. Denn die road, das Reisen macht ja nur einen
       kurzen Teil der Handlung aus. Es geht mir auch mehr um die innere
       Entwicklung der Protagonistin.
       
       Dafür sind Sie selbst ganz schön auf Reisen gewesen, nämlich, um Lesungen
       zu geben. Wer kommt da – Menschen, die den Schauplatz des Buches kennen,
       also: eine [3][Hochhaussiedlung] am Stadtrand? Oder eher nicht? 
       
       [4][Wer besucht Lesungen?] Also, heutzutage noch? Im Schnitt, glaube ich,
       ist es schon eher gebildetes, vielleicht auch akademisches Milieu. Aber es
       kommen durchaus auch Menschen, die unterschiedlich alt sind: Von denen, die
       mit ihren Eltern oder auch ihren Müttern kommen, bis hin zu 93-Jährigen,
       die das Buch gelesen haben. Ich habe sehr viele wirklich alte Männer im
       Publikum, die das Buch ganz toll finden – womit ich jetzt gar nicht
       gerechnet hätte.
       
       Das finde ich aber auch überraschend. 
       
       Ich glaube, dass es wirklich ein breites Spektrum unterschiedlicher
       Menschen anspricht. Ab und zu ist mir aber auch schon jemand aufgefallen,
       der zum Beispiel in der Sozialarbeit beschäftigt ist und das Milieu kennt,
       in dem die Handlung spielt. Nicht unbedingt, weil die Person selbst so
       aufgewachsen ist, sondern weil sie professionell damit in Kontakt kommt.
       
       Wie genau kannten Sie denn, wo – und wie – Ihre Figuren leben? 
       
       In Mainz gibt es ein Naturschutzgebiet, und darin steht eine
       Hochhaussiedlung, die mir ein bisschen Inspiration und Beispiel war für das
       Hochhaus, das ich im Roman beschreibe – allerdings wirklich stark
       verfremdet. Das hat mich immer auch fasziniert, darüber wurde auch schon
       journalistisch berichtet. Die Idee, Billie und Marika da reinzusetzen …
       
       … Ihre Protagonistin und deren Mutter … 
       
       … kam dann ganz natürlich. Wie genau sie dort leben, habe ich
       Dokumentationen über [5][prekäres Leben] und Kinderarmut in Deutschland
       entnommen. Der Rest war Fantasie: Die Fähigkeit, sich das Leben trotzdem so
       schön wie möglich zu machen, das Besondere im Alltäglichen zu sehen, das
       habe ich mir einfach ausgedacht. Damit wollte ich Marika und Billie
       ausstatten, weil ich finde, dass das eine universell gültige, schöne
       Fähigkeit ist. Etwas, das uns durchs Leben hilft, unabhängig von der
       finanziellen Situation. Das war mir wichtig.
       
       Das Buch sei gleichermaßen traurig wie tröstlich, habe ich mehr als einmal
       gelesen. Haben Sie selbst [6][das Lesen als tröstlich erlebt] – oder tun
       das vielleicht immer noch? 
       
       Ja, immer. Und [7][das Schreiben] auch!
       
       30 Jan 2024
       
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